Gesundheitsminister Mückstein (ganz links) nahm erstmals an einer EU-Ratssitzung teil.

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Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) warnt davor, die Ausbreitung des Deltavirus, wie die von Indien ausgehende mutierte Variante des Coronavirus genannt wird, in Österreich zu unterschätzen. "Delta wird sich nun in Europa langsam ausbreiten, das wird auch bei uns ein Thema", sagte er im Gespräch mit dem STANDARD am Montag nach der Sitzung der EU-Gesundheitsminister in Luxemburg. Nicht nur in Großbritannien sei das Problem virulent.

Deutschland hat das Land auf die Liste der Länder mit gefährlichen Corona-Mutationen gesetzt. Und die britische Regierung verschob die geplante Aufhebung von Pandemiemaßnahmen um einen Monat, weil die höhere Infektiosität der Mutation trotz einer allgemein bereits hohen Durchimpfungsrate bei den Briten genauer beobachtet werden solle. Auch Österreich stuft Großbritannien als Virusvariantengebiet ein. Die Einreise ist nur in Ausnahmefällen möglich (PCR-Pflicht, Quarantäne).

Impfen gegen Delta

Laut Mückstein sind in Luxemburg rund neun Prozent aller Covid-19-Fälle solche mit dem Deltavirus, wenngleich die dortige Ministerin derzeit keine große Gefahr für die Bevölkerung sehe. Irland zeigt sich ebenfalls vorsichtig wegen zuletzt deutlich gehäufter Fälle. Der österreichische Minister sieht dennoch keinen Grund, in Panik zu verfallen. "Man kann dem Deltavirus mit Impfen entgegentreten", erklärte er, "und es sollten die Basismaßnahmen zur Pandemie weiter befolgt werden, wie Hände waschen und Abstand halten." Ob man auch die Maskenpflicht im Sommer beibehalten müsste, wolle er derzeit nicht beurteilen, sagte Mückstein, "derzeit" sei das nicht notwendig, aber "man wird sich das ganz genau anschauen". In Österreich gebe es bis heute 71 nachgewiesene Fälle mit dem Deltavirus.

Auf die Frage, ob er eine Eskalation der Infektionen mit Delta für möglich halte, wie das im Jänner etwa in Portugal bei der britischen Virusmutation geschehen ist, als tausende Menschen starben, antwortete er: "So wie das in Portugal war, das erwarte ich nicht. Die Zahlen werden wieder steigen, aber ich gehe nicht davon aus, dass sie explodieren." Grund dafür ist, dass die Immunisierung der österreichischen Bevölkerung bereits weit fortgeschritten sei. Es gebe derzeit eine Impfbereitschaft bei rund 70 Prozent der Bürger, berichtet der Minister, acht Prozent der Bevölkerung seien Genesene, "es schaut also gut aus". Aber: Eine ausreichende Immunisierung der Bevölkerung sei erst am Ende des Sommers zu erwarten. Das soll wohl heißen: Davor könne er keine allgemeine Entwarnung geben.

Koordiniertes Vorgehen "wesentlich"

Für Mückstein war der Besuch in Luxemburg der erste Auftritt im Kreis seiner europäischen Kollegen, "sehr spannend", wie er die Verhandlungen zur Pandemie befand: "Es war ein erstes Kennenlernen bei den Gesprächen mit den Amtskollegen. Es zeigt sich, dass es überall ähnliche Themen gibt. In Österreich glauben immer alle, dass vor allem lokale Maßnahmen wesentlich sind. Aber wir sitzen (in Europa) alle im gleichen Boot." Das gelte insbesondere für die Umsetzung des grünen Passes, der den Bürgern Erleichterungen beim Reisen und bei Besuchen von Restaurants, Theatern, Kinos, im öffentlichen Bereich et cetera bringen soll. Der Gesundheitsminister sieht dabei die größten Herausforderungen in den nächsten Wochen bei der konkreten Umsetzung in den Staaten, den Regionen bis hinunter auf Gemeindeebene. "Bei den Grundsätzen sind wir uns einig", reflektiert er auf die EU-Ratssitzung, "die große Linie ist einheitlich, aber im Detail ist es noch offen. Da ist koordiniertes Vorgehen wesentlich."

Was das für das praktische Leben bedeutet? Es stellten sich etwa Fragen, welche Tests wo welche Gültigkeit haben oder welche Impfstoffe von den Staaten akzeptiert werden. "Wir versuchen das zu vereinheitlichen und einem europäischen Regime unterzuordnen", erklärte Mückstein, was oft gar nicht so einfach sei. Mit der Umsetzung des grünen Passes in der EU zeigt sich Mückstein generell dennoch zufrieden: "Die Umsetzung wurde ja wirklich schnell gemacht", befindet er, nun gelte es, die Prinzipien im Detail umzusetzen. (Thomas Mayer, 15.6.2021)