Freiheiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiit!

Die Rivalität Schottlands mit England, behandelt auch im Film "Braveheart" mit Mel Gibson, ist noch etwas älter als der Fußball.

Foto: imago/Cinema Publishers Collecti

Euro-Ticker: Schweden vs. Slowakei, Kroatien vs. Tschechien, England vs. Schottland, Fr. ab 15 Uhr

Die freitägige Abendpartie in der Gruppe D schaut nach einer gmahten Wiesn aus. No na ist England Favorit. Schottland, wenn überhaupt, ein Underdog. England hat zum Auftakt Vizeweltmeister Kroatien mit 1:0 geschlagen, Schottland war Tschechien 0:2 unterlegen.

In der Herzkammer des Gegners – in Wembley – wird für die Schotten wohl auch nicht viel zu holen sein. Auch wenn mehr als 2000 schottische Fans anreisen werden, praktisch ein Regiment der "Tartan Army", das in die mittlerweile 115. Schlacht gegen den und mit dem "auld enemy" zieht.

Die gerade gegen England stets so kämpferische "First Minister", Nicola Sturgeon, twitterte Aufmunterungen. Die schottische Times, eher der Unaufgeregtheit verpflichtet, erwog stattdessen nach dem Tschechien-Match: "Es stellt sich heraus, dass es ein Vorteil ist, sich 23 Jahre lang für nichts zu qualifizieren. Es erspart einer Nation und ihren Fußballern Entwertung und furchtbare Enttäuschung vor Millionen von Zuschauern."

Seltener Gast

Im europäischen Rahmen trat Schottland überhaupt nur zweimal auf: 1992 und 1996. Beide Male schieden die Bravehearts nach der Vorrunde aus. Ein Schicksal, das auch diesmal nicht sehr unwahrscheinlich ist. Die Gesamtbilanz der Begegnungen trügt da ein wenig. Von den 114 Mal, da die zwei Großen unter den britischen Teams gegeneinander angetreten sind, hat Schottland immerhin 41 gewonnen, 25 Mal endete die Partie remis.

Aber die Geschichte dieser Länderspiele reicht halt weit zurück. Und die Geschichte ist es auch, was England versus Schottland stets erzählenswert macht. Denn diese Geschichte erzählt ja von der Geburt und der Kindheit des Fußballspiels in seiner heutigen – manchmal fast sogar erwachsenen – Weise.

Wer die Mutter und wer der Vater ist, lässt sich nicht mehr sagen. Aber England und Schottland waren jedenfalls die Eltern dieses modernen Fußballs. Auf die Welt gekommen ist dieses Kind in den hart machenden Eliteschulen Englands. 1863 wurden mit der Gründung der Football Association in der Londoner Freemason's Taverndie zu ruppigen Rudelbildungen neigenden Raufhandelkicks erstmals in halbwegs vertretbare Regeln gefasst. Dort, wo sich die Raufballesterei schon etabliert hatte, sprach man dann von dieser feineren Spielweise als vom Football nach den Association-Regeln, vom Soccer.

Gareth Southgate (li.) und Steve Clark – zwei neue Coachansätze in einer alten Geschichte.
Foto: AFP/ JUSTIN TALLIS and ANDY BUCHANAN

Zwei Weltanschauungen

Der war freilich immer noch geprägt von der rauen Art der jungen Adelsbuben. Es bedurfte der schottischen Schule. Ein erstes Kräftemessen fand noch vor der Gründung des schottischen Verbandes 1873 statt. Am 30. November 1872 in Glasgow. Es endete 0:0.

Während in England lange Zeit eine der körperbetonten, raumgreifenden Rasanz verpflichtete Spielweise gepflegt wurde, lernten die Schotten bald, die Vorzüge des flachen Kurzpassspiels zu schätzen. Diese beiden Weltanschauungen exportierte die Insel nicht nur auf den Kontinent. Sondern – Britannia rules ja noch – in die ganze Welt, wo es weiter geformt und entwickelt worden ist. Cultural Appropriation, gewissermaßen. Und Gott sei Dank auch nicht mehr zu canceln.

Die Schotten inspirierten die Mitte des Kontinents zum scheiberlnden "calcio danubiano". Der hielt sich mit seiner europäisierten "schottischen Furche" des 2-3-5 lange Zeit gegen das englisch inspirierte Taktikkonzept des FC Arsenal, das 3-2-2-3. Um dann, zum Beispiel, als Tiqui-Taca neue Furore zu machen.

Wer ein bisserl genauer hinschaut, erkennt bis heute die Elternart in den Kindern. Aber auch in den Eltern selbst. Die sind halt alt geworden. England – sagen wir, das ist die Mutter – hat sich aber neu erfunden. Coach Gareth Southgate hat seine Buben ein wenig schottischer gemacht. Und deutscher auch, Klopp’scher. Kollege Steve Clarke darf sich also warm anziehen. So er das nicht eh schon getan hat. (Wolfgang Weisgram, 18.6.2021)

Mögliche Aufstellungen zum Fußball-EM-Spiel England – Schottland am Freitag in London:

Gruppe D, 2. Runde:

England – Schottland (London, Wembley-Stadion, 21.00 Uhr MESZ/live ORF 1, SR Mateu Lahoz/ESP)

England: 1 Pickford – 2 Walker, 5 Stones, 6 Maguire, 12 Trippier – 4 Rice, 14 Phillips, 19 Mount – 11 Rashford, 10 Sterling, 9 Kane

Ersatz: 13 Ramsdale, 23 Johnstone – 15 Mings, 3 Shaw, 16 Coady, 21 Chilwell, 22 White, 24 James, 7 Grealish, 8 J. Henderson, 17 Sancho, 25 Saka, 26 Bellingham, 20 Foden, 18 Calvert-Lewin

Schottland: 1 Marshall – 24 Hendry, 16 Cooper, 5 Hanley – 2 O'Donnell, 4 McTominay, 8 McGregor, 7 McGinn, 3 Robertson – 9 Dykes, 10 Adams

Ersatz: 12 Gordon, 21 McLaughlin – 13 Taylor, 15 Gallagher, 22 Patterson, 26 McKenny, 14 Fleck, 17 Armstrong, 18 Turnbull, 20 Fraser, 23 Gilmour, 25 Forrest, 11 Christie, 19 Nisbet

Fraglich: 6 Tierney (Wade)