Das Ibiza-Video sorgte 2019 für wütende Proteste gegen Korruption.

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Wenn jemand dem Fahrzeugprüfer Geld bietet, um sein marodes Auto länger fahren zu können, als man dürfte; wenn eine Sprachlehrerin gegen 500 Euro falsche Multiple-Choice-Antworten nachträglich "berichtigt"; wenn ein Falschparker einem Beamten 50 Euro geben möchte, damit der Strafzettel verschwindet – dann sprechen wir von Bestechung. Diese Beispiele findet man, wenn man die jüngsten Gerichtsurteile zum entsprechenden Strafrechtsdelikt sucht.

Wer an Korruption denkt, dem fallen momentan wohl die großen Causen ein, in denen es um Millionensummen geht: von Eurofighter über Buwog bis hin zum Postenschacher in den Casinos und der Staatsholding Öbag. Aber Korruption ist allgegenwärtig, im Kleinen, im Großen, im Sport, in Medien.

Erstens Spende, zweitens Problem

Doch was bedeutet Korruption eigentlich? Im Strafgesetzbuch fällt der Begriff nur ein einziges Mal in einer Überschrift. Darunter finden sich dann zahlreiche Delikte, die das Phänomen greifbar machen. Im Grunde geht es um den Grundsatz "quid pro quo": Ich gebe dir dieses, dafür bekomme ich jenes. "Durch die Tatbestände wird ein sehr weites Spektrum abgedeckt", sagt die Strafrechtsexpertin Katharina Beclin. "Von dem betrunkenen Fahrer, der einem Polizisten einen Fünfziger anbietet, um davonzukommen, bis zu korrupten Politikern, die Politik für jene machen, die sich Bestechung leisten können, und im Gegenzug UmweltStandards oder Arbeitnehmerrechte opfern." Für alle gilt: Wer den Tatbestand der Bestechung erfüllt, ist mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht.

Das betrifft aktuell den Finanzminister genauso wie den zuvor erwähnten Falschparker, der die Parkwächterin mit privaten Zuwendungen vom Ausstellen einer Organstrafe abhalten will. Bei Gernot Blümel hat der Fall natürlich eine andere Dimension: Er wird verdächtigt, ein unmoralisches Angebot des damaligen Novomatic-Chefs Harald Neumann an den einstigen Außenminister Sebastian Kurz herangetragen zu haben. Neumann schrieb, er brauche einen Termin bei Kurz wegen "erstens Spende, zweitens eines Problems in Italien" – also quid pro quo. Die Genannten bestreiten alle Vorwürfe – auch eine entsprechende Spende wurde nicht gefunden.

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Korruption ist schwer zu ermitteln. Vor allem, weil das Opfer meist "abstrakt" ist: Es gibt zwei Täter – den Bestechenden und den Bestochenen –, die zusammenwirken. Geschädigt wird "der Steuerzahler" oder "die Konkurrenz" eines Unternehmens. Nicht so wie bei einem Raub, wo sich das Opfer direkt an die Polizei wenden kann.

Manche korrupten Vorgänge fallen aber gar nicht ins Strafrecht, wie man an einer Definition der Nichtregierungsorganisation Transparency International sieht: "Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil."

Da wird es schon deutlicher schwieriger. Wenn man etwa an die für viele begehrte Corona-Impfung denkt: Obwohl das Parlament zweifelsohne zu den wichtigsten Institutionen zählt und als "kritische Infrastruktur" gilt, ließen sich Abgeordnete und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erst vergangene Woche impfen, um bloß nicht als Impfdrängler zu gelten. Das Gleiche gilt für die österreichische Bundesregierung – der Kanzler wurde weit später als unzählige "Schlüsselkräfte" aus der Wirtschaft geimpft.

Andere, zum Beispiel in Gesundheitsberufen, dachten bei Impfdosen, die verfallen wären, an ihre engen Verwandten – kein Verbrechen, aber mancher Ansicht nach vielleicht schon korrupt, weil die "anvertraute Macht" als Arzt zum "privaten Vorteil" der Impfung naher Angehöriger genutzt wurde.

Ein anderes Beispiel ist die Medienbranche – und da vor allem der Boulevard. Stichwort: Inseratenkorruption. Ob die wohlwollende Berichterstattung über Regierende in deren Buchung von Werbeeinschaltungen begründet ist, lässt sich strafrechtlich kaum beweisen.

Österreich besonders korrupt

Die Corona-Pandemie hat die wahrgenommene Korruption in Europa jedenfalls verstärkt. Das zeigt ein Bericht von Transparency International, für den zwischen Oktober und Dezember 2020 insgesamt 40.600 Menschen in 27 europäischen Ländern befragt wurden. In Österreich glauben 29 Prozent der Befragten, dass sich Korruption in den zwölf Monaten vor dem Befragungszeitraum verschlimmert hat. Neun Prozent gaben an, in den Monaten zuvor selbst einen Beamten bestochen zu haben – ein alarmierender Wert. Österreich liegt hier klar vor den skandinavischen Ländern (ein Prozent), Südeuropa, Benelux und Deutschland (drei Prozent) sowie Frankreich (fünf Prozent).

Auch bei der Frage, ob Einwohner "persönliche Beziehungen" nutzten, um von einer öffentlichen Behörde serviciert zu werden, liegt Österreich im oberen Mittelfeld. Platz sieben hinter Bulgarien, Kroatien, Rumänien, Griechenland, Tschechien und Polen belegt Österreich bei Fällen von "Sextortion": Gefragt wurde, ob man jemanden kennt, der sexuelle Gegenleistungen für öffentliche Dienstleistungen erbringen musste. Neun Prozent der hier Befragten sagten Ja.

Prominente aus Politik und Justiz haben nun ein Volksbegehren für den Rechtsstaat und gegen Korruption ins Leben gerufen. Ab Ende Juni sollen die Österreicherinnen und Österreicher es unterstützen können. (Fabian Schmid, Katharina Mittelstaedt, 17.6.2021)