Auf der Flucht vor den hellhörigen Invasoren: Emily Blunt muss in "A Quiet Place 2" das Überleben ihrer Familie sichern – inklusive schreienden Babys.

Foto: Constantin

Als Modell für einen Erfolgsfilm war der erste Teil von A Quiet Place (2018) bestechend einfach. Seine Attraktivität verdankte John Krasinskis Alien-Invasions-Film weder überbordender Ausstattung noch visuellen Effekten – der Film hatte ein Budget von bescheidenen 17 Millionen Dollar –, sondern dem Fokus auf den Gehörsinn: Nur wer sich besonders leise verhält und damit die hellhörige Spezies überlistet, hatte die Chance zu überleben. Gleichsam: aus den Augen, hin zum Ohr, gemäß der alten B-Movie-Maxime "Less is more".

Paramount Pictures

Es war eine exemplarische Kinoerfahrung, nachträglich auch für den während der Pandemie oftmals beschworenen (und vermissten) sozialen Charakter des Kulturerlebnisses. In den stillen Momenten des Films glaubte man den angehaltenen Atem der Zuschauer, mit Sicherheit aber jedes Rascheln im Saal zu hören. Während der lauten, aggressiven Ritz- und Stechattacken der Aliens fuhr man in den Sitz zurück. Körperkino, wie es sein soll.

Dass nun das Sequel A Quiet Place2 mit einem US-Einspielergebnis von über 100 Mio. Dollar zum bis dato erfolgreichsten Film in Pandemiezeiten wurde, passt insofern ins Bild. Denn der Film benötigt den gesamten Apparat des Kinos, um seine Möglichkeiten auszuschöpfen; vor allem die gern übersehene akustische Seite vermag erst in einem entsprechend adaptierten Kinosaal immersiv, also richtig körperlich zu wirken. Durch Entwöhnung entsprechend übersensibilisiert, gleicht das Erlebnis jetzt schon mehr einer Reizattacke.

Aliens und Resilienz

Eigentlich hätte der Film kurz vor der Pandemie starten sollen. Verblüffend ist, dass er durch seine Verspätung – am Freitag eröffnen auch in Österreich endgültig alle Multiplexe die Türen – nun fast noch zeitgenössischer wirkt. Nicht weil man Aliens mit heimtückischen Viren vergleichen könnte, sondern aufgrund seines Dramas um menschliche Resilienz:

Es geht schließlich um Techniken des Überlebens und auf einer erweiterten Ebene dann auch darum, das Überleben nochmals durchzukauen. Warum auch nicht! Schon Walter Benjamin sah im sinnlich erfahrbaren, medialisierten "Gegenschock" des Kinos eine "psychische Impfung", die uns die Spannungen der Realität besser ertragen lassen.

Krasinski, erneut Regisseur, beginnt den Film mit einem Rückblick auf Tag eins: Nichts vermittelt Einöde so gut wie eine Ampel, die sinnlos Lichtsignale sendet. Das Übel bricht ohne Ankündigung in die Normalität ein. Kurz darauf herrscht auf den Straßen schon Panik. Der Hauptteil der Handlung setzt 473 Tage später ein, exakt nach Teil eins. Evelyn (Emily Blunt) bricht mit ihrer gehörlosen Tochter Regan (Millicent Simmonds), Sohn Marcus (Noah Jupe) und ihrem Neugeborenen aus dem zerstörten Eigenheim in eine ungewisse Zukunft auf.

Hintersinnige Schauplätze

Hintersinnig ist gleich die Wahl des ersten Unterschlupfs, eine stillgelegte Stahlfabrik, die den Schauplatz des Films, den heruntergewirtschafteten "Rust Belt" der USA, ins Bewusstsein rückt. Dort bieten die Ruinen des Industriezeitalters zumindest zeitweise Schutz vor den Invasoren, ein luftarmer Kessel als letztes Versteck – das zeugt angesichts der Nutzlosigkeit alter Gerätschaft von Sinn für Ironie. Zugleich erhöhen sich hier schnell die innerfamiliären Druckverhältnisse.

Erzählte A Quiet Place noch vom nervenaufreibenden Existenzkampf mit den Bestien, fragt das elegischer angelegte Sequel nun stärker danach, welche Optionen der Menschheit bleiben. Ausverhandelt wird das als Motivationsstreit zwischen den Generationen. Regan will einem Radiosignal folgen – Beyond the Sea ist der Song, der als verschlüsselte Botschaft dient –, von dem sie annimmt, dass es zu einer Gemeinschaft von Überlebenden führt; Emmett (Cillian Murphy), ein Nachbar, der der Familie zuerst mit Ablehnung begegnet, wächst nur mit Mühe in die Rolle ihres Begleiters hinein.

Krasinski arbeitet wiederholt mit Parallelsequenzen, die Bedrohungsszenarien an unterschiedlichen Orten (und Handlungssträngen) motivisch eng zusammenführen. Das ist nicht nur für Spannung gut; es wirkt fast so, als wollte er eine übergeordnete Harmonie heraufbeschwören, wenn Menschen einander das Überleben sichern. Man kann es als Bild für Empathie sehen: Denn trotz aller List und Cleverness – selbst Hörgeräte erweisen sich als wirksame Waffe – ist es der geteilte "spirit", der am Ende entscheidender ist. (Dominik Kamalzadeh, 17.6.2021)