Teamchef Franco Foda hat sich das vermutlich ganz anders vorgestellt.

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Amsterdam – Die Niederlande haben dem österreichischen Fußball-Nationalteam seine Grenzen aufgezeigt. Nach der etwas ernüchternden 0:2-Niederlage in Amsterdam wartet auf das ÖFB-Team bei der EM ein "Finalspiel" gegen die Ukraine, das am Montag in Bukarest zwei Sieger bringen könnte. Bei einem Remis hätten beide Teams gute Chancen auf den Achtelfinal-Einzug. Teamchef Franco Foda hofft unter anderem auf die Rückkehr von Marko Arnautovic, der am Donnerstag gesperrt gefehlt hatte.

Ohne den wegen Beleidigung eines Gegners bestraften Starangreifer agierten die Österreicher in der Offensive lange Zeit harmlos. Torchancen spielte man sich erst in den letzten zehn Minuten heraus. "Wir brauchen einfach ein Spiel nach vorne, klare Passqualität", sagte Foda im Hinblick auf das Ukraine-Spiel. "Wir waren nicht entschlossen genug im Torabschluss." In vier der vergangenen fünf Länderspiele blieb die ÖFB-Auswahl ohne Torerfolg.

Remis gegen Ukraine dürfte genügen

Um erstmals in der Verbandsgeschichte bei einer EM die Gruppenphase zu überstehen, dürfte in Bukarest auch ein 0:0 reichen. Die vier besten der sechs Gruppendritten kommen ebenfalls weiter. Um den Ukrainern noch Platz zwei abzuluchsen, müsste aber der zweite EM-Sieg nach dem 3:1 zum Auftakt gegen Nordmazedonien her. "Wir haben es immer noch in der eigenen Hand, uns für das Achtelfinale zu qualifizieren", betonte Foda.

Italien potenzieller Gegner

Beendet das ÖFB-Team die Gruppenphase als Zweiter, dann geht es im Achtelfinale im Wembley zu London gegen den Sieger der Gruppe A, also sehr wahrscheinlich Italien, sofern die Azzurri auch das letzte Match gegen Wales nicht verlieren. Die Elf um Gareth Bale liegt mit vier Punkten auf Rang zwei hinter Italien (6).

Qualifiziert sich das ÖFB-Team als Gruppendritter für das Achtelfinale, müsste das Foda-Team in Glasgow gegen den Sieger der Gruppe E (Slowakei, Spanien, Schweden, Polen) oder in Bukarest gegen den Primus aus F (Portugal, Frankreich, Deutschland, Ungarn) ran.

Die Niederländer seien der Favorit in der Gruppe gewesen – und wurden dieser Rolle mit dem Gruppensieg auch gerecht. "Insgesamt haben wir uns schon mehr vorgenommen. Aber man darf nicht vergessen: Wir haben gegen eine Topmannschaft gespielt, die sehr kompakt ist und außergewöhnliche Stürmer hat", sagte Foda. Dabei hatten Memphis Depay und Co ihr Visier nicht einmal sonderlich gut eingestellt. Die Holländer ließen noch einige Chancen liegen.

"Der entscheidende Unterschied war, dass wir oft in Ballbesitz zu viele einfache Fehler gemacht haben – und dadurch den Gegner zu Kontersituationen eingeladen haben", meinte Foda. Die eigenen Umschaltmomente, die durchaus vorhanden waren, hätte man nicht gut zu Ende gespielt. "Der Gegner war sehr entschlossen im Torabschluss, wir haben oft hinten herum gespielt."

Plan gescheitert

Der Plan, mit Marcel Sabitzer und Christoph Baumgartner als Kreativspielern hinter Michael Gregoritsch zu beginnen, ging nicht auf. "Gregoritsch ist leider Gottes zu oft ins Mittelfeld gekommen – dadurch hat uns etwas die Tiefe gefehlt", sagte der Teamchef über seinen Mittelstürmer, dem gegen Nordmazedonien als Joker noch das vorentscheidende 2:1 gelungen war.

Gegen die Ukrainer dürfte Arnautovic im Sturmzentrum agieren – und damit erstmals seit November in einem Länderspiel in der Startformation stehen. Schlechter sieht es für Julian Baumgartlinger aus. Der ÖFB-Kapitän war in Amsterdam gar nicht im Kader, laut Foda wegen Adduktorenproblemen. Der Mittelfeldspieler von Bayer Leverkusen habe deswegen zuletzt zwei Tage nur reduziert trainieren können. Im Abschlusstraining habe es der 33-Jährige noch einmal versucht. "Es gab keine Möglichkeit."

