In Proben vom Grund der arktischen Baffin Bay, einem Randmeer des Atlantischen Ozeans zwischen Grönland und Kanada, fanden Forscher DNA-verzehrende Mikroben.

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Desoxyribonukleinsäure – kurz DNA – ist nicht nur Träger der Erbinformation aller Lebewesen, sie dient einigen Mikroorganismen am Grund des Atlantiks auch als Nahrungsquelle, wie internationale Wissenschafter nun herausgefunden haben. Sie zerschneiden die DNA dazu quasi in mundgerechte Stücke, bevor sie diese verspeisen. Ein von dem Team um Kenneth Wasmund und Alexander Loy von der Universität Wien neu benanntes Bakterium ist sogar ein wahrer Experte in der DNA-Verwertung.

Nahrhafter Zucker

"DNA ist aus Perspektive der Bakterien besonders nahrhaft", sagt Wasmund. "Sie ist im Grunde ein Dünger, schließlich besteht sie aus einer Kette von Millionen von Zucker-Molekülen und phosphor- und stickstoffhaltigen Basen." Extrazelluläre DNA wird vor allem dann frei, wenn ein Organismus stirbt, und ist daher reichlich in der Umwelt vorhanden.

Mikroben, die diese und andere Biomoleküle abbauen, spielen in den globalen biogeochemischen Kreisläufen eine wichtige Rolle, weil sie organisches Material aus dem Ozeanwasser recyceln und dadurch auch beeinflussen, wie viel Kohlenstoff in den Meeresboden gelangt. Jedoch sind nicht alle Mikroorganismen in der Lage, DNA als Nährstoff zu nutzen.

Proben aus der Baffin Bay

Für die Studie sammelten Forscher der University of Calgary in Kanada Proben des Meeresbodens in der Baffin Bay, einem arktischen Randmeer des Atlantischen Ozeans zwischen Grönland und Kanada. Um in diesen Proben DNA-fressende Mikroben zu identifizieren und zu charakterisieren, nutzte das Team eine Reihe experimenteller, analytischer und bioinformatischer Methoden.

"Möglich waren die anspruchsvollen Mikrobiom-Analysen, weil wir hier aus der Expertise aller vier Abteilungen unseres Zentrums schöpfen und auf eine exzellente Forschungsinfrastruktur zurückgreifen konnten", berichtet Alexander Loy, Leiter der Forschungsgruppe an der Universität Wien.

In Laborexperimenten fütterten die Forscher die Bakterien mit gereinigter DNA, die sie mit schweren Kohlenstoffatomen (13C) isotopisch markiert hatten. Unter anderem mittels eines spezifischen Isotopenbildgebungsverfahrens konnten sie anschließend den schweren Kohlenstoff verfolgen und daher sehen, welche Bakterien die markierte DNA abbauten. Darüber hinaus entschlüsselten die Wissenschafter die Genome der DNA-verwertenden Mikroorganismen und konnten daraus ihr enzymatisches Potential und damit ihre Funktion ableiten.

DNA-abbauende Enzyme

Die metagenomische Analyse zeigte, dass die Bakterien mit DNA-abbauenden Enzymen – sogenannten extrazellulären DNasen – ausgestattet sind, die es ihnen ermöglichen, die DNA zu verkleinern, damit sie sie in die Zelle aufnehmen und verzehren können. Eine Bakterienart stach dabei hervor, weil sie über ein besonders ausgefeiltes Instrumentarium zum Abbau von DNA verfügte. Ihren Appetit auf DNA trägt sie nun im Namen: Das Forschungsteam nannte sie Izemoplasma acidinucleici.

Manche Mikroben stehlen anderen dann sogar die vorgeschnittenen Bissen, wie die Forscher im Fachjournal "Nature Microbiology" berichten. "DNA-Fresser der Familie Fusibacteraceae haben anscheinend keine eigenen extrazellulären DNasen, sondern essen die 'mundgerechten DNA-Stücke', die von anderen Bakterien produziert werden, einfach mit", so Loy. (red, 21.6.2021)