Laut den Türkisen habe es Korruption doch immer gegeben.

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Die Türkisen haben Blut geleckt. Köstliches Österreicherblut mit der Reinheitsgarantie des ius sanguinis. Diese Reinheit für alle Zukunft zu erhalten, ist die Kurz-Truppe zu allem bereit, was der Erhaltung ihrer Mehrheit dient. Dabei reicht ihr die nackte Angst, ihre Mehrheit könnte durch die Blutauffrischung eines leichteren Zugangs zur österreichischen Staatsbürgerschaft gefährdet sein. Wie ein Verhungernder auf ein Stück Brot hat sich der Bundeskanzler auf die SPÖ gestürzt, die endlich einmal ohne Rücksicht auf Opportunisten in den eigenen Reihen etwas längst Fälliges vorgeschlagen hat und dabei Kante zeigt. Und er hat seinen Wöginger auf sie angesetzt, der sich für ihn blamieren durfte, indem er ohne gesicherte Datengrundlage von der teuflischen Intrige schwadronierte, die "Linksparteien" wollten mittels Masseneinbürgerungen die Mehrheitsverhältnisse im Lande ändern.

Der Kanzler ist derzeit besonders froh über jede Ablenkung von seiner Regierungskunst, da soll es weder auf Fakten ankommen noch auf eine demokratiepolitisch saubere Antwort auf die Frage, wie lange man Menschen, die gut integriert und steuerzahlend in Österreich leben, das Recht auf Mitbestimmung, wie es der Pass mit sich bringt, verwehren soll. Warum auch, wenn man mit dem Schüren von Angst vor einer Umvolkung die SPÖ in die Ecke des Vaterlandsverrats rücken und der neuen alten Kickl-FPÖ ein paar Wähler abspenstig machen kann?

Weder das eine noch das andere wird gelingen. Die dafür nötige Glaubwürdigkeit hat Sebastian Kurz verspielt. Er kann auch nicht erklären, warum das zweifellos wertvolle Gut eines österreichischen Reisepasses wertvoller sein soll als der Pass anderer Staaten, die längst Regelungen haben, wie Kurz sie zur nationalen Bedrohung aufbauscht, wo es ihm nur um Ablenkung und Wählerstimmen geht. Da müssen Menschenrechte eben zurückstehen.

Und dann ist da dieses Volksbegehren. Nicht nur bei den Menschenrechten, auch in Sachen Korruptionsbekämpfung liegt Österreich hinter anderen Staaten zurück. Nun haben sich Betreiber gefunden, die fordern, dass damit endlich Ernst gemacht wird. Und wieder glänzt der Bundeskanzler mit einem Ablenkungsmanöver. Er will das Volksbegehren unterstützen, wobei ihm die "Stärkung einer unabhängigen Justiz" ein Herzensanliegen sei.

Klar, das Volksbegehren richtet sich gegen Korruption überall. Aber die Nation darf sich gepflanzt fühlen, wenn ein Bundeskanzler sich plötzlich als Unterstützer aufdrängt, dessen politische Machenschaften dieses Volksbegehren erst evoziert haben. Sein Engagement leidet auch darunter, dass sein Bekenntnis gar nicht anders ausfallen konnte, also erzwungen wirkt, und das umso mehr, als die plötzlich erwachte Leidenschaft für eine unabhängige Justiz in einem so grellen Gegensatz zu den türkisen Aktionen seit 2017 steht, dass man nur noch von politischer Schamlosigkeit sprechen kann.

Bisher versuchten die Türkisen ihr Wirken mit der Behauptung zu verharmlosen, Korruption habe es doch immer gegeben. Sie müsste allerdings längst abgeschafft sein, wäre an der großspurigen Ankündigung eines neuen, anderen Regierens etwas Wahres gewesen. Eingetreten ist das Gegenteil. Allmählich werden die Schwarzen nervös. (Günter Traxler, 18.6.2021)