Achim Hölter spricht sich im Gastkommentar gegen die Abwandlung von Comics aus.

Foto: AFP / John MacDougall

Wer kennt nicht Donald Duck? Comic-Fans wissen, dass die Figur zur Perfektion gebracht wurde von Carl Barks (1901–2000) und kongenial ins Deutsche übertragen von Erika Fuchs (1906–2005). Die zwischen 1942 und 1966 entstandenen Geschichten um den menschlichen Enterich, seine drei Neffen und Onkel Dagobert, den reichsten Mann der Welt, sind unbestritten kanonisch.

Ältere wurden in der Kindheit süchtig durch Micky Maus oder Die tollsten Geschichten von Donald Duck, Jüngere hatten schon das Glück einer Gesamtausgabe. Zwischen 1992 und 2004 erschien die Carl Barks Library in 133 Alben, 2005 bis 2008 dann die opulente Carl Barks Collection. Damit lag nicht nur das Gesamtwerk in 30 Leinenbänden vor, sondern auch die definitive deutsche Übersetzung, das literarische Vermächtnis von Erika Fuchs, deren Wohnort Schwarzenbach sie posthum mit einem Comic-Museum ehrte.

Original und Zeitgeist

Seit 2019 vermarktet nun der Rechteinhaber Egmont Ehapa diese Ausgabe letzter Hand zweimonatlich als wohlfeile Serie, die Lustiges Taschenbuch Classic Edition. In den ersten acht Bänden, scheint es, wurden die Druckvorlagen der Collection unverändert reproduziert, aber seit Band 9 tut sich was. Zuerst tauchte eine Klausel auf: "Die hier abgedruckten Geschichten sind reine originalgetreue Nachdrucke in ihrer ursprünglichen Übersetzung, die zum Teil nicht den heutigen Zeitgeist widerspiegeln." In Band 10 überraschten dann – trotz dieser Erklärung – einzelne Eingriffe; so ging der unter Fans beliebte Fridolin Freudenfett seines Nachnamens verlustig und firmiert nun nichtssagend unter "Fridolin Freundlich". Der Verlag bestätigte die Absicht. Also wohl Bodyshaming-Prävention bei einem Schwein, das im Original Porcmuscle J. Hamfat heißt.

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Fridolin Freudenfett
(Original: Porcmuscle J. Hamfat)

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Fridolin Freundlich

Vorauseilender Eingriff

Doch ist es eine Nachricht wert, wenn ein Comic-Verlag in einzelnen Panels einzelne Wörter ändert? Für einen Philologen wie mich allemal, schon weil die zitierte Klausel und der Gesamttitel "Edition" fälschlich eine verlässliche Ausgabe garantieren. Zwar ist eine Carl-Barks-Edition noch keine Goethe-Edition, aber warum sollte die eine auf Punkt und Beistrich zuverlässig sein müssen, die andere aber geändert werden können, je nachdem, wie es auf vorhersagbare Weise der Zeitgeist diktiert? War der jahrzehntelange Kampf für einen liberaleren Literaturbegriff und die Anerkennung des Genres Comic / Graphic Novel nutzlos?

Was Egmont tut, freiwillig oder vermeintlich gezwungenermaßen, ist ein systematisch-vorauseilendes Eingreifen im Geiste einer Political Correctness, deren Interventionspotenzial man für Comics der 1950er-Jahre, welche den selbstironischen Entenhausener Kapitalismus durch Abenteuerreisen an alle Enden des kolonialen Globus exportieren, gar nicht zu Ende denken mag, wenn der Damm einmal gebrochen ist. In Band 12 der Barks-Edition, April 2021, ist er definitiv gebrochen. Gezählte 109 Panels wurden geändert, offensichtlich, weil einige der Storys Probleme mit ethnischen Zuschreibungen bereiteten und weil man, einmal im Editiermodus, auch vor stilistischen und sachlichen Eingriffen nicht mehr bremsen wollte.

Unfreiwillig komisch

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ältere Comics enthalten manches, was heute Stirnrunzeln provoziert, krass ausgedrückt, Rassismus, Sexismus, Homophobie, christliches Weltbild, oft nur implizit, und bei Barks/Fuchs auch nur in sehr, sehr milden Varianten. Indes kann man sich denken, dass die lange Zivilisationssatire Land of the Pygmy Indians eine Übersetzung verlangt, in der das Wort "Indianer" nicht geächtet ist. Wenn nun der Verlag sowohl "Indianer" als auch Kleinwüchsigkeit umschreiben will, wird die Sache unfreiwillig komisch; wir sind ja nicht im wissenschaftlichen oder politischen Diskurs, wo man durch "First Nations" oder "Native Americans" ersetzen kann. Eine eh von A bis Z fiktive Zwergindianergeschichte hingegen macht man ohne die zugehörigen Wörter schlicht kaputt.

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Alte Comics, aber auch deren Adaptionen sorgen für Stirnrunzeln.
Foto: Walt Disney Productions / Egmont Ehapa

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"Fremdlinge" statt "Bleichgesichter", "Volk" statt "Zwergindianer".
Foto: Walt Disney Productions / Egmont Ehapa

Ohne Geschick

In Band 5 übrigens bringt die "Nordpolfahrt", eines der berühmtesten Abenteuer, die Ducks in unfreundliche Berührung mit Eskimos; dort wurde an eine Umbenennung in Inuit noch nicht gedacht. In Band 12 aber werden ethnische Gruppen umbenannt, "Eingeborene" und Synonyme getilgt, Dialoge hochdeutsch vereinfacht, auch das Ganovendeutsch der Panzerknacker, wird jede noch so redensartliche Anspielung auf Religion getilgt, manchmal mit bemitleidenswertem Aufwand, immer ohne Geschick, stets im Widerspruch zu der Behauptung der Originaltreue.

Fiele nun diese Klausel, wäre dann alles gut? Mitnichten, denn für ein Publikum, das ein kanonisches Bild-Text-Ensemble in maßgeblicher Ausgabe kauft, vernichten Eingriffe die Vertrauensbasis. Streiten darf man über jede Sprechblase, aber reinweg inakzeptable Texte gibt es nach meiner Überzeugung bei Erika Fuchs nicht.

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"Donnerwetter Dübel, die "Dollarprinzessin" fährt jetzt doppelt so schnell wie vorher. Wie haben Sie das gemacht?" – "Gott, dem Ingeniör ist nichts zu schwör. Das ist doch bekannt!"

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"Donnerwetter Dübel, die "Dollarprinzessin" fährt jetzt doppelt so schnell wie vorher. Wie haben Sie das gemacht?" – "Ach, dem Ingeniör ist nichts zu schwör. Das ist doch bekannt!"

Mediale Moral

Sowohl der US-amerikanische Zeichner-Texter als auch die Übersetzungskünstlerin, die der deutschen Sprache einen Schatz an Neuschöpfungen vermacht hat, waren zu Lebzeiten kompromissbereit. Nun sind aber beide tot, und wenn es eine allgemein anerkannte philologische Regel gibt, dann die, dass man den Text eines Menschen posthum nicht fälschen darf, egal, ob, nein: weil die Zeiten sich ändern. Wie will man gewandelte Normen verhandeln, wenn niemand sich der Dokumente mehr sicher sein kann? Es ist also keine Frage des Copyrights und erst recht keine einer vorgeschobenen Adressierung an Kinder, sondern der medialen Moral, dass man das Material nicht abwandelt, sondern nötigenfalls kommentiert oder durch ein Vorwort erläutert, was man für erläuterungswürdig hält. Das sollte so schwer nicht sein. (Achim Hölter, 16.6.2021)