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Österreichs Volkswirtschaft müsste alles, was heuer von Jänner bis Mitte November erwirtschaftet wird, dem Fiskus geben, dann könnte die Republik sämtliche Staatsschulden begleichen. Anders ausgedrückt: Die Staatsschulden sollen heuer auf einen Rekordwert von 88,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) steigen, wie der Fiskalrat bei einer Pressekonferenz am Mittwoch zur budgetären Situation mitteilte.

Immerhin rechnet der Fiskalrat für 2021 mit einem Rückgang des gesamtstaatlichen Defizits von 8,9 auf 7,6 Prozent der Wirtschaftsleistung. An ein automatisches "Herauswachsen" aus den Schulden glaubt man bei den Budgetwächtern aber nicht. "Wir müssen mittel- bis langfristig die Schuldenquote wieder runterbringen. Wir brauchen einen gut vorbereiteten und konjunkturgerechten Rückzug aus der staatlichen Intervention", sagte Fiskalrats-Präsident Christoph Badelt. Auch sei noch nichts in Stein gemeißelt. Hinter der Prognose steht die Annahme, dass die Pandemie abebbt und keine weiteren Einschränkungen verhängt werden.

Reformbedarf

Zu hoffen gibt, dass die jüngste Welle der Pandemie wichtigen Teilen der Wirtschaft wie der Industrie viel weniger zugesetzt hat als frühere. "Es ist denkbar, dass es zwar eine vierte Welle gibt, aber dass man überhaupt nicht wahnsinnig viel zusperren muss", meint Badelt.

Zur Absicherung des Sozialsystems brauche es aus Badelts Sicht Strukturreformen und eine nachhaltige Pflegefinanzierung. Auf Maßnahmen im Pensionsbereich will sich der Fiskalrat-Chef nicht festlegen, mit zwei Ausnahmen: eine Anhebung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters sowie den Verzicht auf außertourliche Pensionserhöhungen. "Die Vermeidung der einen oder anderen Maßnahme, die man nur aus dem Wahlzyklus heraus erklären kann, würde schon helfen", meint der Wirtschaftsforscher.

Weitere Kosten

Zwar werde das jährliche Defizit laut Fiskalrat schrumpfen, doch auch im Jahr 2025, das Ende des Prognosezeitraums, dürfte die öffentliche Hand knapp ein Prozent des BIP im Minus wirtschaften.

Die jüngste Verlängerung der Corona-Hilfen solle grob 500 bis 600 Millionen Euro kosten, wie die Regierung diese Woche verkündet hat. Finanzminister Gernot Blümel dürfte sich über die Zahlen des Fiskalrats trotzdem freuen, sind sie doch optimistischer als die Kalkulationen aus seinem eigenen Haus.

Wie mit den Schulden umzugehen ist, dürfte die türkis-grüne Koalition strapazieren. Blümel war jüngst besorgt von einem Euro-Finanzministertreffen zurückgekehrt. Dort hätten einige Vertreter die Maastricht-Kriterien zur Begrenzung der Staatsschulden infrage gestellt. Daraufhin schrieb Österreichs Finanzminister einen Brief an seine Kollegen, in dem er zum Schuldenabbau mahnte.

Andere Töne kommen von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Er hat mehrfach betont, dass vor einem Sparpaket der Weg über eine "Millionärssteuer" gesucht werden müsse. In türkisen Kreisen hält man wenig von solchen Plänen. Mit der geplanten Steuerentlastung und der Ökologisierung der Abgaben gibt es im Regierungsprogramm einen Deal, der auch ohne Debatte über Reichensteuern für rauchende Köpfe sorgen dürfte. (Leopold Stefan, 16.6.2021)