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Mutante B.1.617.2 gilt als ansteckender und auch aggressiver.

Foto: REUTERS/Yves Herman

Genau niemand braucht im Moment unangenehme Nachrichten über Corona. Warum auch? Die Infektionszahlen gehen weiter nach unten, während die Zahl der Geimpften steigt. Die Voraussetzungen für einen entspannten und entspannenden Sommer wären also ideal. Doch in den letzten Tagen traten immer mehr Fälle der sogenannten Delta-Variante auf, die auch als "indische" Mutante B.1.617.2 bekannt ist und leider nicht nur ansteckender, sondern auch aggressiver ist.

In Indien war die Delta-Variante für die Explosion der Infektionszahlen im April und Mai verantwortlich. In Großbritannien, das Österreich bei den Impfungen wie auch bei der Ausbreitung der Delta-Variante rund zwei Monate voraus sein dürfte, hat Premier Boris Johnson deshalb am Montag weitere Öffnungen, die für den 21. Juni geplant waren, um vier Wochen verschoben. Was weiß die Wissenschaft über die Variante? Und was lässt sich daraus für die Entwicklung bei uns abschätzen?

Frage: Wie weit hat sich die Delta-Variante in Österreich bereits ausgebreitet?

Antwort: Das lässt sich noch nicht so genau sagen und schwankt je nach Bundesland. Die meisten Fälle waren bis Montagnachmittag aus Wien bekannt: nämlich 22 bestätigte Fälle (davon aber nur mehr fünf aktiv) sowie 35 Verdachtsfälle. Die müssen erst noch sequenziert und bestätigt werden. Aus Niederösterreich sind acht Fälle bestätigt, davon sind drei Personen schon wieder genesen. In Salzburg gibt es 14 Verdachtsfälle, in Vorarlberg acht bestätigte Fälle. In vielen Fällen handelt es sich um Reiserückkehrer. In einigen Fällen konnte nicht eruiert werden, wie sich die Person angesteckt hat, was leider nicht ideal ist, um Infektionsketten zu durchbrechen.

Frage: Warum bereitet die Delta-Variante den Expertinnen und Experten Sorgen?

Antwort: Diese Variante gilt laut britischen Studien als 50 bis 60 Prozent ansteckender als die bei uns seit dem Frühjahr dominante Alpha-Variante (also die "britische" Variante B.1.1.7, die bereits deutlich ansteckender als der "Wildtyp" ist). Eine Person dürfte ohne Gegenmaßnahmen im Schnitt sechs Personen anstecken. Das bedeutet leider auch, dass sich zur Erreichung der Herdenimmunität der Prozentsatz der Immunisierten erhöhen müsste.

ZOE

Die andere unangenehme Nachricht besteht darin, dass die Delta-Variante gemäß des jüngsten offiziellen Berichts aus Großbritannien aggressiver ist und bei Ungeimpften zu rund zweimal mehr Spitalseinlieferungen führt als die Alpha-Variante. Diese Daten wurden nun auch durch eine am Montag veröffentlichte Studie in "The Lancet" bestätigt.

Frage: Gibt es sonst noch Unterschiede zwischen Delta und Alpha?

Antwort: Ja. Die Variante B.1.617.2 scheint etwas andere Symptome als frühere Corona-Typen zu verursachen. In einer britischen App zur Überwachung von Corona-Symptomen wurden zuletzt am häufigsten Kopfschmerzen, eine laufende Nase und eine raue Kehle gemeldet, wie die BBC am Montag berichtete. In Großbritannien macht die als sehr ansteckend geltende Delta-Variante bereits mehr als 90 Prozent aller Fälle aus. Auch in den USA, wo die Delta-Variante bereits 20 Prozent aller sequenzierten Proben ausmacht, und etlichen anderen Ländern ist sie am Vormarsch.

Frage: Wie verlief in Großbritannien die bisherige Ausbreitung der Delta-Variante?

Antwort: Sehr schnell. Mitte April entdeckte man dort 77 Fälle dieser Mutante, die in etwas mehr als sechs Wochen dominant wurde. Die Variante trug in Großbritannien aber auch dazu bei, dass die Infektionszahlen seit Mitte Mai wieder relativ stark steigen (betroffen sind vor allem die Jungen) und dass Premierminister Boris Johnson am Montag den für 21. Juni geplanten "Tag der Freiheit" mit großen Öffnungen um vier Wochen nach hinten verschoben hat. In Großbritannien hat die Delta-Variante zuletzt auch zur Diskussion geführt, wie man ihre Ausbreitung insbesondere in Schulen möglichst gut eindämmen kann.

Frage: Was lässt sich von Großbritannien für Österreich lernen?

Antwort: Einiges. Die Briten sind uns sowohl bei der Ausbreitung dieser Mutation wie auch bei den Impfungen um ziemlich genau je zwei Monate voraus. Mit anderen Worten: Unser Stand bei den Impfungen mit 53 Prozent teil- und 27 Prozent vollimmunisierten Personen der impfbaren Bevölkerung wird die Ausbreitung der Delta-Variante nicht verhindern können.

Diese wird vermutlich im Laufe der nächsten Wochen auch bei uns die Alpha-Variante ersetzen. Schwer abschätzbar ist hingegen, ob bei uns die Saisonalität einen Anstieg der absoluten Infektionszahlen verhindern kann. Offensichtlich ist aber, dass wir spätestens im Herbst vor allem mit der Delta-Variante zu tun haben werden, einem mithin deutlich unangenehmeren Gegner, als es die Alpha-Variante ist.

Frage: Wie sehr helfen die Impfungen gegen diese ansteckendere Mutante?

Antwort: Im Prinzip gut. Aber es braucht die Vollimmunisierung. Nach nur einer Dosis beträgt der Schutz vor der Delta-Variante nämlich nur rund 30 Prozent, wie britische Daten zeigten. Er steigt aber nach der zweiten Impfung auf 80 Prozent bei Comirnaty (Biontec/Pfizer) und auf 60 Prozent bei Vaxzevria (Astra Zeneca). Das wiederum bedeutet für Österreich, dass bis zum Herbst möglichst viele Personen beide Covid-19-Impfungen erhalten haben sollten. Eine volle Immunisierung mit Comirnaty schützt zu 96 Prozent vor einem Spitalsaufenthalt nach Infektion mit der Delta-Variante, zwei Dosen Vaxzevria zu 92 Prozent. (Klaus Taschwer, 14.6.2021)