Alfons Haider: "Der See ist eine Bühne"

Alfons Haider ist seit Jänner 2021 Intendant der Seefestspiele Mörbisch.
Foto: Heribert Corn www.corn.at

"Der Neusiedler See wird immer als "das Meer der Wiener" bezeichnet. Das ist wohl irgendeinem Touristiker eingefallen, aber er ist natürlich kein Meer. Allerdings habe ich da draußen in einem Viererbooterl schon ein Unwetter erlebt, das wie aus dem Nichts auftauchte. Wenn Wellen kommen, die bis zu einem Meter hoch sind, dann wird’s gefährlich und man selbst ganz klein. Bei Sonnenuntergang ist es unvergleichbar schön. Der See wird selbst zur Bühne, wenn der erste Sänger in dieses herrliche Orange tritt.

In Mörbisch startete auch meine Karriere. Ich habe 1975 als einer von 50 Statisten hier gearbeitet. Ein Kollege hatte damals die Aufgabe, als Erster vor sechs Pferden auf die Bühne zu rennen und "Sie kommen, sie kommen!" zu brüllen. Weil er so nervös war, ist er aber über seine Hax’n gestolpert und fiel für die Premiere aus. Ich habe mich – bescheiden wie ich damals schon war – gemeldet und durfte die Rolle übernehmen. Ich hatte zwar die Hosen voll, aber es ist gut gelaufen.

Es ist eine gigantische Leistung, die der künstlerische Leiter der Mörbischer Seefestspiele, Peter Edelmann, mit der West Side Story für 2021 auf die Beine gestellt hat. Wenn die Pandemie es zulässt, erwarten wir bis zu 100.000 Zuseher. Die Seebühne Mörbisch ist der Herzschlag der Festivalkultur im Burgenland, auch weil dieses Flaggschiff nächstes Jahr hier schon 65 Jahre vor Anker liegt. Ich freue mich darauf."


Christa Kummer: "Spielplatz und zugleich Terrain für Forschung"

Christa Kummer, Hydrogeologin/ Klimatologin, hat am Neusiedler See Studien durchgeführt.
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"Der Neusiedler See und die flach abfallenden Hänge des Leithagebirges haben mich durch meine Jugend begleitet. Die Ungarische Tiefebene, der schier unendliche Blick in die Weite, der Steppensee mit all seinen Tücken, die Artenvielfalt, all das sind Faktoren, die diesen Teil der Erde so einzigartig machen.

War der See in meiner Kindheit Abenteuerspielplatz, wurde er in meiner Jugend Forschungsterrain und ließ mich wissenschaftlich Jahrzehnte nicht mehr los. Hydrogeologische und geomorphologische Studien haben mich immer tiefer in die Geschichte hineingesaugt. Millionen Jahre, die eine Landschaft durch klimatische und tektonische Veränderungen in Laufe der Erdgeschichte geprägt haben – nur wenige Jahrhunderte, ja sogar Jahrzehnte, in denen der Mensch der Region seinen Stempel aufgedrückt hat.

Der Neusiedler See ist ein höchst sensibles Ökosystem, wir haben es im Vorjahr deutlich zu spüren bekommen. Der See, der zu 80 Prozent vom Regenwasser gespeist wird, hatte seine geringste Wassertiefe seit Beginn der Messungen erreicht. Zum letzten Mal gänzlich ausgetrocknet war der Neusiedler See von 1865 bis 1871. Damals wurde im trockenen Seebett Landwirtschaft betrieben!

Aufgrund der intensiven ökonomischen Nutzung wäre dies heute eine Katastrophe. Diese Gratwanderung zwischen Landwirtschaft, Tourismus und Naturschutz ist eine große Herausforderung unserer Zeit. Uns sollte bewusst sein: Die Natur lebt nicht vom Menschen, sondern der Mensch von der Natur."


Pathum "Baba" De Silva: "Gemeinsame Heimat"

Susi Binder und Pathum "Baba" De Silva, Kite-Surfer-Paar, verbindet die gemeinsame Liebe zum Wassersport.
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"Durch unsere gemeinsame Liebe zum Wassersport haben wir uns in Sri Lanka kennengelernt. Als ich 2016 dann nach Österreich kam, war als Kite- und Windsurfer für mich klar, dass ich in der Nähe des Wassers leben wollte.

