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Österreich warf Rettungsringe, viele Unternehmer fingen sie auf. Auch jene, die schon lang nicht mehr aus eigener Kraft schwimmen konnten.

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Wien – Sie gelten als Versager, und das Stigma des Scheiterns haftet über Jahre an ihnen: Wer in Österreich als Unternehmer pleitegeht, hat seinen gesellschaftlichen Ruf verspielt. Und je mehr Insolvenzen ein Land erschüttern, desto fragiler ist die Konjunktur. Konkurse hatten gemeinhin keine gute Nachrede. Bis Corona kam und die Regeln der Ökonomie außer Kraft setzte. Seit 40 Jahren gab es hierzulande nicht mehr so wenige Pleiten wie heuer – und das selbst in jenen Branchen, die von der Pandemie bis tief ins Mark getroffen wurden. Doch Gläubigerschützer atmen nicht auf. Sie sprechen vielmehr von trügerischer Sicherheit und vermissen die auf Firmenrettung ausgelegten Abläufe der Entschuldung.

Der nötige Reinigungsprozess fehlt, sagt Karl-Heinz Götze, Leiter der Insolvenzabteilung des KSV1870. "Betriebe werden am Leben erhalten, die nur noch dahinvegetieren." Brechen sie unter wachsenden Verbindlichkeiten letztlich doch zusammen, sei es für die Sanierung meist zu spät. Womit Arbeitsplätze und Vermögenswerte verloren gingen.

Keine Gießkanne mehr

Götze fordert daher ein Ende der künstlichen staatlichen Eingriffe in die Wirtschaft. Nur wer reelle Überlebenschancen habe, solle von nun an gezielt mit Liquidität gestärkt werden. Das System der Förderungen mit der Gießkanne hat aus seiner Sicht ausgedient.

1000 Unternehmen wurden in Österreich im ersten Halbjahr zahlungsunfähig. Das sind nahezu halb so viele wie vor einem Jahr. Im Vergleich zu 2019 ist es ein Rückgang von 60 Prozent. Die Passiva sanken innerhalb eines Jahres um 79 Prozent auf 365 Millionen Euro. Gingen vor dem ersten Lockdown im Schnitt 97 Unternehmen wöchentlich pleite, sind es derzeit gerade einmal 45.

Eigenkapital als Puffer

Dies ist zum einen der guten Eigenkapitalausstattung vieler Unternehmen geschuldet, die ihnen in der Krise ein Puffer war. Vor allem aber ist es Folge der staatlichen Hilfsmaßnahmen – von Umsatzersatz, Fixkostenzuschuss und Härtefallfonds bis hin zu Bankgarantien, Ratenzahlungen an Finanzämter und Gesundheitskassen. Zur Erinnerung: 95 Prozent aller Insolvenzanträge werden von der Sozialversicherung gestellt.

Kaum eine Branche wurde vom Stillstand des öffentlichen Lebens mehr gebeutelt als Gastronomie, Hotellerie, Handel und die körpernahe Dienstleistung. Und doch sind hier heuer die wenigsten Konkurse zu vermelden. Im Bau hingegen, der sich der Aufträge kaum erwehren kann, zeichneten sich nur bedingt weniger Ausfälle ab. "Die Wirtschaft wurde auf den Kopf gestellt", resümiert Götze. Und daran dürfte sich vorerst wenig ändern. Denn die öffentliche Hand öffnet einmal mehr über den Juni hinaus ihre Geldschleusen.

Zurück zur Normalität

Droht danach das böse Erwachen? Bricht zeitverzögert die Flut an Insolvenzen über Österreich herein, wie Kreditschützer vor einem Jahr noch einhellig warnten? Aus heutiger Sicht sind sich KSV1870 und Creditreform einig, dass die befürchtete Schockwelle ausbleiben wird. Die Nachzieheffekte seien überschaubar. Für 2022 bahne sich ein Konkursaufkommen wie in den Jahren vor Corona an.

Der Optimismus kam Unternehmern jedenfalls nicht abhanden. Junge behielten Mut zur Firmengründung: Entgegen allen Widrigkeiten wagten 2020 acht Prozent mehr Österreicher den Sprung in die Selbstständigkeit. Was hervorsticht, ist Wille zur Veränderung. Vor allem Digitalisierung erlebte einen Schub. (Verena Kainrath, 15.6.2021)