Besonders auf Nintendos Konsolen gibt es immer wieder Spiele, die versuchen Spielerinnen und Spielern etwas beizubringen – man erinnere sich an "Dr. Kawashimas Gehirn Jogging" oder diverse Sprach-, Schach- und Logik-Kurse für den Nintendo DS und die Wii. Mit seinem neuen Switch-Titel "Spielestudio" möchte Nintendo nun sowohl jungen, als auch erwachsenen Spielern das Programmieren von Videospielen näher bringen.

Das Spielprinzip

Im "Interaktives Lernen"-Modus können sieben Spiele von Grund auf entwickelt werden – darunter ein Racing-Game, ein Space-Sidescroller, und ein 3D-Parcours. Es gibt auch einen zweiten Modus, und zwar das "Freie Programmieren", bei dem Spieler ohne Anleitung machen können, was sie wollen. Dort können auch alle Kreationen abgespeichert und zwischen Nutzer geteilt werden.

Gleich zu Beginn wird der Spieler auf die Probe gestellt. Es erscheint ein kleiner Charakter auf einer flachen Ebene, neben ihm schwebt ein Apfel in der Höhe. Ein Info-Kästchen erklärt – wie so oft in Spielen – die Steuerung. "Drücke B, um zu springen, bewege den Stick um zu laufen". Laufen funktioniert tadellos, beim Betätigen der B-Taste passiert aber gar nichts. Nach längerem Herumprobieren taucht ein blauer Punkt namens Bob auf und erklärt, dass das Spiel nicht funktioniere, weil es noch nicht fertig sei – ein Lichtlein geht auf.

Das Innenleben der Spiele, wie Bob sagt.
Foto: Screenshot/Nintendo

Einprägsame "Knotixe"

Bob führt den Spieler in das "Innenleben aller Videospiele auf der Nintendo Switch", und zwar ein Bildschirm, in dem das unfertige Minigame bearbeitet werden kann. Hier spielt sich der Großteil von "Spielestudio" ab. Kleine Figuren, mit eigener Persönlichkeit und verzerrter Stimme, sorgen hier dafür, dass Ideen spielbar werden. Nintendo nennt diese Wesen "Knotixe" und sie verkörpern allerlei Elemente und Funktionen, wie Objekte, Figuren, Spezialeffekte, Musik, Timer, Gleichungen, Steuerung, Kamera und Textfelder.

Jeder Knotix besitzt zudem eigene "Ports", beim Knotix der Spielfigur gibt es etwa "Vor/Zurück Laufen" und "Springen". An diesen Port kann etwa der "L-Stick"-Knotix angeknüpft werden. Wechselt man nun in die Spielansicht, lässt sich die Figur dementsprechend steuern.

Die Persönlichkeit jeder Knotix‘ ist liebevoll gestaltet.
Foto: Nintendo

Schritt für Schritt – aber wirklich

Schritt für Schritt bringt Bob dem Spieler jedes Detail des Spiels bei – aber wirklich jedes, zum Beispiel, wie man Knotixe einfügt, vergrößert, kopiert, einstellt und verknüpft. Innerhalb von sieben Lektionen, in denen jeweils ein Minigame programmiert wird, soll der Spieler so gut wie alle Funktionen und Kombinationen der mehr als 80 Knotixe erlernen.

Das erste Minigame, ein banales Zwei-Spieler-Fangenspiel, fängt mit einer äußerst flachen Lernkurve an. Ausführlich wird erklärt, welche Knotixe miteinander verbunden werden müssen um eine Spielfigur mittels L-Stick bewegen zu können, wie man sie springen lassen kann und einen Bildausschnitt für das Spielfeld wählt.

Sobald man Bälle von oben fallen lassen muss, merkt man, wie genau die Spielphysik genommen wird – die Bälle kann man mit einem gewissen "Objekt einführen"-Knotix – ja, die Namen klingen etwas seltsam – auf das Spielfeld bringen. Doch zunächst schießen sie viel zu schnell und zu oft ins Bild und zerbersten sobald sie auf ein anderes Objekt treffen. Nun muss der Spieler – Schritt für Schritt von Bob geleitet – die Intervalle und Eigenschaften des "Objekt einführen"-Knotix’ einstellen. Der Ball soll nun nicht mehr zerstörbar sein und nur noch alle fünf Sekunden in das Feld fallen.

