Ich bin Vegetarianer." (Sic!) Vasko Metodiev weiß, dass ihm das niemand glaubt: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein "Fleischloser" sich permanent in Grillgerüche hüllt, liegt bei null. Und dass sich ein "Vegetarianer" täglich dem Anblick von Ferkeln über Glut, Koteletts und anderem Grillgut aussetzt? Dass er dabei amikalen Kontakt zu den "Tätern" pflegt? Unwahrscheinlich.

Doch genau das tut Vasko Metodiev. Der Wiener mit bulgarischen Wurzeln ist "Grillplatzmeister". Gemeinsam mit Zeljke Jovanovic achtet er an der Neuen Donau bei der Steinspornbrücke auf die Einhaltung der städtischen Grillordnung. Mit gelber Weste und Dienstausweis. Und damit niemand seine Autorität infrage stellt, absolut unbestechlich: Nein, nicht einmal gekostet wird. Die Optik wäre fatal. "Als Vegetarianer beleidigt man niemanden."

Nichtbeleidigen ist hier wichtig, sagt Grillaufseher Jovanovic. Denn Grillen ist männlich. Da geht es immer um Stolz und Ehre. Schließlich wird hier die Familie versorgt. Früher achtete Jovanovic im Casino auf die Einhaltung von Regeln: "Auch oft heikel. Aber dort ging es nur um Geld – hier um Fleisch!"

Zeljke Jovanovic (li.), Vasko Metodiev und die Griller des Spanferkels: Gabriel und Paco.
Foto: Christian Fischer

Ordnungsruf

Natürlich ließe sich hier ein PC-Ordnungsruf erteilen. Schließlich hat Grillen an der Neuen Donau Migrationsvordergrund. Wie billig ist es, da mit Rollenstereotypen zu kokettieren? Gar nicht. Denn auch auf den 16 über die Insel verteilten, betonierten (meist von "autochthonen" Wienern reservierten) Grillplätzen gilt meist: Mann grillt, Frau macht Salat. Außerdem: Darum geht es heute nicht.

Worum es geht? Um jene Menschen, die für die Grillordnung sorgen. Die darauf achten, dass niemand unter Bäumen grillt. Dass keine "Bodenfeuer" gemacht werden. Dass Grillböden mindestens 15 Zentimeter über der Grasnabe stehen. Die das sachgemäße Asche-Entsorgen erklären. Und "Falschgriller" außerhalb der Grillzonen auf dem Radar haben.

Das mag nach einer banal-autoritären Aufpasserhacke klingen und Titelwuchteln wie "Wurstwächter" oder "Bratpolizei" provozieren. Doch das ist unangebracht: Wiens Grillplatzmeister sind ein Stück erfolgreicher, weil niederschwelliger Interventions-, Deeskalations- und Integrationsarbeit. Sind Autorität und Instanz – auf Augenhöhe.

Was passiert, wenn solche Schnittstellen fehlen, zeigte sich unlängst auf dem Karlsplatz. Die Polizei "antwortete" dort auf tanzende Kids mit Knüppel und Pfefferspray: Wo Kommunikation falsch läuft, eskalieren Kleinigkeiten.

Genau davon erzählt die Grillgeschichte der Donauinsel. Gegrillt wurde hier immer schon. In der Brigittenauer Bucht türkisch-orientalisch, an der Steinspornbrücke südosteuropäisch. Anfang des Jahrtausends kamen mehr und mehr Menschen. Ihnen folgte Gedränge, mehr Müll – und Regulierungsbedarf.

Grillplatzmeister auf der Donauinsel an der Brigittenauer Bucht: Fazli Yerli, Tanya Metodieva, Ehab Mohammed
Foto: Christian Fischer

"Damals", erinnert sich Insel-Verwalter Thomas Kozuh-Schneeberger, "patrouillierte hier eine bewaffnete ‚Naturschutzwacht‘. Es war ungut." Kozuh-Schneeberger kam 2002 auf die Insel (die formal zur MA 45, Wiener Gewässer, gehört). Securitys lösten 2003 die "Wacht" ab, die Probleme blieben aber. Uniformiert-unsensibles Martialisch-Sein und gegenseitiges Nichtverstehen schaffen Fronten: "Rassisten" standen "renitenten Ausländern" gegenüber.

