Introvertiert und aufbrausend: Geigerin Janine Jansen.

Foto: Harald Hoffmann

Wien – So souverän mit seiner eigenen Verpeiltheit zu kokettieren – auch das muss man können. Als sich Andrés Orozco-Estrada am Ende des Abends an das Publikum wandte, war zu erfahren: Er habe sich in der Dusche jedes Wort zurechtgelegt, seine Mutter habe ihn angerufen, nein, äh, seine Frau, sie werde Mutter, es wäre nett, wenn er dabei wäre. Weil also etwas dazwischengekommen sei – nein, das sei nicht das richtige Wort –, habe er das Programm kürzen müssen, freue sich aber umso mehr und …

Hätte er sich nach der Geschichte um die von ihm wohl vollkommen rechtmäßig bezogene Corona-Umsatzentschädigung (DER STANDARD berichtete) der Sympathien des Publikums versichern wollen, wäre das kaum wirkungsvoller gegangen. Sein dirigentisches Können bewies der Chef der Wiener Symphoniker so lässig und konzentriert wie eh und je: mit den edel-mattierten (je nach Geschmack auch etwas kitschigen) Haydn-Variationen von Johannes Brahms, mit einem Klangfeuerwerk in Nikolai Rimski-Korsakows Capriccio espagnol und mit einem warmen Sound im Eingangsstück, dem zweifellos komplexesten, ja sperrigsten des Abends (woran man sieht: Es kommt nicht auf die Länge an, wohl aber den Zusammenhang).

Perfekte Spannungsbögen

Mit perfekten Spannungsbögen agierte in Max Bruchs Violinkonzert das Orchester, Solistin Janine Jansen ließ ihr sonores Instrument wunderbar introvertiert singen und aufbrausen – an einem Abend, der insgesamt demonstrativer Lebensfreude zu gelten schien.

Jansen ist – gemeinsam mit dem Pianisten Denis Kozhukhin und mit Werken von Beethoven, Brahms und Clara Schumann – wieder am 16. 6. im Konzerthaus zu Gast. Die Symphoniker spielen unter der Leitung von Lorenzo Viotti von 16. bis 18. 6. im Musikverein, verschiedene Formationen des Orchesters gastieren beim Wir-sind-Wien-Festival, u. a. am 15. 6. im Reithoferpark mit einem Best of West Side Story und am 19. 6. im Wertheimsteinpark mit traditioneller Wiener Musi. (daen, 14.6.2021)