Michael Gregoritsch erzielte sein erstes und das insgesamt 700. EM-Tor.

Foto: APA/AFP/POOL/DANIEL MIHAILESCU

"Ich muss ganz kurze Antworten geben", sagte Michael Gregoritsch, der vorentscheidende Torschütze bei Österreichs 3:1-Sieg gegen Nordmazedonien bei der EM. Und dem Connaisseur des gemeinen Fußballerinterviews wurde angst und bange: Oje, jetzt kommt "Wir denken von Spiel zu Spiel" oder "Die Mannschaft ist der Star". Stehsätze eben, das Phrasenschwein quillt seit großflächigen Medientrainings für Fußballer über.

Gregoritsch brach mit den Erwartungen. Und wie. Schon bei der ersten Antwort schien der baumlange Steirer mit der Fassung zu ringen, die Routine, das Souveräne bei Interviews griff aber noch. Bis es aus ihm herausbrach. Er drehte sich kurz zur Seite, lächelte: "Das bedeutet mir heute alles. Es ist für alle, die an mich geglaubt haben." Tränen sammelten sich in den tiefen Augenhöhlen, die Stimme brach, der 27-Jährige wischte sich mit dem Shirt übers Gesicht: "Ich hatte ein schweres Jahr." Es sind rare Momente der blanken Emotionen. Und das in einem Sport, in dem man vor allem abgeklärt sein muss, souverän sein muss, und in dem Härte und Coolness noch immer Trümpfe sind. Gregoritschs Teamkollege Valentino Lazaro hat einmal gesagt: "Bevor ich Fußballer bin, bin ich Mensch."

Bälle im Garten

Gregoritsch wurde 1994 in Graz geboren, die Mutter Allgemeinmedizinerin, der Vater Werner ein bekanntes Gesicht im österreichischen Fußball, aktuell trainiert er die U21 des ÖFB. Schon als junger Bub schoss er der Familie im Garten die Bälle um die Ohren. Sein älterer Bruder Matthias wurde kein Kicker, gemeinsam mit ihm gründete Gregoritsch aber eine Initiative, die benachteiligte Kinder im Sport fördert. Gregoritsch ist kein typischer Profikicker, kein Protzer, aber auch kein öder Typ. Der Schmäh – so sagt man – rennt mit ihm.

Kicken lernte er einst beim GAK, im April 2010 wurde Gregoritsch vier Tage vor seinem 16. Geburtstag vom Vater, damals Cheftrainer bei Kapfenberg, in der 80. Minute eingewechselt. Er traf kurz darauf und ist seither jüngster Bundesligatorschütze der Geschichte. Der Bub aus Graz setzte sich in die Achterbahn des Profifußballs, nach durchaus erfolgreichen Phasen in Deutschland musste er im vergangenen Jahr bei Nachzügler Augsburg zumeist auf der Bank Platz nehmen – das "harte Jahr". Teamchef Foda nahm ihn dennoch zur EM mit, nannte es "Vertrauensvorschuss". "Gregerl", Familienstand ledig, dankte es mit dem Tor. Und einem Interview, in dem er zuerst Mensch und dann Fußballer war. (Andreas Hagenauer, 14.6.2021)