Meine Frau Susi ist am Neusiedler See aufgewachsenen und verbrachte schon als Kind und Jugendliche viel Zeit dort. Nachdem der See super Bedingungen zum Kite- und Windsurfen bietet, wurde er dann zu unserer gemeinsamen Heimat.

Wir lieben den See und verbringen bei Wind jede freie Minute dort. Ich kann durch meine Arbeit als Kite- und Windsurflehrer im Wassersportzentrum Lang in Mörbisch meine Leidenschaft auch im Beruf ausleben, den Sport anderen näherbringen und auch der jungen Generation die Attraktivität des Neusiedler Sees zeigen.

Am liebsten Kiten wir gemeinsam in Mörbisch am See, da der Spot nicht überlaufen und persönlich ist. Wir haben dort viel Platz am Wasser und Freunde, die unsere Leidenschaft teilen. Der Neusiedler See ist also ein unverzichtbarer Teil unseres Lebens."


Heidi Schröck: "Er ist ein Verbündeter der Winzer"

Heidi Schröck, Winzerin, sieht den See als ihren Verbündeten.
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"Über den See schreiben bedeutet für mich, eine Zeitreise in die Kindheit zu unternehmen. In den Sommermonaten der 60er-Jahre war ich hier täglich bis Sonnenuntergang. Wir Ruster Kinder schlossen oft Freundschaft mit deutschen Urlauberkindern. Manche kamen aus dem Ruhrgebiet, waren Kinder von Kumpeln aus den Kohlebergwerken. Die Väter tankten in der burgenländischen Sonne Energie für ihre schwere Arbeit unter Tage.

Heute schwimme ich nach einem langen Arbeitstag manchmal im See. Wenn ich die Geräusche des Windes im Schilf höre, empfinde ich Ruhe.

Über den See zu schreiben als Weinbäuerin in Rust ist, wie über einen Verbündeten zu schreiben. Die geringe Tiefe des Wassers erwärmt sich im Frühsommer rasch. Dadurch ist es möglich, Weine wie den edelsüßen Ruster Ausbruch zu gewinnen. Im Tagebucheintrag eines Vorfahren aus dem Jahr 1866 steht: "Vom 4. Juni an ist man gantz trocken darüber gegangen ohne ein Stiefel schmutzig zu machen." Zehn Jahre später notierte er die Rückkehr des Wassers: "Über einen Winter hat sich der See wieder gefüllt."

Wir wissen heute, dass es in dieser Zeit der Austrocknung des Neusiedler Sees auch keine edelsüßen Weine gegeben hat. Der dafür notwendige Botrytis-Cinerea-Pilz (Edelfäule) konnte in Ermangelung der Luftfeuchtigkeit nicht wachsen und sich ausbreiten."


Barbara Eselböck: "Alles hier macht gelassener"

Barbara Eselböck, Gastronomin "Taubenkobel"
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"Ich bin am See aufgewachsen. Meine stärkste Erinnerung an die Kindheit sind die Schlammschlachten, bei denen wir uns gegenseitig mit dem Seeschlamm beworfen haben. Wir Kinder durften hier sehr naturnah und erdig groß werden, dafür bin ich dankbar.

Auch jetzt liebe ich besonders die Ruhe, die der See ausstrahlt. Er hält auch für mich noch immer einige Überraschungen parat. Die vielen Buchten im Schilf, die Verstecke. Wenn ich hier in Rust in der Früh aus dem Fenster schaue, klappern mir die Störche zu. Auf dem Weg zur Arbeit kann ich über den See blicken, bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Diese Augenblicke sind so schön, dass sich bei mir keine Gewohnheit einstellt.

Die Umgebung hier versetzt dich immer in Urlaubsstimmung. Die Menschen sind gelassener. Unsere Laune wird geprägt durch die trockene Hitze, den Nebel. Die Mineralität des Bodens wirkt sich auf den Wein aus, für Menschen und Weingärten fungiert der See als wichtiger Klimaregulierer.

Im Taubenkobel verwenden wir viele Produkte vom See. Besonders gern habe ich Karpfen und Aal. Aber auch Zander und Wels sind fantastisch. Es gibt neben Fisch noch so viel mehr, dass rund um den See wächst und essbar ist – das noch junge grüne Schilf, die verschiedensten Wasseralgen. Wir hatten einmal ein Gericht, das schlicht "Neusiedler See" hieß, mit Sashimis vom Aal, Karpfen, Algen – das war ein Traum!"


