Können wir uns auf einen normalen Sommerurlaub freuen?

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Wir waren über das verlängerte Wochenende weg. Es gab bei einem Veranstalter ein Billigangebot, für ein Hotel in meinem Heimatdorf in Tirol. Perfekt. Konnte ich wen besuchen auch. Großes Hotel zwar, aber Zimmer mit Balkon und Ausblick. Und Hallenbad, also konnte es sogar regnen. Sauna gab’s auch. Essen und Trinken all-incl. So viel Luxus, der auf uns hereinbrausen konnte. Wir haben’s uns verdient.

Donnerstagabend, wir checken geimpft, getestet und genesen ein. Die Damen an der Rezeption grüßen begeistert im Dirndl, eine sogar mit Maske farblich passend zur Dirndlschürze. Wir bekommen Einweisungen. Die Kinder zum Beispiel dürfen jetzt rein mit ihren Schultest-Pickerln, aber sie müssen am nächsten Tag im Ort wieder testen gehen. Ich erwähne, dass ich geimpft bin. Eine Dame hinter mir zischelt ihrer Freundin zu, dass eine Impfung unfruchtbar macht.

Fixe Essenszeiten

Wir bringen die Sachen aufs Zimmer und sehen uns dann ein wenig um. Die Gäste gehen ruhig und gesittet mit ihren Masken herum. Zwei Tirolerhut-Männer aus Hannover mit Masken sowie eine Gruppe Bademäntelfrauen mit Masken. Vor der Sauna überlegt man, ob man sie jetzt abnehmen kann. Die Kinder suchen das Hallenbad. Irgendwo riecht es vielversprechend nach Chlor. Ein Bademeister steht vor der Tür und schickt die Kinder wieder weg. Es dürfen nur sechs Menschen rein.

Mein Handy piepst. Abendessen. Man muss zu bestimmten Zeiten kommen, damit die Leute sich nicht mischen. Beim Eingang zum Saal wird noch einmal nach Tests gefragt. Dann wird uns unser Tisch gezeigt. An dem sollen wir dann immer essen. Die Kinder bestellen Almdudler, das einzige Getränk, das nicht all-inclusive ist. Am Buffet stehen die Leute mit Abstand Schlange und desinfizieren ihre Hände, ehe sie die Bestecke ergreifen. Die Mitarbeiter im Hotel sind geduldig und bemühen sich, den Gästen all diese Vorgaben zu verklickern. Die Leute beobachten sich argwöhnisch dabei, ob sich alle benehmen.

Es ist halt Pandemie

Am Nebentisch echauffiert sich die Dame mit der Unfruchtbarkeitsvermutung von vorhin über die Zustände hier. So war sie das nicht gewöhnt, erklärt sie dem Kellner. Der meint, es wäre halt eine Pandemie. Und wir halten doch zusammen. Die Dame bringt alles konzentriert aufs Tapet, was sie als Entgegnung vorzubringen hat, wie die Tierfarmen in China und auch die Labore, den absichtlich verbreiteten Virus, der allerdings nicht gefährlich ist, wenn das Immunsystem intakt ist, es gäbe überhaupt Tees, die man trinken konnte. Sie plane auch nach Panama auszuwandern, angeblich der einzige Ort momentan, wo es nicht so irre zugehe. Meine Kinder versuchen dann noch einmal ins Hallenbad zu kommen, es hat aber eine Stunde früher geschlossen als angeschrieben, weil es jeden Abend komplett zu desinfizieren war.

Die nächsten zwei Tage sind aber schön. Einfach eine andere Gegend. Die Wiesen meiner Kindheit. Kühe! Beim Frühstück sieht’s ein bisschen aus wie am Flughafen, da und dort sind Eisenstangen, hinter denen man zu warten hat, wenn zu viele am Buffet sind. Aber dann gehen wir wandern. In den Bergen sind wir frei. Es sind viel weniger Leute unterwegs als sonst. Und ich kann mich an der Natur mental ansaufen mit Glück.

Mit Maske in der Seilbahn

Wir besuchen Freunde. Wir hören von den einen, warum die, die sich nicht impfen lassen, unsolidarische Trottel sind. Weil so wird das nix. Wir hören von den anderen, warum die, die freiwillig zu den Impfungen laufen, verloren hätten, Lakaien des Systems seien. Weil so wird das nix. Dazwischen fahre ich die Kinder in die Teststraße. Dort werden wir geschimpft, wieso wir kommen, die Tests hätten die Hotels selber durchzuführen. Man nimmt uns aber dran, und ich bin froh.

Am dritten Tag pfeife ich aufs Gesundheitsprogramm, und wir gehen in eine Art Prater in den Alpen, mit Hochschaubahn und Karussell. Was auch immer Usus zu sein gewesen wäre, dort trägt kein Schwein Maske, und alle laufen wild herum. Es ist fast eine Erleichterung zu sehen, dass das noch möglich war. Gleichzeitig ist es gruselig. Ich werde traurig, es schwant mir, dass es wohl dauern kann, bis wir wissen, wo wir da rauskommen. Bis wir gelernt haben, mit dem Virus zu leben. Und bis sich die Meinungen gesetzt haben.

Sie zeigt mir die Zunge

Am letzten Abend erlaube ich den Kindern gnädig, sich vor die Glotze aufs Hotelzimmer zu verziehen. Ich beschließe, noch einmal mit der Gondel auf die Mittelstation zu fahren, allein. Es ist schon spät, beinahe die letzte Fahrt. Kein Mensch mehr weit und breit. Der Herr von der Seilbahn deutet mir ans Gesicht. Dann sitze ich also allein in der Gondel für 100 Personen und habe eine Maske auf. Ich erblicke in ewiger Liebe den Wilden Kaiser, der sich immer prächtiger aufbaut, als man ihn in Erinnerung hatte. Da kommt die Gegengondel an mir vorbei. Drin sitzt die kritische Dame vom Hotel. Zieht sich die Maske herunter und zeigt mir die Zunge. Recht hat sie oder auch nicht. (Heidi List, 18.6.2021)