Wovor die ÖVP schon immer gewarnt hat: Faika El-Nagashi wurde mit 17 Jahren eingebürgert. Nun ist sie grüne Abgeordnete und kritisiert die ÖVP.

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Die Debatte um einen erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft, wie ihn SPÖ oder auch Grüne fordern, setzt sich fort.

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Faika El-Nagashi wurde mit 17 Jahren eingebürgert, durch Erstreckung der Staatsbürgerschaft ihrer Eltern auf sie als minderjähriges Kind, wie sie schildert. Die Mutter war ursprünglich Ungarin, der Vater Ägypter. Dass die Wartezeit eine "Wertezeit" sei, wie von der ÖVP behauptet, sei "Unfug". "Integrationspolitisch ist die Verleihung der Staatsbürgerschaft ein Boost: Die rechtliche Gleichstellung beendet Ausgrenzungen und Benachteiligungen. Du kommst von der ‚Wartebank‘ endlich ins Spiel."

Von den Aussagen der ÖVP zeigt sich El-Nagashi "nicht sehr überrascht". Die Zuspitzung der Sprache und die Herabwürdigung anderer Menschen seien aber erschreckend. "Wir als Grüne werden das nicht widerspruchslos zur Kenntnis nehmen", sagt sie. Die Haltung der ÖVP sei "grenzüberschreitend, übergriffig und sehr verletzend. Und letztlich auch entlarvend."

"Wird ihnen nicht helfen"

Bei den Grünen gebe es einen ganz anderen Zugang zum Thema, "wir bilden hier ganz andere Lebensrealitäten ab, das ist selbstverständlich in unserer Mitte", verweist sie auch auf ihr eigenes Beispiel. Junge Menschen, die eingebürgert werden wollten, seien keine abstrakte Gefahr, vor der man sich schützen müsse. Die ÖVP wiegle bewusst Menschen auf. In Anspielung auf das Ablenkungsmanöver, das der ÖVP in der Debatte vorgeworfen wird, sagt El-Nagashi: "Das wird ihnen nicht helfen."

Im Koalitionsübereinkommen zwischen ÖVP und Grünen ist nichts zu einer allfälligen Reform des Staatsbürgerschaftsrechts vermerkt. Die Datenlage zu der Diskussion ist nicht ganz klar. Die ÖVP warnt vor einer Masseneinbürgerung, was laut Bundeskanzler Sebastian Kurz zu einer "Entwertung" der Staatsbürgerschaft führen würde, aber auch vor einer Verfälschung der Wahlergebnisse. Die SPÖ würde versuchen, potenzielle Wähler einzubürgern, warnte Europaministerin Karoline Edtstadler.

Die SPÖ fordert einen leichteren Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft, indem es einen Rechtsanspruch nach sechs Jahren rechtmäßigen Aufenthalts geben soll. Außerdem sollen in Österreich geborene Kinder – wenn ein Elternteil fünf Jahre lang legal hier gelebt hat – automatisch die Staatsbürgerschaft bekommen.

Der Vorschlag der SPÖ für Erleichterungen wird von der ÖVP jedenfalls vehement abgelehnt. Der rote Vizeklubchef Jörg Leichtfried warf den Türkisen in Reaktion darauf am Dienstag "Hysterie" und Lügen" vor. So hatte die ÖVP argumentiert, dass die Lockerungen zu potenziell 500.000 zusätzlichen Einbürgerungen führen könnten – eine Zahl, die Experten nicht nachvollziehen können.

Kritik innerhalb der SPÖ am roten Vorstoß

Innerhalb der SPÖ regt sich Widerstand gegen den Vorstoß der eigenen Partei – und auch am Zeitpunkt. "Niemand versteht, warum man mit diesem Thema zur Unzeit den Türkisen aus der Patsche hilft und den Druck auf Blümel und Co. herausnimmt", sagte ein hoher burgenländischer Roter kopfschüttelnd zum STANDARD. "Es zeigt sich, wie meilenweit die Spitzen der Bundes-SPÖ von den Lebensrealitäten der Menschen entfernt sind. Offensichtlich will man gar nicht mehr stärkste politische Kraft werden und hat sich die SPD zum Vorbild genommen."

Namentlich genannt äußerte der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer Kritik und ein "Nachschärfen". Laut dem SPÖ-Vorschlag sollen in Österreich geborene Kinder die Staatsbürgerschaft erhalten, sofern ein Elternteil mindestens fünf Jahre lang legal hier gelebt hat. Die SPÖ habe nicht klar genug kommuniziert, "was wir unter einem legalen Aufenthaltstitel verstehen", so Dornauer in der Tiroler Tageszeitung.

Die FPÖ kündigte indes einen Antrag im Parlament an, der Türkis-Grün auffordert, dass es zu keiner Aufweichung des Staatsbürgerschaftsrechts kommen dürfe. Damit wollen die Freiheitlichen die ÖVP zur Zustimmung verleiten. "Alles andere wäre ein Offenbarungseid", so FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer.

Diskussion über Zahl von 500.000 potenziellen Einbürgerungen

500.000 Menschen seien von den Vorschlägen der SPÖ rund um die Einbürgerung von Migrantinnen und Migranten betroffen – da blieb am Montagabend auch Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) dabei. Selbst wenn in den Tagen davor schon Experten die Aussagen – die eigentlich von ÖVP-Klubchef August Wöginger kamen – zerpflückten und für falsch befanden. (Michael Völker, Gabriele Scherndl, David Krutzler, Wolfgang Weisgram, 15.6.2021)