Einen Tag vor den Wahlen waren es statt sieben Kandidaten nur noch vier: Einiges ist bei dieser iranischen Präsidentschaftswahl anders als sonst, aber dass kurz vor dem Termin am Freitag Kandidaten zugunsten anderer aufgeben, ist Usus. Ihren Rückzug gaben der der aktuellen Regierung von Hassan Rohani nahestehende Mohsen Mehralizadeh und die zwei Hardliner Saeed Jalili und Alireza Zakani bekannt.

Anders als sonst ist, dass sogar das iranische Innenministerium diese Wahl als nur "schwach kompetitiv" bezeichnet: Laut allen Umfragen steht der Sieger fest, Justizchef Ebrahim Raisi (60). Der Wächterrat, der die Kandidaturen absegnet oder – fast alle – verwirft, hat Raisi bereits im Vorfeld den stärksten Gegner aus dem Weg geräumt, Ex-Parlamentspräsident Ali Larijani. Auch die Proteste von dessen Bruder Sadegh Larijani, selbst Wächterratsmitglied und früherer Justizchef, haben nichts genützt.

Wahlkampf für Ebrahim Raisi: Er punktet vor allem bei konservativen Wählern, viele andere werden den Urnen am Freitag fernbleiben.
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Sogar der religiöse Führer, Ali Khamenei, äußerte öffentliches Unbehagen über die Disqualifizierung Larijanis – ließ es jedoch dabei bewenden. Stattdessen nahm er einmal mehr beim Narrativ der ausländischen Verschwörung Zuflucht: Die "Feinde des Iran" seien gegen diese Wahlen.

Kein Wettbewerb

Dass niemand, der nicht regimekonform ist, zu Wahlen antreten darf, ist Teil des Systems der Islamischen Republik. Aber Wettbewerb – und manchmal auch überraschende Ergebnisse – waren bei früheren Urnengängen durchaus möglich. Umfragen bestätigen, dass diesmal, angesichts des Angebots, das Interesse der von den Wirtschaftssanktionen und der Corona-Pandemie erschöpften Wähler und Wählerinnen abgesackt ist. Eine niedrige Wahlbeteiligung wird in Kauf genommen: Darüber täuschen auch die Mobilisierungsversuche von oben oder Raisis Themensetzung – Korruptionsbekämpfung, ein Problem, das viele anspricht – nicht hinweg.

Raisi ist ein Kandidat, an dem die Hardliner nichts aussetzen können. Ein konservatives Frauenbild ist garantiert.
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Es geht am Freitag eben nicht nur darum, wer achter iranischer Präsident wird. Dass in seiner ersten oder zweiten Amtszeit der Wechsel ganz oben an der Staatsspitze erfolgt, ist sehr wahrscheinlich. Khamenei ist 82 Jahre alt und seit Jahren krank.

Raisi wurde in der vergangenen Zeit immer wieder auch als möglicher Khamenei-Nachfolger genannt, wenngleich seine Gegner ihm die religiöse Qualifikation dafür absprechen. Ob sein Wechsel in die Präsidentschaft seinen weiteren Aufstieg wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher macht, darüber gehen die Meinungen auseinander. Ali Khamenei war selbst unter Revolutionsführer Ruhollah Khomeini ab 1981 Präsident gewesen, bevor er 1989 dessen Nachfolge antrat.

Das iranische Auslandsmedium Press TV – so wie alle iranischen Medien unter der Fuchtel des Staates – sieht Raisi derzeit mit mehr als 57 Prozent vorn. Weit abgeschlagen hinter ihm liegen mit nicht einmal sechs Prozent der Revolutionsgardengeneral und Präsidentschaftswahlen-Habitué Mohsen Rezaei und mit weniger als drei Prozent der ehemalige Zentralbankchef Abdolnasser Hemmati. Der vierte, Amir Hossein Ghazizadeh, dessen Rückzug eigentlich auch erwartet wurde, wird nicht einmal mehr erwähnt. Die Prognose für Hemmati ist ernüchternd schlecht für jemanden, der sich laut Beobachtern gut geschlagen und als Pragmatiker profiliert hat. Außergewöhnlich war auch der Einsatz seiner Frau im Wahlkampf.

Wahlkampf mit Zarif

Hemmati versuchte zuletzt fast verzweifelt, die verbliebenen Anhänger der Regierung Rohani um sich zu sammeln. So versprach er, den jetzigen Außenminister Mohammed Javad Zarif, international bekannt als Atomverhandler, in seinem Amt zu belassen oder zum Vizepräsidenten zu machen. Zarif wird von den Hardlinern noch mehr gehasst als zuvor, seit eine lange Audioaufnahme von ihm bekannt wurde, in der er sich über den wachsenden Einfluss der Revolutionsgarden ausließ.

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Abdolnasser Hemmati versuchte zuletzt, die verbliebenen Anhänger der Regierung Rohani um sich zu sammeln.
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Ein paar Stimmen wird Hemmati auch vom zurückgetretenen Kandidaten Mehralizadeh erben, aber um Raisi in eine Stichwahl zu zwingen, wird das alles wohl nicht reichen. Auch Rohani und der unfreiwillig weitgehend von der politischen Bildfläche verschwundene moderate Ex-Präsident Mohammed Khatami (1997–2005) riefen zur Wahl auf, ein Appell an jene enttäuschten Wähler und Wählerinnen, die einmal an eine mögliche Reform glaubten.

Raisi wird besonders von jenen Kreisen unterstützt, die sich immer schon gegen jeden "Deal" mit den USA und demnach auch gegen das Atomabkommen ausgesprochen haben. Dennoch stellte er bei einer der Präsidentendebatten klar, dass er vom Iran eingegangene internationale Verpflichtungen einhalten werde. Unter anderem sagte er einen Satz, der erklärt, worum es bei diesen Wahlen geht: "Der JCPOA muss von einer mächtigen Regierung umgesetzt werden."

Für alles, was Khamenei noch mit der Islamischen Republik vorhat – vielleicht ein Systemwechsel weg vom direkt gewählten Präsidenten oder auch eine Reform des höchsten Amts, also seines eigenen –, braucht er einen starken Mann, bei dem auch die Hardliner Beißhemmungen haben. (Gudrun Harrer, 18.6.2021)