Das Abspielen der Nationalhymnen vor dem Ankick: Ein nach wie vor hingebungsvoll zelebriertes Ritual bei Länderspielen.

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Abgesehen von allen spielerischen Qualitäten und Defiziten muss beim Philosophieren über Freud und Leid der österreichischen Fußballnationalmannschaft nun auch einmal eines ganz klar festgehalten werden: Im Vergleich zu anderen Nationen wie Frankreich oder Italien muss die ÖFB-Truppe von Anpfiff weg eher trotz und nicht wegen ihrer Nationalhymne spielen. Es ist nämlich so, dass einem bei der 1946 eingeführten österreichischen Bundeshymne leider schon einmal ordentlich die Füße einschlafen können. Zwickt’s mi, i man i tram – wie, was? Es geht schon los?

Ja, man muss es leider so sagen. Diese Melodie, von der man damals dachte, sie wäre wenigstens aus der Feder vom Salzburger Wahlwiener, Genie und Schmähbruder Wolferl Amadeus Mozart (was sie nach neueren Erkenntnissen ziemlich sicher nicht ist, also nicht einmal das!), diese Melodie ist für körperlich beschwingtere Tätigkeiten wie Spitzensport schlichtweg völlig ungeeignet.

Sie ist gut und schön zum Innehalten, Staats gedenken, Mahnwachen. Man muss ja wissen: Der defensive Charakter dieser Hymne wurde durchaus bewusst gewählt, um nach zwei mitverschuldeten Weltkriegen ein paar Gänge runterzuschalten. Und es stellt sich natürlich eh die Frage, ob bei ohnehin leicht chauvinistisch aufgezuckerten Kandidaten wie unserem Lieblingstroublemaker Marko Arnautović eine aggressivere Hymne nicht zu akuter Überzuckerung führen würde. Was also tun?

Haydn, Fendrich, Gigi D'Agostino

Schauen wir uns einmal die Alternativen an: Die altösterreichische Haydn-Hymne? Ist heute die Hymne Deutschlands und eine Tragödie für sich, für die es in Papa Haydns Heimat Eisenstadt ein eigenes Museum gibt. Das Fass wollen wir also nicht mehr aufmachen. Fendrichs I am from Austria? ist die Bundeshymne in Grün, wie gemacht für unglücklich verlorene Spiele (Wovon es ja doch reichlich gibt und gab).

Der Zillertaler Hochzeitmarsch ist schon als Torhymne reserviert. Gigi D'Agostinos Gashupen-Techno L'amour toujours gilt als im Happeloval beliebter Motivationsklassiker, war damals in den Austro-Charts sogar besser platziert als in Italien, würde aber wohl wieder zum Überzuckerungs-Problem führen. Dann vielleicht lieber Beethovens erhebende Europa-Hymne! Mit Text von Kurt Sowinetz (alle Menschen san ma zwida) ist sie auch gut zu austrofizieren. Nur wer versteht schon Satire?

Besser erinnern wir uns daran, wo und wann die Bundeshymne durchaus ihre Stärken hat: Bei rührenden Siegerehrungen im Stockerlplatzsport nämlich. Kurz gesagt: Wir haben es mit einer Hymne für danach zu tun. Der ÖFB könnte nun also folgenden Antrag an die Uefa stellen: Wir übernehmen ab sofort Beethovens Europahymne (mit oder ohne Sowinetz progressiv!) und spielen die nationale erst hintenraus ab. Ob das dann zu Tränen der Freude oder Trauer passiert, wäre egal, denn wenn’s flüssig wird, hat sie immer noch gepasst. (Stefan Weiss, 21.6.2021)