Hunderte Israelis zogen am Dienstag durch Jerusalem. Zahlreiche skandierten araberfeindliche Parolen.

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Jerusalem – Begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot sind am Dienstag mehr als tausend ultrarechte Israelis beim sogenannten Flaggenmarsch durch Jerusalem gezogen. Die Demonstranten marschierten am Damaskus-Tor vorbei in Richtung Klagemauer. Tausende Polizisten waren im Einsatz, um Ausschreitungen zu unterbinden. Mehr als 30 Palästinenser wurden nach Angaben von Rettungskräften verletzt. Der "Flaggenmarsch" galt als erste Bewährungsprobe für die neue israelische Regierung.

Verletzte und Festnahmen

Teilnehmer der Demonstration schwenkten die israelische Fahne und sangen Hymnen der israelischen Siedlerbewegung in den besetzten Gebieten. Schon vor Beginn des Marsches war es zu gewalttätigen Konfrontationen zwischen Palästinensern und den Sicherheitskräften gekommen, als diese im annektierten Ostjerusalem Straßen räumten. Insgesamt wurden nach Angaben von Mitarbeitern des Gesundheitswesens 33 Palästinenser bei Auseinandersetzungen mit der Polizei verletzt. Die Polizei meldete 17 Festnahmen.

Mit dem "Flaggenmarsch" gedenken nationalistische Israelis der israelischen Besetzung von Ost-Jerusalem im Sechstagekrieg 1967. Im Vorfeld des diesjährigen "Flaggenmarschs" gab es viele Befürchtungen, dass es zu heftigen gewalttätigen Konfrontationen kommen könnte.

Sorge vor Gewalt

Der Marsch hatte ursprünglich bereits am 10. Mai stattfinden sollen. Er wurde damals von den Veranstaltern jedoch abgesagt, nachdem die Polizei die vorgesehene Route nicht genehmigt hatte. Dann wurde die Demonstration für den vergangenen Donnerstag angesetzt, aber nochmals wegen Einwänden der Polizei gegen die Route verschoben.

Die jetzt für den Marsch an diesem Dienstag festgelegte Route war nach Angaben der Regierung zwischen den Veranstaltern und der Polizei abgesprochen. Demnach sollten die Demonstranten die Altstadt nicht durch das Damaskus-Tor betreten, sondern eine andere Strecke nehmen, um den Weg durch das muslimische Viertel der Altstadt zu vermeiden.

Luftangriffe im Gazastreifen

Zahlreiche Teilnehmer des "Flaggenmarschs" versammelten sich vor dem Damaskus-Tor, um dort zu singen und zu tanzen. Der Student Judah Powers sagte, er beteilige sich an dem Marsch, um zu zeigen, "dass wir als Juden, als Israels, das Recht haben, jeden einzelnen Zentimeter dieser Stadt zu betreten". Einige Demonstranten riefen "Tod den Arabern". Israels neuer Außenminister Yair Lapid von der liberalen Partei Yesh Atid verurteilte diese Äußerungen. "Diese Menschen sind einen Schande für Israel", schrieb er auf Twitter.

Im Mai war es zu schweren Zusammenstößen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern in Ostjerusalem gekommen. Die Krawalle mündeten in eine elftägige Gewalteskalation mit gegenseitigem heftigen Raketenbeschuss zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden Hamas-Bewegung. Dabei wurden mehr als 270 Menschen getötet, die meisten davon Palästinenser.

Am Dienstag flog das israelische Militär erstmals seit Ende des Konflikts wieder Luftangriffe im Gazastreifen. Laut dem israelischen Militär wurde niemand verletzt, Ziel seien militärische Einrichtungen der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas gewesen.

Zerreißprobe für neue Regierung

Der neue Ministerpräsident Naftali Bennett ist selbst ein Nationalist. Die von ihm angeführte Koalition aus acht Parteien umfasst jedoch auch linke und gemäßigte Parteien sowie erstmals eine arabische Partei, die islamisch-konservative Ra'am-Partei.

Israel hatte den Ostteil von Jerusalem 1980 annektiert. Die Annexion wird international nicht anerkannt. Israel hat ganz Jerusalem zu seiner "unteilbaren" Hauptstadt erklärt, während die Palästinenser Ostjerusalem zur Hauptstadt des von ihnen angestrebten eigenen Staates machen wollen. (APA, 16.6.2021)