Eine Gruppe von Apple-Mitarbeitern während ihrer Teilnahme an der "San Francisco Pride"-Parade im Juni 2019.

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"Genderwahnsinn!", ortete 2008 der damalige FPÖ-Abgeordnete Karlheinz Klement, als im österreichischen Parlament über das Gleichbehandlungsgesetz debattiert wurde. Ein Begriff, der ihm aufgrund mehrfacher Wiederholung auch mehrfache Ordnungsrufe einbringen sollte. Doch nicht nur wenn es um die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau oder die Anerkennung anderer Geschlechtsidentitäten oder homosexueller Beziehungen geht, gehen die Wogen hoch.

Auch Anpassungen sprachlicher Natur sind nach wie vor ein Quell der Empörung für manche. Egal ob Binnen-I, Sternchen, Doppelpunkte oder der Verweis auf "große Töchter" in der Bundeshymne, jede dieser Maßnahmen hat auch ihre Gegner. Die Frage nach dem Gendern stellt auch Medienredaktionen, die zwischen Repräsentation und Leserlichkeit abwägen müssen, vor Herausforderungen. Wie dieser Spagat zu meistern ist, ist auch beim STANDARD derzeit Gegenstand der Diskussion.

Apple gendert nun die Nutzer:innen

Nicht aber bei Apple. Der Techriese ist in Sachen Inklusion schon länger sichtbar bemüht, Lösungen umzusetzen. Er gehörte etwa zu den ersten Anbietern, die genderneutrale Emojis – also Piktogramme von Personen, deren androgyn gehaltene Darstellung kein eindeutige Zuordnung zum männlichen oder weiblichen Geschlecht erlaubt – in ihre Systeme integrierten. Sehr zur Freude so mancher LGBTQ-Personen. Das letzte Update für iOS 14 brachte zudem neue englische Stimmvarianten für die Sprachassistenz Siri, die nun nicht mehr standardmäßig mit einer weiblichen Stimme spricht.

Weitere Schritte sind bereits in Umsetzung, wie etwa die Beta-Versionen von iOS 15 und iPad OS 15 zeigen. Nutzer können aus verschiedenen Geschlechtsoptionen wählen und App-Entwickler werden sich nicht mehr um die korrekte Anrede kümmern müssen. Unter der Haube bekommt die Plattform nämlich ein Feature namens "grammatical gender agreement", das unter anderem automatisch auf diesen Aspekt aufpassen kann. Derzeit existiert die Funktion nur für englische und spanische Sprache, mit einer Ausweitung ist aber zu rechnen.

Aber, wie so manche Tester bemerkt haben, es tut sich auch in den deutschen Vorschauversionen etwas. Dem Techblogger Carsten Knobloch ist etwa aufgefallen, dass das System nun von Haus aus mit einem Doppelpunkt gendert (etwa "Bewohner:in"). Diese Variante bezieht auch nichtbinäre Geschlechter ein und gilt als bessere Alternative zum Sternchen oder Unterstrich, da sie weniger Probleme bei der Verwendung von Vorlesesystemen für Sehbehinderte verursacht. Allerdings sieht der deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband ihn in diesem Kontext dennoch als problematisch an.

Doch während der Konzern selbst kleine Neuerungen gerne inszeniert, führt man die Sprachanpassung ohne viel Aufhebens ein und erklärt sprachliche Inklusivität damit zur Normalität. Vielen iOS-15-Testern dürfte diese Umstellung dementsprechend bislang gar nicht aufgefallen sein. Ein befürwortender Meinungsartikel beim "Focus" zog lediglich ein paar Dutzend, meist verärgerte Kommentare von, zumindest laut Usernamen, großteils männlichen Nutzern nach sich.

Vorbildwirkung

Dort wird auch Apples Vorbildwirkung in der Branche thematisiert. Was der Konzern aus Cupertino tut, dem folgt die Konkurrenz häufig recht schnell. Diesbezüglich wäre es nicht verwunderlich, wenn Google mit Android, das auch genderneutrale Emojis integriert und den Nutzer bei den Geschlechtern die Auswahl zwischen "männlich", "weiblich" und "andere" gibt, bald nachzieht.

Auch bei Microsoft hat man die sprachliche Inklusivität ausgebaut. Bereits vor zehn Jahren entwickelte man etwa ein Gender-Add-in für Word 2010, das beim Verfassen von Texten mit geschlechtergerechten Formulierungen helfen sollte. Die aktuelle Version, Word 365, hat eine solche Funktion mittlerweile als Teil seiner Inklusivitätsfeatures integriert. (gpi, 15.6.2021)