Der Brexit brachte für viele EU-Bürgerinnen und EU-Bürger in Großbritannien einen bürokratischen Hürdenlauf.

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Erst vorige Woche hatte das als besonders restriktiv geltende österreichische Staatsbürgerschaftsrecht für Aufregung gesorgt. Kern der Debatte: Die SPÖ schlug Erleichterungen für Einbürgerungswillige vor, die regierende ÖVP ortete darin einen linken Masterplan, der eine "neue Wählerschaft" im Land hervorbringen solle.

Eine Gruppe, die seit längerem für Lockerungen in Staatsbürgerschaftsfragen eintritt, sah sich in der Diskussion übergangen: Menschen, die Österreich einst Richtung Großbritannien verlassen haben und sich nun, nach dem Brexit, in einem Wirrwarr aus Bürokratie und Unsicherheit gefangen sehen.

Dabei wäre die Lösung für die meisten von ihnen recht einfach: Ein leichterer Zugang zur Doppelstaatsbürgerschaft, sagen sie, würde mit einem Schlag viele Probleme lösen, mit denen sie nun zu kämpfen hätten – sei es, weil sie mittlerweile einen britischen Pass haben und in Österreich als Drittstaatsangehörige gelten, sei es, weil sie stets Österreicher geblieben sind und sich nun auf der Insel mit neuen Auflagen herumschlagen müssen.

Vertrackte Konstellationen

Zur ersten Kategorie gehört Gudrun Stummer. Die 49-Jährige lebt in Manchester, ist mit einem Engländer verheiratet, hat 2012 die britische Staatsbürgerschaft angenommen und dadurch die österreichische verloren. Ausnahmen gibt es zwar, aber in der Regel gilt: Wer einen fremden Pass beantragt und erhält, verliert den österreichischen.

Das kann mitunter zu vertrackten Konstellationen führen. Stummers Mann etwa hat eine Großmutter, die in Dublin geboren wurde. Nach dem Brexit ergriff er wie viele andere Briten die Chance, auch einen irischen Pass zu bekommen und damit EU-Bürger zu bleiben. "Er hat in Österreich mit seinem EU-Pass jetzt mehr Rechte als ich", erzählt Stummer. Ihre eigene, über 70-jährige Mutter lebt in der alten Heimat: "Wenn sie künftig Pflege braucht, könnten mein Mann und ich uns um sie kümmern. Ich allerdings dürfte mich jetzt nur noch als Ehefrau eines EU-Bürgers längerfristig in Österreich aufhalten."

Genau umgekehrt liegt der Fall bei Lisi Wagstaffe, die seit vielen Jahren mit ihrem britischen Mann in der Nähe von Cambridge lebt. Die österreichische Staatsbürgerschaft hat die 52-Jährige nie aufgegeben, nach dem Brexit begann für sie ein bürokratischer Hürdenlauf.

"Zuerst habe ich eine Daueraufenthaltsgenehmigung beantragt", erklärt Wagstaffe. "Das war gar nicht so einfach, denn hier gibt es kein Meldewesen. Man braucht also andere Unterlagen, um zu beweisen, dass man schon lange im Land ist: Gasrechnungen, Kontoauszüge, solche Sachen eben." Für ihre beiden noch in Wien geborenen Kinder aus erster Ehe, die keine eigenen Verträge aus früheren Jahren vorweisen konnten, waren es Zeugnisse oder Zahnarztrechnungen: "Ich habe das gewogen: Allein für die Kinder habe ich zwei Kilo Papierkram ans Innenministerium geschickt."

Fehleranfälliges System

Die Freude über die schließlich gewährte Aufenthaltsgenehmigung dauerte nur kurz. Für EU-Bürger wurde nämlich doch ein anderes Regime eingeführt: der "settled status". Bis zum 30. Juni müssen ihn alle beantragen. Betroffene, die ihn bereits haben, klagen auch hier über Nachteile. So erhalte man etwa kein Dokument, mit dem man seinen Aufenthaltstitel bei diversen Stellen belegen kann, sondern lediglich eine elektronische Registrierung.

Deren Nachweis entpuppe sich immer wieder als kompliziert und fehleranfällig. Viele sehen sich nun gegenüber Nicht-EU-Bürgern aus Drittstaaten gar benachteiligt. Eine Facebook-Gruppe ist voll von Erfahrungsberichten und Hilferufen im Kampf gegen die Brexit-Windmühlen. Etwa wegen Computern bei Behörden oder Universitäten, für die man nicht existiert, obwohl die eingegebenen Daten richtig sind.

Zudem ist der "settled status" an den Pass gekoppelt. Wenn der abgelaufen ist, müsse man den neuen gleich einmal an das britische Innenministerium schicken, damit alles wieder verlinkt wird, erklärt Lisi Wagstaffe. Und wenn das System ausfällt, was schon passiert sei, dann habe man keinerlei Nachweis, dass man legal im Land ist: "Dann bist du bei Vermietern abgeschrieben, kannst kein Bewerbungsgespräch führen, keinen Kredit aufnehmen. Dann bist du ein Niemand." (Gerald Schubert, 21.6.2021)