Leonore Gewessler sieht in E-Autos die Zukunft. Seit Amtsantritt sei die Neuzulassungsquote von drei auf zwölf Prozent gestiegen, sagt sie.

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Klimaschutz hätte eines der großen Themen des ersten Regierungsjahres von ÖVP und Grünen werden sollen. Doch die Corona-Pandemie hat viele Vorhaben in die Länge gezogen. Darüber hinaus gibt es nach wie vor inhaltliche Differenzen zwischen den Koalitionspartnern. Zuletzt hat der Entwurf des Klimaschutzgesetzes, das sich noch in der Abstimmung befindet, für Wirbel gesorgt. Die ÖVP-nahe Wirtschaftskammer kritisierte das Papier heftig. Im nächsten halben Jahr will die grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler die Ökosteuerreform umsetzen. Bisher sind noch einige Punkte offen, allen voran der angekündigte CO2-Preis. Dass dieser kommen wird, hält Gewessler für fix. Zu weiteren Details der Ökosteuerreform hält sie sich bedeckt.

STANDARD: Der Entwurf des Klimaschutzgesetzes hat für viel Aufregung gesorgt. Wo stehen die Gespräche mit der ÖVP?

Gewessler: Wir sind mittendrin in den Verhandlungen. Wir haben uns in der Erarbeitung das alte Klimaschutzgesetz angeschaut und wissen, dass die Zeit drängt. In der Vergangenheit kam es häufig vor, dass, wenn ein Klimaziel nicht erreicht wurde, man in die Runde gefragt hat, ob es Ideen gibt. Dann gab es ein Schulterzucken, und es ging weiter wie bisher. Das können wir uns nicht mehr leisten. Wenn wir die Ziele verfehlen, werden wir Zertifikate zukaufen müssen. Dann zahlen wir am Ende der Periode, also 2030, neun Milliarden Euro an Länder, die es geschafft haben, ihre Klimaziele zu erreichen.

STANDARD: Glauben Sie, dass die Volkspartei dem Paket zustimmen wird?

Gewessler: Uns eint die Zielsetzung, dass wir ein wirksames Klimaschutzgesetz brauchen. Es kann nicht so sein wie in der Vergangenheit. Ein Schulterzucken reicht im Klimaschutz nicht. Wir brauchen im Gesetz verbindliche Mechanismen. Ich werde mich sicher nicht von altem Denken bremsen lassen.

STANDARD: In Österreich soll 2022 ein CO2-Preis eingeführt werden. Zu hören ist darüber wenig. Wie weit ist das Großprojekt schon vorangeschritten?

Gewessler: Wir arbeiten gerade an der Ökosteuerreform, die nächstes Jahr kommt. Der Internationale Währungsfonds hat Österreich erst vor wenigen Tagen dazu aufgefordert, rasch einen CO2-Preis umzusetzen. Innerhalb der Koalition haben wir vereinbart, dass wir die Reform fertig erarbeiten und das Gesamtmodell dann gemeinsam präsentieren.

STANDARD: Wird es in Österreich einen Ökobonus geben?

Gewessler: Dass die Entlastungsseite gut designt wird, ist ganz zentral. Jene, die sich klimafreundlich verhalten, sollen einen Nutzen haben. Wer sich bewusst für klimaschädliches Verhalten entscheidet, mit einem großen SUV durch die Innenstadt fährt, zahlt dann auch einen gerechten Preis dafür. Momentan ist das System so, dass die Allgemeinheit den Preis zahlt – und das ist auch nicht fair. Wir wollen einen CO2-Preis, der eine ökologische Lenkungswirkung hat und sozial ist.

STANDARD:Wie hoch wird der Preis sein?

Gewessler: Das werden wir gemeinsam bei der Gesamtpräsentation bekanntgeben, derzeit entwickeln wir noch das beste Modell – beim Preis und bei der Entlastung.

STANDARD: Wird es einen fixen Preis geben, oder wird dieser langsam steigen?

Gewessler: Wir schauen uns viele Modelle an – und die haben alle eines gemeinsam: Es gibt einen Einstiegspreis und einen vorhersehbaren, ansteigenden Pfad, damit auch eine Planbarkeit gegeben ist.

STANDARD: Ich höre, Sie wollen also noch keine Details nennen. Wann wird das Paket denn präsentiert werden, und wann soll es beschlossen werden?

Gewessler: Wir haben der EU eingemeldet, dass wir die Ökosteuerreform im ersten Quartal 2022 umsetzen. Wir werden daher noch heuer ein Modell präsentieren, damit es zeitgerecht beschlossen werden kann.

STANDARD:Was ist das Verhandlungs-Ass im Ärmel der Grünen, um die Reform durchzusetzen?

Gewessler: Wir haben uns mit der ÖVP darauf geeinigt, dass wir das machen, und ich werde nicht lockerlassen, eine gute Ökosteuerreform auch umzusetzen.

STANDARD: Das Koalitionsabkommen wurde vor Corona und damit ohne die Folgen der Pandemie beschlossen. Wie sollen die weitreichenden Klimapläne angesichts des Budgetdefizits finanziert werden?

