Eine Binnenvertriebene führt einen Esel im Lager Otash im Sudan.

Foto: ASHRAF SHAZLY / AFP

Bürgerkrieg, Anschläge und Naturdesaster, die zu verheerenden Hungersnöten führen: Wenn die Region des Horns von Afrika in europäischen Medien unterkommt, dann meist im Zusammenhang mit schweren Katastrophen – die Wahl in Äthiopien am Montag, an der es freilich auch Kritik gibt, ist schon fast eine Ausnahme. Laut den Vereinten Nationen sind fast 4,8 Millionen Menschen im Osten Afrikas, dem Horn und der Region um die großen Seen Flüchtlinge. Mehr als doppelt so viele sind in den eigenen Ländern auf der Flucht, sind sogenannte Binnenvertriebene.

Die meisten von ihnen, nämlich fast drei Millionen Menschen, befinden sich in Somalia, gefolgt von 2,7 Millionen in Äthiopien und 2,6 Millionen im Sudan.

Dabei werden eher Frauen vertrieben und ihr Anteil an der Population der Geflüchteten ist oftmals höher als in der Bevölkerung an sich. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Männer und Buben eher für Armeen und Milizen rekrutiert werden und somit auch eher im Kampf sterben.

Gemeinsamkeiten der Frauen

Und eben den weiblichen Betroffenen in den Krisenländern des Horns von Afrika will ein Frauennetzwerk mit Vertreterinnen aus der Diaspora helfen, das sich jüngst in Wien gebildet hat. "Die Sicherheit der Frauen in der Region ist eines der am meisten vernachlässigten Themen", ist sich Eiman Abulgasim Seifeldin im Gespräch mit dem STANDARD sicher.

Die Umweltwissenschaftlerin ist eines der Gründungsmitglieder des Netzwerks und selbst aus dem Sudan geflohen. Sie stammt aus der Region Darfur und engagierte sich gegen den Genozid – bis sie selbst zur Zielscheibe der Führung wurde. "Wir haben als Frauen am Horn von Afrika viel gemeinsam", sagt Seifeldin: "Etwa, dass Vergewaltigung als Kriegswaffe eingesetzt wird oder Frauen aus Ämtern und Entscheidungspositionen ferngehalten werden." Wichtig ist ihr und ihren Kolleginnen, dass zudem weibliche Stimmen auf die Situation der Frauen vor Ort aufmerksam machen: "Bis jetzt haben wir immer mit Männern zusammengearbeitet", sagt Seifeldin: "Es gab normalerweise Solidaritätsbekundungen aber geändert hat sich nichts."

Dabei ist es mehrfach belegt, dass Frauen besonders unter Vertreibung leiden. So werden sie eher Opfer von Menschenhändlern, scheiden eher aus der Schule aus und landen eher am Rand der Gesellschaft anstatt sie mitzugestalten.

Fehlende Mediation

Studien zeigen zudem, dass Friedensverträge, an denen Frauen mitgearbeitet haben, länger halten. Doch gleichzeitig wurden sie in den vergangenen Jahren eher von solchen ferngehalten. Nur drei von zehn Friedensverhandlungen in den vergangenen drei Jahrzehnten fanden mit einer weiblichen Mediatorin oder einer Unterzeichnerin statt. Ende des Monats soll deshalb in Paris ein globaler Vertrag unter Beteiligung von Regierungen, Vertreterinnen der Zivilgesellschaft und den Vereinten Nationen aus der Taufe gehoben werden, der das ändern wird.

In dem Zusammenhang plädiert Seifeldin für Diversität: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht nur Frauen aus den Städten in solche Prozesse einbinden, sondern auch die Frauen aus den Vertriebenencamps und dem Agrarsektor müssen ihre Bedürfnisse äußern können."

Ausländische Öffentlichkeit

Doch welche Rolle kann die Diaspora überhaupt spielen, wenn es um Veränderungen in der Region geht? "Unser großer Vorteil ist, dass wir frei sprechen können und keine Verfolgung fürchten müssen", sagt Asia Abdulkadir, die als Kind aus Eritrea nach Deutschland geflüchtet ist. So habe die Gemeinschaft im Ausland unter anderem im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in Eritrea beweisen, dass sie wichtig sei, um Informationen an die Öffentlichkeit zu bringen. Videos und Zeugenaussagen von Folter durch die Führung seien so in die Medien gelangt.

Seifeldin fügt hinzu, dass auch während der Proteste im Sudan in den Jahren 2018 und 2019 viel Koordinationsarbeit von Geflüchteten geleistet worden sei: etwa die Organisation von Kundgebungen via Sozialer Medien. Aber die Möglichkeiten der Diaspora sind enden wollend, gibt Abdulkadir zu: "Ich bin mir sicher, dass eine Lösung der Probleme am Horn von Afrika nur in Sicht ist, wenn sie unter der Führung der lokalen Bevölkerung stattfindet, denn am Ende des Tages sind wir nur im Exil." (Bianca Blei, 20.6.2021)