Wien – Wenn die Neuorganisation des Verteidigungsministeriums im April nächsten Jahres abgeschlossen sein wird, dann werden sich zwischen 1.300 und 1.700 Arbeitsplätze geändert haben. Viele davon werden neu auszuschreiben sein, weil sich die Stellenbeschreibung entsprechend stark ändert. Welche Dienstposten mit welchen Wertigkeiten versehen werden, muss das von Klaudia Tanner (ÖVP) geführte Verteidigungsressort allerdings erst mit dem Beamtenministerium von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) klären – was wohl mehrere Monate dauern wird, weil die genauen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten erst festgeschrieben werden müssen.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) mit Generalstabschef Robert Brieger: Mit der Reform will sie "das Aktenpingpong" im Ressort beendet wissen, Umfärbungen werden in Abrede gestellt.
Foto: APA / Herbert Neubauer

Brieger aufgewertet

Klar ist allerdings, dass mit der größten Reorganisation des Ministeriums möglichst viele Aufgaben in die neue Generaldirektion für Landesverteidigung wandern sollen. Der Generalstabschef – bis ins Frühjahr nächsten Jahres bleibt das Robert Brieger – hat dann neun Direktionen unter sich:

  • Direkt beim Generalstabschef angesiedelt werden die Direktion "Fähigkeiten und Grundsatzplanung" sowie die Generalstabsabteilung.
  • Die Direktion 1 wird zuständig für Landstreitkräfte und Einsatz – hier wird vom Militärstrategischen Lagezentrum über die Militärkommanden, die Brigaden, das Jagdkommando und das ABC-Abwehrzentrum bis hin zur Militärpolizei die Masse der Soldaten unterstellt.
  • Die Direktion 2 umfasst alles, was die Militärluftfahrt betrifft.
  • Die Direktion 3 ist für die Ausbildung verantwortlich, darunter angesiedelt werden die Landesverteidigungsakademie, die Theresianische Militärakademie und die Heeresunteroffiziersakademie sowie die Militärbibliothek. Die Waffenschulen bleiben aber der Truppe (und damit zumeist der Direktion 1) zugeordnet.
  • Die Direktion 4 wird große Teile des erst 2019 geschaffenen Kommandos Streitkräftebasis aufnehmen und damit für die Logistik zuständig sein – darunter angesiedelt werden etwa das Versorgungsregiment 1, die Heereslogistikschule und die Heeresmunitionsanstalten.
  • Die Direktion 5 wird das gesamte Beschaffungswesen zusammenfassen.
  • Die Direktion 6 wird für IKT und Cyber zuständig sein – diese Teile waren 2019 der Streitkräftebasis zugeordnet worden. Darunter angesiedelt werden unter anderem die Fernmeldebataillone. Insbesondere im Bereich der Cyberstreitkräfte soll das Personal aufgestockt werden.
  • Direktion 7 wird für die Infrastruktur zuständig – das Bundesheer verfügt über 257 Liegenschaften, von Amtsgebäuden über Kasernen bis zu großen Truppenübungsplätzen.
  • Direktion 8 wird zuständig für das Militärgesundheitswesen.

Insgesamt soll es weniger Abteilungen als bisher geben, diese sollen aber mehr Kompetenzen haben. Organisatorisch werde sich bei der Truppe und den nachgeordneten Dienststellen nichts ändern, außer dass es künftig klare Zuständigkeiten geben wird, wenn eine Entscheidung auf höherer Ebene eingeholt werden muss – es wird dann eben nur noch diese eine höhere Ebene befasst.

Schluss mit Aktenpingpong

Das "Aktenpingpong", das alle Entscheidungen schwerfällig gemacht hat, solle damit ein Ende finden. Tanner gab vor, dass die Entscheidungsprozesse um 75 Prozent schneller ablaufen sollen und dass ein Viertel der Verwaltung eingespart wird.

Das betrifft auch die beiden zivilen Sektionen, die in Generaldirektion Verteidigungspolitik und Präsidialdirektion umbenannt werden. Dahinter steckt die Überlegung, dass in den nächsten acht Jahren rund die Hälfte der derzeit im Bereich Landesverteidigung Beschäftigten aus den Jahrgängen des Babybooms in den Ruhestand treten wird – mit der nachtrückenden Generation muss eine sparsamere und stärker zielorientierte Personalpolitik betrieben werden.

Personalpolitik unter Beobachtung

Apropos Personalpolitik: Vehement dementiert wird, dass einzelne Jobs auf schon feststehende türkise Bewerber zugeschnitten seien. Ausgearbeitet wurde die Reform federführend vom Generalsekretär von Tanner (ÖVP), Dieter Kandlhofer – er soll nach dem Umbau eine der beiden zivilen Sektionen leiten. Bereits im Vorfeld hatten die Wehrsprecher von SPÖ und FPÖ, Robert Laimer und Reinhard Bösch, "eine türkise Umfärbung" prophezeit. "Sollen die Soldaten jetzt auch in türkis-schwarzen Uniformen antreten?", höhnte Laimer dazu am Mittwoch.

Die Grünen begrüßen hingegen prinzipiell die Neustrukturierung an der Spitze des Bundesheeres, ihr Wehrsprecher David Stögmüller mahnt im STANDARD-Gespräch aber auch: "Was die anstehenden Neuausschreibungen und Postenbesetzungen betrifft, werden wir ein kritisches Auge darauf haben." Wie Bundespräsident und Oberbefehlshaber Alexander Van der Bellen spricht sich auch der Juniorpartner der Koalition für eine begleitende Projektevaluierung aus, ehe die neue Organisationsform endgültig fixiert wird. Und auch darauf drängt Stögmüller: "Wichtig ist zudem, dass nun schnellstmöglich das Parlament – allen voran die Wehrsprecher der anderen Parteien – in die Reform eingebunden wird, um für eine breite Akzeptanz zu sorgen."

Neos vermissen Einbindung

Genau in diese Kerbe schlägt Neos-Wehrsprecher Douglas Hoyos: Er kritisiert, dass Tanner & Co im Vorfeld derart weitreichender Änderungen wieder einmal keine Gespräche mit der Opposition gesucht haben – und das, obwohl sich die Ministerin rund um ihre bisher anvisierten Reformen "nicht gerade mit Ruhm bekleckert" habe. Und der Neos-Mandatar, dessen Partei eine Verschlankung des Apparats prinzipiell befürwortet und die Aufwertung der Cyber-Defense positiv sieht, warnt auch: "Bisher ist schon jeder Verteidigungsminister vor Tanner Strukturänderungen angegangen – erfahrungsgemäß ist nun zu befürchten, dass das Haus wieder für ein halbes Jahr gelähmt ist." (Conrad Seidl, Nina Weißensteiner, 16.6.2021)