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Serbische Fans im Stadion von Partizan Belgrad zeigen Flagge.

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2014 schwebte eine Drohne mit einer großalbanischen Flagge über das Stadion. Serbische Fans brüllten: "Tötet die Albaner!"

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Als 2014 Serbien gegen Albanien in Belgrad spielte, schwebte mittels einer Drohne eine großalbanische Flagge über dem Stadion. Tausende serbische Fans brüllten: "Tötet die Albaner!" Traurig in Erinnerung ist auch das Match im Stadion Maksimir in Zagreb 1990, als Dinamo Zagreb und Roter Stern Belgrad gegeneinander spielen sollten. Nationalistische Fans durchbrachen Zäune, warfen Steine, stürmten den Rasen, die Spieler flüchteten. Ein Jahr später gab es kein Jugoslawien mehr.

Der Fußballplatz ist seit langer Zeit ein Ort in Südosteuropa, an dem sich Rassismen entladen. Nach seinem Tor am Sonntag soll Marko Arnautović dem Nordmazedonier Ezgjan Alioski: "Jebem ti majku šiptarsku" zugerufen haben. Die ersten drei Worte werden ziemlich oft auf dem Balkan gebraucht, obschon sie extrem vulgär und frauenfeindlich sind.

Doch Arnautović fügte wohl eben auch das Wort "šiptar" zu der Beschimpfung der Mutter des anderen Spielers hinzu, ein äußerst abfälliges Wort für "Albaner", das nur von nationalistischen Serben verwendet wird. Das machte den Fluch zu einer rassistischen Attacke. Arnautović agierte in seiner Aufwallung offenbar plötzlich als Serbe und nicht mehr als österreichischer Nationalspieler. Etwas Ähnliches konnte man bei dem deutschen Nationalspieler Mesut Özil beobachten, der sich mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan fotografieren ließ. Arnautović sowie andere Spieler aus Migrantenfamilien haben eben oft multiple Identitäten.

Bewusste Beschimpfung

In Österreich würde "šiptar" vielleicht dem Ausdruck "Scheiß-Ausländer" entsprechen. Der Begriff wird jedenfalls von Nationalisten immer bewusst eingesetzt. Denn auf dem Balkan ist allen klar, dass es sich um ein Schimpfwort handelt und Albaner von anderen nicht so genannt werden wollen. Eine ähnlich aggressive Bezeichnung ("balija") wird auch noch für die bosnischen Muslime verwendet.

Der Südosteuropa-Historiker der Universität Wien, Oliver Jens Schmitt, weist darauf hin, dass solche rassistischen Beschimpfungen auch mit der Nichtaufarbeitung des Kosovo-Kriegs in Serbien zu tun haben. "Selbst in Intellektuellenkreisen in Serbien gibt es wenig Kenntnisse über die Albaner", sagt er. Den Hass auf "Albaner" führt er vor allem auf die Erbitterung nationalistischer Serben darüber zurück, dass diese Volksgruppe sich immer gegen das Konzept eines homogenisierten serbischen Nationalstaats auflehnte und durch die Staatsgründung des Kosovo die ethnopolitische Auseinandersetzung auch gewann.

Schmitt verweist zudem darauf, dass in Österreich in der serbischen Diaspora die FPÖ unter Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus den serbischen Nationalismus instrumentalisiert hat.

Gegen postimperiale Gruppen

Die Geschichte der Abwertung von Albanern hat aber bereits mit dem Zerfall des Osmanischen Reichs auf dem Balkan zu tun. Mit der Entstehung der neuen Nationalstaaten richtete sich die Gewalt gegen "postimperiale Gruppen", also vor allem gegen Muslime und Albaner. Hunderttausende wurden ab dem Ersten Weltkrieg gezwungen auszuwandern. Im kommunistischen Jugoslawien wurden die Kosovo-Albaner dann unter Generalverdacht gestellt, und ab 1989 setzte das Regime von Slobodan Milošević im Kosovo eine Politik der Apartheid um: Die Albaner wurden aus dem staatlichen Bereich verdrängt.

Schaut man sich die Namen der beiden Spieler in der jüngsten Auseinandersetzung genauer an, so sieht man allerdings, wie uneindeutig und vielschichtig deren Familiengeschichte ist. Denn im Fall von Ezgjan Alioski ist nur der Vorname "albanisch". Schmitt vermutet, dass Ezgjan die albanisierte Version des türkischen Vornamens Ezcan ist. "Der Nachname Alioski ist aber mazedonisch, so wie bei den mazedonischen Muslimen (Torbeschen)", erklärt Schmitt.

Der Name Arnautović wiederum kommt vom osmanischen Wort "Arnavut", das ist eine Bezeichnung für in der Regel muslimische Albaner, so Schmitt. Arnautović heißt übersetzt also "Albanersohn". Schmitt meint, dass der Name Arnautović jedenfalls auf eine albanische Herkunft hindeutet. "Orthodoxe Albaner im Kosovo wurden in einer mehrheitlich serbisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft durch Mischehen oft slawisiert." Es ist jedenfalls absurd, dass sich der "Albanersohn" aus Wien mit serbischem Nationalismus identifiziert und einen Spieler mit slawischem Nachnamen als "Šiptar" beschimpft. (Adelheid Wölfl, 15.6.2021)