Langatmiger Einstieg

Dieses Kapitel der interaktiven Lektionen, ist sehr simpel und doch ziemlich zeitintensiv. Zwar könnte man meinen, dass Nintendo mit dem "Spielestudio" eine jüngere Zielgruppe erreichen möchte, doch selbst diese würde ungerne derartig viel Text und Sprechblasen lesen, so unterhaltsam sie auch geschrieben werden.

Die sieben Lerneinheiten der ersten Lektion mit Bob fühlen sich an, als würde man im Unterricht von der Tafel abschreiben, ohne mitzubekommen, was man eigentlich dabei lernen soll. Jede einzelne Taste, die vom Spieler betätigt werden muss, um das Fangspiel von Grund auf zu programmieren, wird visuell gekennzeichnet. Es gibt kaum Pausen, in denen der Spieler nachdenken muss, selbst bereits erklärte und demonstrierte Schritte werden immer wieder erneut von Bob beigebracht.

Überraschend spaßig und herausfordernd

Übersprungen werden kann die 40-minütige Lektion nicht, und die ist nur so kurz, wenn man alle Texte überfliegt. Erst wenn man sie abgeschlossen hat, wird der "Frei Programmieren"-Modus, in dem Spielerinnen und Spieler alles Erdenkliche erschaffen können, freigeschalten. Und wer direkt nach der ersten Lektion den freien Modus ausprobieren möchte, wird schnell verstehen, warum der blaue Punkt Bob jedes noch so kleinste Detail erklärt und wiederholt – denn das "Spielestudio" und seine abstrakten Knotixe sind alles andere als selbsterklärend.

Es geht also zurück zu den Lektionen. Nach jedem erlernten Minigame wartet eine Reihe von Rätseln auf den Programmierer in Ausbildung. Diese Kontrollpunkte sollen das Gelernte festigen und sind äußerst gut gelungen, zumal sie kaum etwas mit dem Spiel der vorherigen Lektion zu tun haben. Im Fokus stehen die einzelnen Knotixe und wie sie miteinander kombiniert werden können, um das Spiel zu manipulieren – und dieses Mal ganz ohne Bob. Die Rätsel zu lösen wird ab der dritten Lektion wirklich herausfordernd.

Hier muss eingestellt werden, wie stark das Spielbrett auf die Kipp-Bewegung der Switch reagiert.
Foto: Nintendo
Das Murmel-Spiel aus der Vogelperspektive.
Foto: Nintendo/Screenshot

Von hier an wird "Spielestudio" erst richtig interessant. Als nächstes meistert der Spieler ein Murmel-Spiel, das mithilfe des Motion-Sensors der Switch gesteuert wird. Hier werden die Parameter und Einstellungen besonders genau, denn der Spieler muss auch die Stärke des Kipp-Sensors einstellen, die Sicht auf das Spielfeld in die Vogelperspektive umstellen und einen Zähler-Knotix programmieren, der das Minigame mit einer Fanfare beendet, sobald der Spieler fünf Äpfel eingesammelt hat. Hier macht das Lesen von Bobs Tutorial auf einmal Spaß und die Charaktere helfen dabei, die verschiedenen Funktionen und Verknüpfungen besser zu verstehen.

Die Verknüpfungen werden immer komplexer.
Foto: Nintendo/Screenshot

Perfekter Spielplatz

"Spielestudio" von Nintendo führt Spielerinnen und Spieler anfangs äußerst behutsam in die Welt des Programmierens ein – doch der Schein trügt. Hinter einer ersten einfachen Lektion verstecken sich knifflige Rätsel, die das Verständnis für Logik selbst bei erwachsenen Spielern auf die Probe stellen können. Die erlernbaren Fähigkeiten steigen rasant an und lassen den Spieler im "Frei Programmieren"-Modus seine Kreativiät ausleben. Durch den Verzicht von klassischen Nintendo Figuren, wie Mario und Toad, können sich Nutzer umso mehr auf ihre eigenen Kreationen konzentrieren.

Für Kinder, die noch nicht in einem Alter sind, in dem sie gerne Lesen, wird ein Einstieg eher schwieriger. Manche Funktionsweisen sind überraschend komplex und werden kaum erklärt – etwa die Perspektiven und die X-, Y- und Z-Achsen die verwendet werden, um die Bewegung von Objekten zu definieren. Erwachsene können gemeinsam mit Kindern sowohl ihre Kreativität als auch ihren Sinn für räumliches Denken und Logik schärfen, und nebenbei ein Verständnis für das Programmieren entwickeln.

"Nintendo Spiele Studio" ist am 11. Juni 2021 für die Nintendo Switch erschienen und kostet 30 Euro. (Tiana Hsu, 19.6.2021)