Es sind einige Tage vergangen, und man durfte gespannt sein, wie der verbliebene wertkonservativ-christliche und liberale Rest der ÖVP auf die neue Parteilinie in Sachen Staatsbürgerschaft für Migranten reagiert. Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte in einer Aussendung vorgeschlagen, "wer sehr gut integriert ist, bekommt die Staatsbürgerschaft nach sechs Jahren". Halt. Korrektur. Falsches Datum. Das war ja 2013 und damals dessen Haltung zum Thema. Heute ist Kurz strikt gegen jegliche Erleichterung bei der Einbürgerung, er spricht sogar von einer "Entwertung" der Staatsbürgerschaft als Reaktion auf den Vorschlag der SPÖ – der sich an jenem von Kurz aus dem Jahr 2013 orientiert. Selbst hier geborenen Kindern von Migranten die Staatsbürgerschaft zu geben gehe gar nicht, sagt Kurz. Auch das fällt unter eine "Entwertung".

Bundeskanzler Sebastian Kurz ist strikt gegen jegliche Erleichterung bei der Einbürgerung.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Abgesehen von der ungehemmten Verrohung der ÖVP-Sprache, die an düsterste Haider-Zeiten gemahnt, bedient ÖVP-Klubchef August Wöginger jetzt auch noch die Szene der Weltverschwörer. Er fantasiert allen Ernstes, SPÖ und Grüne wollten mit "Masseneinbürgerungen" neue Parlamentsmehrheiten schaffen, sozusagen einen "linken" Putsch vorbereiten.

Die ideologische Radikalisierung der ÖVP dürfte mittlerweile Common Sense in der Partei sein. Denn niemand aus der Volkspartei meldete sich bis dato mit einem kritischen Zwischenruf zu Wort. Und wäre es nur mit der Frage an Wöginger und Kurz gewesen: "Schämt ihr euch nicht langsam?" (Walter Müller, 15.6.2021)