Gewessler: Ich glaube, die Frage muss anders gestellt werden. Wenn wir jetzt nicht massiv in den Klimaschutz investieren, haben wir später finanzielle Kosten, die deutlich höher sind als das, was wir jetzt investieren. Es ist hundertmal sinnvoller, jetzt zu investieren, als später Strafe zu zahlen.

"Momentan ist das System so, dass die Allgemeinheit den Preis zahlt – und das ist nicht fair", sagt Ministerin Gewessler.
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STANDARD: Wann wird der letzte Verbrenner auf Österreichs Straßen unterwegs sein?

Gewessler: Der Verbrenner war über eine lange Zeit die beste Möglichkeit, um von A nach B zu kommen. Wir haben in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten enorme technische Entwicklungen erlebt und jetzt eine bessere Alternative – die E-Mobilität. Die Menschen sind auch bereit für den Umstieg. Bei meinem Amtsantritt war die Neuzulassungsquote bei E-Autos bei drei Prozent, jetzt sind wir bei zwölf Prozent. Zahlreiche Autobauer haben schon gesagt, dass sie zu reinen E-Konzernen werden. Viele Länder haben sich genaue Daten für den Umstieg gesetzt: Norwegen will 2025 so weit sein, Slowenien, Niederlande und Großbritannien 2030. Deutschland hat sich 2035 als Ziel gesetzt ... und so weiter.

STANDARD: Und wann ist es denn nun in Österreich so weit?

Gewessler: Es geht darum, dass wir europaweit einen Fleckerlteppich vermeiden und ein einheitliches Umstiegsdatum bei den Neuzulassungen festlegen. Das Datum wird in Europa irgendwo um 2030 liegen müssen.

STANDARD: Ziel ist also, dass auchin Österreich ab 2030 keine Verbrenner mehr neu zugelassen werden?

Gewessler: Wir wollen 2040 klimaneutral sein. Deshalb haben wir gerade im Verkehr einen großen Auftrag, auf der Straße die emissionsfreie Mobilität umzusetzen.

STANDARD: Sie wollen kein Datum nennen?

Gewessler: Jetzt geht es um die Neuzulassungen, und das gehört europaweit geregelt. Und, wie gesagt, da werden wir rund um 2030 liegen. Das wird die Flotte sukzessive erneuern, und diese Entwicklung geht enorm schnell, das sehen wir auch in anderen Ländern. Unsere Aufgabe ist es, bis 2040 klimaneutral zu sein – das betrifft alle Sektoren.

STANDARD: Die Ökologisierung der Pendlerpauschale steht nach wie vor aus. Sie konnte trotz Homeoffice weiterhin bezogen werden. Ist das sinnvoll?

Gewessler: Das war eine Maßnahme in einer absoluten Krisensituation, weil die Menschen in Österreich auch mit dem Geld gerechnet haben. Deswegen haben wir uns dazu entschlossen, die Pauschale weiter zu zahlen. An der Ökologisierung der Pendlerpauschale arbeiten wir derzeit, sie wird gemeinsam mit der gesamten Ökosteuerreform präsentiert.

STANDARD: Im Rahmen der AUA-Rettung wurde vereinbart, dass Strecken in Österreich unter drei Zugstunden nicht mehr geflogen werden. Die Verbindung zwischen Graz und Wien besteht nach wie vor. Warum?

Gewessler: Wir haben mit der AUA sehr konkrete Klimaschutzauflagen vereinbart – sowohl für die Flotte als auch für die Strecken und für Alternativen. Die Strecke zwischen Wien und Salzburg wurde bereits eingestellt. Ausgemacht ist, dass mit dem Ausbau der Südstrecke, also mit der Fertigstellung des Koralm- und des Semmeringbasistunnels, auf der Südstrecke das Gleiche passiert. Dann ist der Zug einfach die bessere Alternative.

STANDARD: Von Graz nach Wien fährt bereits jetzt stündlich ein Zug, zum Flughafen Schwechat beinahe alle zwei Stunden. Busverbindungen gibt es auch. Muss man da wirklich auf den Ausbau warten?

Gewessler: Wir sind ja schon mitten im Ausbau der Alternativen. Es gibt bereits jetzt eine wesentlich bessere Vernetzung zwischen der Flug- und Zugstrecke.

STANDARD: Im Jahr 2020 sind die Emissionen Corona-bedingt stark gesunken. Was ist Ihre Prognose für 2021?

Gewessler: Dass 2020 ein Ausnahmejahr in der CO2-Bilanz war, ist vollkommen klar. Wir waren deutlich weniger mobil, viele Produktionen waren verlangsamt oder eingestellt. Es ist aber auch klar, dass, wenn wieder "Normalbetrieb" herrscht, die Emissionen im Vergleich dazu steigen werden. Das zeigt vor allem eines: Eine Krise ersetzt keine Klimapolitik. Deshalb werde ich jedes Jahr um jede Klimaschutzmaßnahme ringen und kämpfen und sie auch umsetzen. Seit 1990 ist Österreich eines von nur sechs Ländern in der Europäischen Union, wo es nicht gelungen ist, Emissionen zu reduzieren. Hierzulande sind sie um fünf Prozent gestiegen. Das muss sich ändern. (INTERVIEW: Nora Laufer, 19.6.2021)