Während der Corona-Pandemie wurden Abschiebungen nach Afghanistan für einige Monate ausgesetzt, im Dezember 2020 jedoch wieder aufgenommen.

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Wien – Bundeskanzler Sebastian Kurz und Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) haben am Wochenende den Vorschlag von Justizministerin Alma Zadić (Grüne), die Rückführung von Asylwerbern nach Afghanistan zu evaluieren, zurückgewiesen. Ein Abschiebestopp "kommt definitiv nicht. Das wird es mit uns nicht geben", betonten die beiden in einer Stellungnahme. Österreich werde weiterhin sowohl freiwillige als auch zwangsweise Rückführungen durchführen.

Abschiebungen nach Afghanistan seien EU-weite Praxis und am Ende eines negativ entschiedenen Asylverfahrens notwendig, um eine glaubhafte Asylpolitik zu vertreten. Außerdem seien rund 40 Prozent der abgeschobenen Afghanen in Österreich verurteilte Straftäter, so Kanzler und Innenminister.

8.500 getötete und verletzte Zivilisten 2020

Zadić hatte sich am Freitag sehr kritisch zu Rückführungen afghanischer Asylwerber geäußert. Ohne das Innenministerium direkt anzusprechen, verlangte sie eine Evaluierung und die Berücksichtigung der entsprechenden Stellungnahmen des UNO-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR. Die Sicherheitslage im Land hat sich trotz Friedensverhandlungen mit den radikalislamistischen Taliban kaum verbessert, auch wenn es 2020 mit etwa 8.500 getöteten und verletzten Zivilisten etwas weniger Opfer gab als 2019 (rund 10.000). Rund 380.000 Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht.

Menschenrechtsorganisationen und NGOs haben in der Vergangenheit immer wieder eine Abschiebestopp in das Land gefordert. Anlässlich einer Sammelabschiebung hatte zuletzt das Wiener Institut für Dialog und Kooperation (VIDC) eine Studie vorgelegt, laut der Abgeschobene nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan kaum Chancen auf eine Reintegration in die Gesellschaft haben. In Afghanistan ist der Glaube weit verbreitet, dass nur Kriminelle aus Europa abeschoben werden, was die Rückkehrer zusätzlich stigmatisiert. Islamistischen Milizen halten die Rückkehrer für verwestlicht, was sie zu einem beliebten Anschlagsziel macht.

ÖVP will mit Westbalkan zusammenarbeiten

Kurz und Nehammer betonten erneut ihre Linie für ein "konsequenteres Vorgehen bei Rückführungen bereits vor den Toren der EU". Am Freitag hatten die beiden nach einem Gipfel in Wien angekündigt, im Kampf gegen illegale Migration noch stärker mit den Westbalkan-Staaten zusammenzuarbeiten. Nehammer hatte zuletzt u.a. mit Bosnien ein Projekt mit dem Ziel vereinbart, dass Drittstaatsangehörige aus Ländern ohne Bleibewahrscheinlichkeit in der EU direkt aus Bosnien in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden. "Es braucht eine klare Trennung zwischen Asyl und Migration – umso wesentlicher ist unser Fokus auf das Thema Rückführungen – weil es nicht sein kann, dass ein Migrant aus Bangladesch überhaupt bis nach Österreich kommt, um dann zu erfahren, dass er kein Recht auf Asyl hat." (APA, red, 20.6.2021)