Von Farsi bis Spanisch

Die Inselverwalter holten zunächst Securitys mit exjugoslawischem Background. Doch 2005 fragten Angehörige der türkischen Community, ob sie bei "ihren" Leuten schlichtend-erklärend tätig werden dürften. Freiwillig und unbezahlt. "Sie wollten nur Kappe oder Ausweis – irgendwas, das ‚offiziell‘ wirkt", erinnert sich der Inselchef. "Das hat auf Anhieb funktioniert."

2007 taufte man die Grill-Gelbwesten "GrillplatzmeisterInnen" – und hatte ein Problem: "Die würden heute noch gratis arbeiten. Aber die Chefin (Stadträtin Ulli Sima, SP; Anm.) hat 2010 gesagt, dass so was nicht geht." Seither wird über einen Verein angestellt. Wien hat 15 Grillplatzmeister und drei -meisterinnen: Acht an der Donau, zwei am -kanal, zwei im Draschepark, einen am Wienfluss und drei im Wienerwald. Andere Städte kopieren das Konzept.

Denn das Niederschwellig-Muttersprachliche hilft, Probleme frühzeitig abzufangen. "Wir mussten weder im Vorjahr noch heuer je die Polizei rufen" erklärt Altin Sahai am "Stützpunkt" Brigittenauer Bucht, "obwohl wir ständig erklärten, dass es Covid-Grill- oder Versammlungsverbote gab." Dass das wehtut, weiß sie: "Je mehr Menschen beisammen sind, umso fröhlicher sind sie."

Freilich nur, wenn die Nähe gewollt ist: Eine Frau bittet auf Arabisch um Hilfe. Ein Fremder lagere allzu nah. Zwei Minuten später haben Fazli Yerli und Ehab Mohammed das Problem gelöst. Auf Türkisch, Kurdisch, Arabisch, Farsi, Turkmenisch oder Deutsch? "Egal, es hat funktioniert." Andernfalls hätten Altin Sahai und Tania Moltodieva noch Serbisch, Bulgarisch, Russisch, Englisch und Spanisch parat.

Die Grillplatzmeisterinnen und -meister bei ihrem Rundgang auf der "Insel".

"Unser Ohr am Griller"

Genau das, sagt Thomas Kozuh-Schneeberger, sei das Asset der Gelbwesten: Regeln könne man per Aushang kommunizieren. Das Gefühl, gehört zu werden, nicht: "Die Grillplatzmeister sind unser Ohr am Griller – auch wenn das ein seltsames Bild ist." Wenn 4000 Menschen in der Brigittenauer Bucht nur eine Handvoll Toiletten und drei Wasserstellen zur Verfügung stehen, sind die Schlangen lang. Ein paar Dixie-Klos mehr lösen manche, aber nicht alle Probleme. "Ich bin um fünf Uhr Früh gekommen, aber die Picknicktische waren schon um drei besetzt," klagt ein Syrer. Kozuh-Schneeberger bedauert: Bauholz ist Mangelware. "Keine Chance, dass wir heuer noch Tisch-Bank-Kombis kriegen."

Bei der Steinspornbrücke sind Möbel kein Thema. Die "Bucht" erreicht die U-Bahn, die "Brücke" braucht nur das Auto. Das bringt Möbel – und "Maschinen": etwa hand- oder motorbetriebene Grillanlagen für bis zu drei Ferkel. Früh da sein muss man trotzdem: Gabriel dreht seinen Ferkelspieß seit sieben Uhr morgens, dreieinhalb Stunden also. In eineinhalb weiteren will die serbischstämmige Familie feiern: Nächste Woche rückt Gabriel ein. Dieses Bekenntnis zum Österreicher-Sein feiern Eltern, Großeltern, drei Söhne, drei Schwiegertöchter, sechs Enkelkinder und noch ein paar Verwandte. Gabriels Mutter sagt, es sei der Familie eine Ehre, zu teilen: "Setzt euch doch zu uns!"

Vasko Metodiev bedauert: "Tut mir leid, ich bin Vegetarianer." Niemand glaubt ihm. Aber mit der Antwort können alle gut leben. Und darum geht es. (Tom Rottenberg, 14.6.2021)