Ken Jebsen im April des vergangenen Jahres bei einer Anti-Corona-Demo in Berlin.

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Ende des vergangenen Jahres wurde er für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Für "die jahrelange Arbeit, die Verschwörungsmystikerszene zu digitalisieren", wurde der deutsche Ken Jebsen mit dem "Goldenen Brett vorm Kopf" bedacht. Einem Satirepreis, der jährlich von der Gesellschaft zur Wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften für den größten antiwissenschaftlichen Unfug des Jahres vergeben wird. Auch der deutsche Mediziner Sucharit Bhakdi bekam "für seine unwissenschaftlichen Verharmlosungen der Covid-19-Pandemie" ein "Goldenes Brett vorm Kopf".

Vom Radiomoderator zum Verschwörungsideologen

Der 1966 geborene Kayvan Soufi-Siavash alias Ken Jebsen galt in den 1990er-Jahren als aufstrebender Radiomoderator: innovativ, vielseitig, gedankenschnell. Fast 20 Jahre später ist er einer der einflussreichsten Verschwörungsideologen im deutschen Sprachraum. Er ist der Superstar in der Szene und erreicht im Netz mit seinen kruden Thesen hunderttausende Follower. Auf seiner Onlineplattform Ken FM scheint es keine Berührungsängste mit Verschwörungserzählungen zu geben: Von den Charlie-Hebdo-Anschlägen, die angeblich inszeniert waren, über George Soros und Bill Gates, die angeblich die Welt fest im Griff haben, bis hin zu anderen verstörenden Aussagen.

So behauptet er öffentlich, die Mächtigen der USA würden von Menschen mit jüdischen Wurzeln gesteuert, deren Ziel die "Schaffung eines israelischen Großreichs" sei. Er behauptet auch, Zionisten kontrollierten die Vereinten Nationen, den Internationalen Währungsfonds und die UN-Atomenergiebehörde. US-Präsidenten müssten ihre wichtigsten Reden vorab von Juden genehmigen lassen. Laut Jebsen begehe Israel seit 40 Jahren Völkermord. Das Ziel sei nichts weniger als die "Endlösung", nämlich das Ausrotten aller Palästinenser in Palästina.

Berliner Verfassungsschutz beobachtet

Laut Medienberichten wird Ken FM mittlerweile vom Berliner Verfassungsschutz beobachtet. Über ihn würden Desinformation und Verschwörungsmythen verbreitet und damit die Szene der "Querdenker" weiter radikalisiert, heißt es dazu erklärend in den Artikeln.

Sein Programm spricht nicht nur extreme Rechte, deren Weltbild von wirren Erzählungen geprägt ist, sondern auch Personen an, die sich selbst als links bezeichnen. So trat etwa ein Verleger aus Wien in einem Videogespräch mit Ken Jebsen auf. Der Verleger hielt auch am 28. April dieses Jahres bei einer Corona-Demonstration in Wien eine Rede. Bei der Kundgebung war bemerkenswert, dass sich neben Aktivisten, linken Splittergruppen, Künstlern wie dem Kabarettisten Roland Düringer auch Rechtsextreme sowie Anhänger des QAnon-Kults und anderer antisemitischer Mythen einfanden. Eine Zusammenarbeit mit den rechten Gruppen und den Demonstrationsorganisatoren war allerdings nicht erkennbar.

Übler Israel-Hass

Für den Berliner Journalisten und Buchautor Sebastian Leber ("Fehlender Mindestabstand: Die Corona-Krise und die Netzwerke der Demokratiefeinde") ist Jebsen ein "Verschwörungsideologe, der offenkundige Falschinformationen streut und mehrfach üblen Israel-Hass verbreitet hat".

Und er sei "ein Vorbild für Verschwörungsgläubige unterschiedlicher Couleur, für Esoteriker und Corona-Verharmloser, so Leber. "Wenn er etwa behauptet, Masken hätten keine Schutzwirkung, sondern seien nur ein 'Gehorsamsexperiment', dann ist das gefährlich. Weil viele seiner Anhänger ihm jedes Wort glauben, obwohl er so oft vollkommen falsch liegt."

"Superstar" Jebsen bei einer Kundgebung in Stuttgart.
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DER STANDARD konnte Dateien einsehen, die einen Einblick in die österreichische Fangemeinde von Ken Jebsen erlauben. Demnach haben mindestens drei Dutzend Personen ihm in den vergangenen Jahren Geld gespendet, und einige hundert User mit einer ".at"-Mailadresse haben sich etwa an Diskussionen in den Ken-FM-Foren beteiligt. Die Dateien wurden von Anonymous-Hacktivisten von der Ken-FM-Plattform entnommen. Sie haben diese vor wenigen Tagen gehackt, um so ein Zeichen gegen die Verbreitung von Verschwörungsmythen zu setzen.

Podcast: Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?

Wie sich Jebsen seinen Status als Superstar erarbeitet hat, seziert der sechsteilige Podcast "Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?", der dieser Tage an den Start gegangen ist. Der Podcast erzählt vom Einfluss des erstarkenden Populismus, von der rechten Mobilmachung im Netz, vom Aufstieg der "Querdenkerinnen" und "Querdenker". Und davon, wie all diese Kräfte sich in Zeiten von Corona gegenseitig verstärken, die Gesellschaft und ihren Zusammenhalt destabilisieren und beschädigen wollen. Die Macher des Podcasts "graben sich von Folge zu Folge immer tiefer in den 'Kaninchenbau' der Verschwörungsmythen und ihrer Profiteure und entlarven die Methoden der Verschwörungserzähler*innen", heißt es in der Ankündigung der Serie, die auf Streaming-Portalen wie der ARD-Audiothek, Amazon Prime Music oder Spotify zu finden ist.

Sie beleuchtet auch die Rolle von Youtube, dessen Algorithmus 2012 geändert wurde und den Erzählern von Verschwörungsmythen sehr entgegenkommt. Seither werden nicht mehr Videos einem größeren Publikum vorgeschlagen, die besonders oft angeklickt wurden, sondern jene, die besonders lange angeschaut wurden. So verhalf Youtube jenen, die gerne und ausgesprochen lange schwurbeln, zu zahlreichen neuen Seherinnen und Sehern sowie Fans. Mittlerweile hat Youtube den Kanal von Jen Jebsen gesperrt, aufgrund der Verstöße gegen die Corona-Richtlinien. Es sollen medizinische Falschinformationen verbreitet worden sein.

Mythen bleiben

Mythen rund um Corona werden aber weiterhin unentwegt ihre Runden ziehen. Eine aktuelle Untersuchung der Wissenschafterin Noelle S. Lebernegg und des Wissenschafters Jakob-Moritz Eberl von der Universität Wien zeigt, viele der Coronavirus-Verschwörungsmythen sind gekommen, um zu bleiben.

Die Fragen.
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Ihre im Mai dieses Jahres durchgeführte Befragung von rund 1.500 Personen ergab, dass der Anteil derer, die Coronavirus-Verschwörungsmythen wirklich glauben, je nach Aussage variabel bei etwa fünf bis 15 Prozent liegt – und ihre Zahl ist in den vergangenen Monaten nicht kleiner geworden. (Markus Sulzbacher, 17.6.2021)