Im Stadion-Center in Wien-Leopoldstadt finden regelmäßig Flohmärkte statt. Ein Disput über einen Park- und Standplatz dort hat eine 65-Jährige nun mit den Vorwürfen der versuchten Nötigung und Körperverletzung vor Gericht gebracht.

Foto: Christian Fischer

Wien – "Haben Sie eine Erklärung für die Fußverletzung von Frau N.?", fragt Richter Thomas Kreuter die Angeklagte Eva K., eine 65-jährige pensionierte Pädagogin. "Die kann auch schon vorher gewesen sein. Noch einmal: Ich bin mir keiner Schuld bewusst", antwortet die Unbescholtene bestimmt. Und bleibt damit dabei: Sie sei am 14. August der 59 Jahre alten Verletzten N. nicht mit dem Auto über den Fuß gefahren.

Ereignet hat sich der Vorfall im Stadion-Center in Wien-Leopoldstadt, wo in der Parkgarage, wie so oft an einem Freitag, ein Flohmarkt stattfand. Die Angeklagte borgte sich das Auto eines Bekannten aus und fuhr in den zweiten Bezirk, um ihre Waren feilzubieten. Sie steuerte offenbar ihren Stammplatz an – auf dem allerdings N. stand.

Zur Erklärung: Aus Sicht der Ankommenden war links eine Wand, dann drei durch Streifen markierte Parkplätze. Angeklagte K. sagt, sie wollte den Stellplatz links neben der Wand, Frau N. sei nahe dem Streifen zwischen linkem und mittlerem Parkplatz gestanden.

"Dann war die Dame plötzlich weg"

"Ich bin hingerollt und habe das Beifahrerfenster heruntergelassen. Die Dame hat gesagt, sie reserviert den Platz für eine Freundin. Ich habe gesagt, dass es hier laut Veranstalter keine Reservierung gibt, und bin wieder losgerollt. Ich habe mir gedacht, dass sich das leicht ausgeht, und habe auch nichts bemerkt. Dann war die Dame plötzlich weg. Als ich ausgestiegen bin, ist die Dame auf dem Popo gelegen", schildert die Angeklagte.

"Warum fahren Sie überhaupt in den Parkplatz ein, wenn dort jemand steht?", will Staatsanwalt Christoph Wancata von der wegen versuchter Nötigung und Körperverletzung angeklagten Pensionistin wissen. "Weil ich gerne auf dem Parkplatz stehe", lautet die leicht trotzige Antwort.

Zeugin N. erzählt bei ihrem Auftritt eine viel dramatischere Geschichte. Die im Sozialbereich tätige Akademikerin half damals einer Freundin. "Ich war gegen 12 Uhr dort, meine Freundin verspätete sich aber", erinnert sie sich. Sie sei auf dem mittleren der drei Parkplätze gestanden und habe fragenden Lenkern erklärt, dass hier reserviert sei und ihre Freundin bald kommen werde. Die hätten das alle akzeptiert.

Fuß von Autoreifen festgeklemmt

Bei Frau K. sei das nach Darstellung der Zeugin nicht so gewesen. Die sei herangefahren, habe verlangsamt, dann aber ohne weitere Kommunikation Vollgas gegeben und sei in die dritte Parklücke eingebogen. Dabei sei K. ihr über den linken Fuß gefahren und habe ihr Knie touchiert. Damit nicht genug: Die Angeklagte sei mit dem rechten Vorderreifen ihres Autos auf dem linken Fuß stehen geblieben, und sie habe sich nicht befreien können. Erst als ein Passant herangelaufen kam und auf K.s Autodach hämmerte, habe die Angeklagte den Rückwärtsgang eingelegt. So sei sie befreit worden und nach hinten umgefallen, erzählt die Zeugin.

Nur: So, wie N. es schildert, kann es nicht gewesen sein, stellen Richter Kreuter, Gerichtsmediziner Wolfgang Denk und Staatsanwalt Wancata einmütig fest. Wenn die Zeugin in der mittleren Parklücke mit Blickrichtung Fahrbahn stand, hätte die rechts abbiegende Angeklagte ihr entweder über den rechten Fuß fahren müssen. Oder hätte sie frontal gerammt, was aufgrund der Verletzungen aber ausgeschlossen ist.

Großzügiges Parkplatzrevier

Den Richter interessiert zunächst aber noch etwas anderes. "Wie viele Parkplätze haben Sie blockiert?", fragt Kreuter die Zeugin. "Ich habe eigentlich gar keinen blockiert", antwortet die. "Ich formuliere es anders: War jeder der drei Parkplätze von einem Fahrzeug ohne Probleme benutzbar?", versucht es der Richter. "Nein, so gesehen nicht. Ich bin am mittleren gestanden." – "Und hätte Ihre Freundin nur diesen einen Parkplatz gebraucht?" – "Nein, sie hatte einen Anhänger." Wie sich herausstellt, sah N. sehr wohl auch den Wunschplatz der Angeklagten als Teil ihres Reviers.

Noch etwas stört Kreuter: "Bei der Polizei haben Sie noch gesagt, dass die Angeklagte Sie vor dem Unfall angesprochen hat und Sie mit ihr gesprochen haben. Davon war heute keine Rede mehr." – "Ein Gespräch war das sicher nicht! Ich habe gesagt, der Parkplatz ist besetzt!", lautet die doch patzige Replik.

Verletzte empört sich über Richter

Sachverständiger Denk bohrt ebenfalls nach, er mag nicht glauben, dass K.s Auto tatsächlich sekundenlang auf dem linken Fuß der Zeugin stand. Er arbeitet auch heraus, dass der grundsätzliche Ablauf plausibler ist, wenn man der Darstellung der Angeklagten folgt. "Haben Sie sich vielleicht zum linken Parkplatz hinbewegt? Das würde nämlich erklären, warum Ihr linker Fuß überfahren wurde", sekundiert der Richter. "Warum sollte ich so etwas tun?", kontert die Zeugin. "Vielleicht, weil Ihre Freundin sogar zwei oder drei Parkplätze braucht?" – "Ich finde das unglaublich! Aber ich bin in einer Gerichtsverhandlung und ganz lieb und still", unterdrückt die Zeugin, die 6.000 Euro für die Fuß- und Knieprellung von der Angeklagten will, ihren Zorn.

Den sie bis zum nächsten Termin am 2. August verrauchen lassen kann. Denn der einzig bekannte unabhängige Zeuge des Unfalls ist unentschuldigt nicht erschienen, Kreuter muss also vertagen. (Michael Möseneder, 20.6.2021)