Was wäre diese Pandemie ohne das Internet? Ohne Videocall-Software und Cloud-Speicher? Vermutlich wären die Lockdowns deutlich einsamer verlaufen, ohne Zoom-Partys und Skype-Gespräche mit Freunden oder Großeltern. Und vermutlich hätten sich Homeoffice und digitale Arbeitsweisen nicht in dem Ausmaß durchgesetzt.

Die Pandemie hat verdeutlicht, wie relevant die IT für uns ist, wie sehr wir von digitalen Tools und den Menschen, die sie entwickeln, abhängig sind – und es in Zukunft noch mehr sein werden. Der digitale Wandel wurde durch Corona vorangetrieben, viele Skeptiker haben in der Zeit etwa Remote Work ausprobiert und gemerkt: Es funktioniert besser als gedacht.

Allein Zoom ist für viele im Homeoffice zum Synonym für Videokonferenzen geworden. Der Nettogewinn des Anbieters stieg im ersten Quartal 2021 auf 227,4 Millionen Dollar (186,4 Millionen Euro) und erreichte damit mehr als das Achtfache des Vorjahreszeitraums. Der Umsatz konnte fast verdreifacht werden. In den kommenden Jahren will Zoom 500 Software-Entwickler in den USA einstellen.

Auch andere Tech-Firmen wie Amazon, Netflix oder Microsoft profitierten. Apple macht nun seine Videocall-App Facetime businessfähig und für alle zugänglich, um mit Zoom und Microsoft mitzuhalten. Aber auch Anbieter für digitale Weiterbildung und IT-Support sind gefragt, wenn viele zu Hause arbeiten.

Gesuchte Entwickler

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Software-Entwicklerinnen sind so gefragt wie nie
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Schon vor Corona waren IT-Spezialisten gesucht. Firmen berichten seit Jahren, keine Mitarbeitenden zu finden. Die Betriebe könnten ihre offenen IT-Positionen im Schnitt zu 77 Prozent füllen, heißt es vom Fachverband Unternehmensberatung und IT (Ubit). In der Regel dauert es ein halbes Jahr, bis eine IT-Stelle besetzt ist, ergab eine Bitkom-Umfrage. Derzeit fehlen laut Ubit 24.000 Spezialisten, vor allem Software-Entwickler und IT-Sicherheitsspezialisten. Auch IT-Administratoren, Cloud-Expertinnen, Data-Scientists, IT-Projektmanagerinnen und Ingenieure für KI und Robotik sind gefragt.

Auch im Vorjahr war die Nachfrage trotz Krise groß. Laut einer Analyse aller Stellenausschreibungen auf der Jobplattform Xing waren Software-Entwickler 2020 in Österreich die meistgesuchten Fachkräfte. Für Daniel Marwan ist das keine Überraschung: "Die Nachfrage ist momentan sogar höher als vor Corona, weil viele Unternehmen verstärkt digitalisieren – der Mangel hat sich eher noch verschärft", sagt der CEO des Recruitingunternehmens Epunkt, das sich unter anderem auch auf Entwickler spezialisiert hat. "In Summe sehe ich die IT-Branche als Gewinnerin, es gab keinen Einstellungsstopp, vereinzelt haben manche pausiert." Das zeige sich auch in den gestiegenen Umsätzen und in schnellem Wachstum. Auch 2021 werde laut Marwan ein "sehr gutes Jahr" werden.

Doch nicht alle kamen so gut durch die Krise, vor allem Selbstständige hatten zu Beginn weniger Aufträge – und Existenzängste. Das legt der Freelance-Barometer, für den Freelancermap, eine Projektplattform für Freiberufler und Firmen in der IT und im Ingenieur-Bereich, regelmäßig IT-Freelancer befragt hat, nahe. Nach anfangs kritischen Monaten hat sich die Situation nun stabilisiert, die Umsatzeinbußen gehen zurück. Immerhin etwas mehr als die Hälfte der befragten Freelancer bewerteten die Auftragslage im heurigen April als "sehr gut" bis "neutral", der Rest hat noch mit einer schlechten Auftragslage zu kämpfen. Auf Freelancer zurückzugreifen sei für einzelne Unternehmen aber eine Option gegen den akuten Mangel, sagt Marwan. Vor allem für sehr spezifisches Know-how und Projekte seien sie eine Ergänzung.

Alleinstellungsmerkmal wichtig

Wer sich mit Blockchain, künstlicher Intelligenz, Cloud-Systemen oder IT-Forensik auskennt, analytisch denken und gut kommunizieren und im Team arbeiten kann, punktet bei den Unternehmen. Ein fachliches Alleinstellungsmerkmal sei wichtig, betont Marwan. Der Personalberater beobachtet, dass "die IT zunehmend eine Querschnittsfunktion wird". Zum Mint-Studium (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) empfehle es sich, ein weiteres Fach zu studieren, wie etwa Jus oder Wirtschaft.

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Wer zur IT-Ausbildung noch eine Fachspezialisierung hat, komme bei den Unternehmen besonders gut an, sagt Personalberater Daniel Marwan
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Im Finance-Bereich seien Kenntnisse in Business-Intelligence gefragt, im Marketing SEO-Skills. Auch Felder wie zum Beispiel das Gesundheitswesen, Technologie, Vertrieb und Logistik, Klimaschutz oder die Telekom-Branche bieten Jobmöglichkeiten für ITler. Und umgekehrt gilt auch: Wer aus einem anderen Bereich kommt, hat gute Möglichkeiten, als Quereinsteiger mit Zusatzausbildung in der IT Fuß zu fassen.

Wer in die Branche will, hat jedenfalls eine gute Verhandlungsposition. Auch weil die Machtverhältnisse auf der Mitarbeiterseite lägen, rechnet Marwan damit, dass es in vielen IT-Firmen künftig möglich sein wird, fast nur remote zu arbeiten. "Viele wünschen sich seit Jahren mehr Freiheit, wie Homeoffice und flexible Vertrauensarbeitszeit." Das eröffne auch Rekrutierungsmöglichkeiten: Für die Firma in Wien können dann Programmierer in Tirol oder im Ausland arbeiten, Englisch ist ohnehin oft die Arbeitssprache. Das sei laut dem Personalberater eine "wirkliche Veränderung". Aber: Wir müssen erst sehen, ob das langfristig funktioniert." (set, 21.6.2021)