Im zentralen Mittelfeld ersetzte Florian Grillitsch nach einer Stunde Konrad Laimer. Dieser habe – selbst erst von Knieproblemen genesen – nach zwei Spielen von Beginn an bereits "etwas müde" gewirkt. Eine Verletzung war laut Foda für den Wechsel aber nicht ausschlaggebend. "Wir wollten mit Florian Grillitsch neue Impulse bringen." Im Finish schob sich auch David Alaba aus der Abwehr verstärkt ins Mittelfeld – der eingewechselte Karim Onisiwo kam einem ÖFB-Treffer per Kopf noch am nächsten (85.).

Zu viele Ballverluste

"Unser Problem in der ersten Hälfte war, dass wir oft Bälle in der Vorwärtsbewegung verloren haben. Da hatten wir immer Schmerzen im Defensivverhalten", resümierte Foda. In der zweiten Hälfte habe man eine gute Spielphase gehabt. "Wir mussten aber immer wieder aufpassen, weil Holland sehr gut im Umschaltspiel ist. Jeder Ballverlust tat weh in der Vorwärtsbewegung." Und davon gab es in der Johan-Cruijff-Arena zu viele.

"Insgesamt war es im Spiel nach vorne ein bisschen zu wenig", meinte Foda. Trotz der Favoritenrolle der Niederländer hätte man den Punkt, der wohl zum Achtelfinale reichen würde, gerne schon in Amsterdam geholt. "Jetzt ist es wichtig, dass sich die Mannschaft erholt, dass wir regenerieren", sagte Foda. "Marko Arnautovic wird wieder zurückkehren. Dann haben wir gegen die Ukraine unser Finalspiel – da werden wir da sein."

Baumgartner: "Stecker gezogen"

Auch Baumgartner hob die Qualität der Niederländer hervor. "Sie haben auf manchen Positionen absolute Weltklassespieler, das muss man neidlos anerkennen. Wenn man da etwas holen will, muss man halt aus Halbchancen Tore machen", betonte der Hoffenheim-Profi.

Mehr als Halbchancen waren für die ÖFB-Auswahl auch nicht drin. "Ich glaube schon, dass wir die eine oder andere Möglichkeit gehabt haben. Absolut chancenlos waren wir nicht. Aber gerade in einer Phase, in der wir ein bisschen mehr Druck gemacht und besser die Räume gefunden haben, haben sie uns mit dem 2:0 den Stecker gezogen", sagte Baumgartner.

Der Niederösterreicher gab Probleme im Offensivspiel zu. "Wir haben es zu wenig geschafft, zwingend in die Box zu kommen, hatten nicht die perfekte Abstimmung. Gregerl (Michael Gregoritsch, Anm.) und ich sind manchmal gleichzeitig auf die Zehnerposition gekommen. Wir müssen uns ankreiden lassen, dass uns ein bisschen die Tiefe gefehlt hat", erklärte Baumgartner.

Lainer: "Qualität im eins gegen eins gefehlt"

Auch Stefan Lainer zeigte sich selbstkritisch. "Insgesamt hat nach vorne die Durchschlagskraft und vielleicht ein bisschen die Tiefe gefehlt", analysierte der Salzburger und zog ebenfalls den Hut vor der Leistung der Niederländer. "Jeder von uns hat 100 Prozent auf dem Platz gelassen, aber man muss sagen, dass sie am Ende um ein Alzerl mehr Qualität gehabt haben. Jeder war bemüht, aber es hat ein bisschen die Qualität im eins gegen eins gefehlt."

Möglicherweise wäre die Partie mit Arnautovic anders gelaufen, vermutete Lainer. "Natürlich hat uns ein Spieler wie er gefehlt, der in gewissen Situationen Überzahl schaffen kann. Aber das darf keine Ausrede sein."

Aleksandar Dragovic weiß, was nun auf ihn und Kollegen zukommt. "Wir wissen, dass wir jetzt noch eine Schippe drauflegen müssen", meinte der Innenverteidiger. Zwar habe gegen die Niederlande oft der letzte Pass gefehlt, und man habe nicht konsequent auf den Abschluss gespielt. "Dennoch glaube ich, dass wir auf den 90 Minuten aufbauen können. Wir brauchen aber nicht stolz zu sein, wir haben 0:2 verloren", meinte Dragovic. (APA, red, 18.6.2021)

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