Leopold Krenn: "Das Leben am Wasser hält mich jung"

Leopold Krenn ist seit über 50 Jahren Berufsfischer.
Foto: Heribert Corn www.corn.at

"Wenn ich nicht jeden Tag rausfahren könnte, ginge es mir nicht mehr gut. Berufsfischer bin ich seit über 50 Jahren. Es gibt hier am Neusiedler See noch rund 13 Kollegen. Seit 20 Jahren bin ich Obmann des Fischereiverbands. Der See hält mich am Leben, er hält mich jung. Mit meinen 81 Jahren spüre ich hier draußen kein Kreuzweh, das mich daheim manchmal plagt.

Am schönsten ist der See, wenn ich um fünf Uhr rausfahre und die Sonne aufgeht. Es kann aber auch sehr gefährlich werden. Wenn der obere Wind aufkommt, der einen ins Freie rausträgt. Wenn da der Motor versagt, hat man ein Problem. Einmal war es so knapp, dass ich dachte, ich schaffe es nicht mehr zurück. Die Spitze meines Bootes ragte drei Meter in die Höhe. Nur mit Glück bin ich dem Unwetter entkommen.

In den See bin ich nur einmal gefallen. Da war ich erst drei Jahre Fischer. Damals hatte eine Bisamratte einen Strick abgebissen, was ich nicht gesehen hatte. Dann bin ich mit einem Salto mortale rein, mit dem Kopf unter der Zille durch und auf der anderen Seite aufgetaucht.

Wir fangen hier Zander, Karpfen, Welse und Hechte. Die größten Kaliber, die ich hier jemals gefangen habe, waren ein Wels mit rund 60 Kilo und ein Zander mit rund zwölf Kilo. Wir vermuten, dass es hier auch Welse mit bis zu 100 Kilo gibt, weil sie manchmal die Netze zerbeißen und riesige Löcher mit einem Schleimring hinterlassen."


Hans Peter Doskozil: "Ein Tag am See ist perfekt"

Landeshauptmann Hans Peter Doskozil genießt mit seiner Verlobten Julia die Zeit am See.
Foto: Manfred Weis

"Ich kann mich noch erinnern, als ich als Kind zum ersten Mal mit meinen Eltern am Neusiedler See war. Wir sind damals mit einem Schiff gefahren, das war ein ganz besonderes Erlebnis für mich. Der See ist heute noch dasselbe Juwel wie damals, die Region hat sich in den Jahrzehnten, die seit meiner Kindheit vergangen sind, aber zu einem Lifestyle-Hotspot entwickelt. Als meine Verlobte, Julia, in das Burgenland gekommen ist, habe ich ihr als eines der ersten Highlights den See gezeigt. Seitdem sind wir oft privat hier.

Der See ist das Herz einer Region, die unglaublich vielseitig ist. Ich denke dabei auch an die kulturellen Highlights, etwa die Seefestspiele Mörbisch. Hier verschwimmen für mich die Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem, denn zu Terminen wie Premieren nehme ich Julia gerne mit. Wenn es dann noch an den See geht, ist der Tag perfekt.

Den guten Ruf und das Lebensgefühl, das rund um den See mitschwingt, haben sich die Menschen hier mit viel Fingerspitzengefühl erarbeitet. Nun ist es die Aufgabe der Politik, dieses Alleinstellungsmerkmal des Burgenlandes ökologisch zu schützen. Mit der Errichtung des grenzüberschreitenden Nationalparks wurde vor fast drei Jahrzehnten der Grundstein zum Schutz von Flora und Fauna gelegt.

Wir gehen einen Schritt weiter und kümmern uns um das Grundwassermanagement im Seewinkel. Hier ist unser Ziel, das Grundwasser vor Verunreinigung zu schützen und das dadurch erwartete Wasserdefizit im Naturraum Seewinkel in Kooperation mit Ungarn auszugleichen. Es geht um nachhaltige Konzepte, um den Neusiedler See, der schon lange mehr als nur ein "Meer der Wiener" ist, auch für nachfolgende Generationen zu erhalten. Damit auch künftig Kinder noch ausprobieren können, wie weit sie in den See waten können, ohne unterzugehen."

(Rainer Schüller, Magazin Leben im Burgenland, 19.6.2021)