Am 21. Februar, dem dritten Jahrestag des Mordes, legte die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová am improvisierten Mahnmal in Bratislava Blumen nieder.

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Lostag im Mordfall Kuciak: Das Oberste Gericht der Slowakei entscheidet am Dienstag über die Freisprüche für die beiden Hauptverdächtigen, die laut Staatsanwaltschaft die Ermordung des Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak im Februar 2018 eingefädelt haben sollen. Sollte die Berufung erfolgreich sein, wird der Fall wohl an das eigens eingerichtete Sondergericht zurückverwiesen. Wenn nicht, sind die Freisprüche aus der ersten Instanz rechtskräftig. Auch unterschiedliche Urteile für die beiden Verdächtigen sind freilich denkbar.

Konkret handelt es sich um den umstrittenen, politisch einst bestens vernetzten Unternehmer Marian Kočner und seine Bekannte Alena Z. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Kočner den damals 27-jährigen Journalisten Kuciak, der immer wieder über den Filz aus politischer Macht und Geschäftemacherei im Land berichtet hatte, aus dem Weg räumen wollte. Kočner hatte Kuciak, der ihm im Zuge seiner Recherchen mehr als einmal in die Quere gekommen war, vor dem Mord sogar telefonisch bedroht. Alena Z. habe, so der Vorwurf, als Vermittlerin zu den Auftragsmördern fungiert.

Wirbel um Chatprotokolle

Im Zentrum der Beweisaufnahme vor dem erstinstanzlichen Urteil standen die Protokolle von Handychats zwischen Marian Kočner und Alena Z. In der Slowakei wurden diese zur weitverbreiteten Lektüre, viele rechneten fest mit einer Verurteilung der Angeklagten. Die verklausulierte Sprache in den Chats ließ jedoch in den Augen des dreiköpfigen Richtersenats zu viele Fragen offen.

Was für die Staatsanwaltschaft eine wasserdichte Indizienkette darstellte, war für das Gericht schließlich zu wenig für einen Schuldspruch: Im September vergangenen Jahres wurden beide aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Allerdings sind beide weiterhin in Haft: Kočner wurde heuer im Jänner wegen Wechselbetrugs rechtskräftig zu 19 Jahren verurteilt, Z. kurz davor – nicht rechtskräftig – im Zusammenhang mit einem anderen Auftragsmord zu 21 Jahren.

Andere Akteure im Fall Kuciak waren sehr wohl schuldig gesprochen worden. Zoltán A. etwa, der der Mittelsmann zwischen Alena Z. und den Auftragsmördern gewesen sein soll, hatte sich auf einen Deal mit der Staatsanwaltschaft eingelassen und wurde als Kronzeuge zu 15 Jahren Haft verurteilt. Der später ebenfalls geständige Todesschütze, der Ex-Soldat Miroslav M., bekam 25 Jahre, ebenso der ehemalige Polizist Tomáš S., der M. zum Tatort gefahren haben soll, seine Beteiligung allerdings bestritt.

Politisches Erdbeben

Ján Kuciak und seine gleichaltrige Verlobte Martina Kušnírová waren im Februar 2018 erschossen in ihrem Haus in der Westslowakei aufgefunden worden. Der Schock über den Mord an einem investigativen Reporter und seiner unbeteiligten Partnerin, eine posthum veröffentlichte Reportage Kuciaks und etliche Details zu diversen Korruptionscausen, die die weiteren Ermittlungen ans Tageslicht gebracht hatten, sorgten für ein politisches Erdbeben im Land. Der damalige Premier Robert Fico von der linkspopulistischen Partei Smer trat nach Massenprotesten zurück, ebenso sein Innenminister Robert Kaliňák.

Die Regierungskoalition blieb allerdings im Amt und wurde erst im März vorigen Jahres nach regulären Parlamentswahlen von einer Koalition aus konservativen und rechtspopulistischen Parteien abgelöst. Premier wurde Igor Matovič, der vor Ausbruch der Corona-Pandemie mit seinem Antikorruptionswahlkampf hatte punkten können, im Zusammenhang mit der umstrittenen Bestellung des russischen Impfstoffs Sputnik V inzwischen aber ebenfalls zurückgetreten ist. (Gerald Schubert, 15.6.2021)