Duell.

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Le Castellet – Die heftigste Watsche kassierte der Mercedes-Kommandostand noch während der Auslaufrunde. "Warum hat niemand auf mich gehört, als ich gesagt habe, dass es ein Zwei-Stopp-Rennen wird", tobte Valtteri Bottas im Boxenfunk. Spätestens seit dem Sieg von Red-Bull-Star Max Verstappen in Le Castellet, auf einer vermeintlichen Mercedes-Strecke, schrillen die Alarmglocken beim Rennstall mit dem Stern so laut wie lange nicht.

"Diese Jungs sind einfach zu schnell auf den Geraden, die haben einen Schritt gemacht", konstatierte Mercedes-Frontmann Lewis Hamilton. Selbst ein fehlerfreies Rennen brachte dem Formel-1-Rekordweltmeister am Sonntag nicht den Sieg. Und das, obwohl Verstappen in Kurve zwei nach einem Fahrfehler die Führung an ihn verlor und im weiteren Verlauf einen Boxenstopp mehr absolvierte.

Copyright geklaut

Nie seit dem Beginn der Turbo-Hybrid-Ära 2014 wirkte Mercedes angreifbarer. "Das Superteam verwelkte in der prallen, glorreichen, weißen Hitze", befand die Daily Mail poetisch. "Hamilton ist nicht mehr der Chef", schrieb die spanische As.

Red Bull stach den Weltmeister-Rennstall der letzten sieben Jahre mit einer Strategie aus, auf die Mercedes eigentlich das Copyright hat. In Ungarn 2019 und auch in Barcelona vor sechs Wochen nahm die Silberpfeil-Strategieabteilung bei Hamilton kurzfristige Platzverluste in Kauf, um mit frischeren Reifen die Siegchance zu vergrößern. Jeweils mit Erfolg.

Verstappen hatte in Frankreich die Nase vorn.
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Eins oder zwei

Auf dem Circuit Paul Ricard schien Hamilton dem Druck seines heranstürmenden WM-Rivalen sogar standhalten zu können. Auf abgenutzten Reifen presste der 36-Jährige unglaubliche Zeiten aus seinem W12, erst in der vorletzten Runde tauchte Verstappen in seinem Windschatten auf. Verteidigen konnte sich Hamilton, wie kurz zuvor auch sein Teamkollege Bottas, dann nicht mehr.

"Ich bin nicht am Boden zerstört. Ich habe den bestmöglichen Job gemacht", sagte Hamilton in einer ersten Reaktion im Ziel. Bei der Pressekonferenz stimmte er Bottas – in diplomatischerer Wortwahl – zu: "Wir hätten früher stoppen und einen Zwei-Stopp machen können. Dann hätten wir wahrscheinlich das Rennen gewonnen."

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff wehrte ab: "Es war mit Sicherheit eine Ein-Stopp-Strategie heute. Dass die nicht aufgegangen ist, liegt daran, dass sich alle drei so bekämpft haben. Red Bull hat dann halt gezockt. Es hätte in die eine oder andere Richtung gehen können – und heute ist es gegen uns gegangen."

Verzicht auf Bonus-Punkt

Das mag stimmen, doch die Joker von Mercedes scheinen nicht mehr zu stechen. Von der reinen Geschwindigkeit bewegt sich Red Bull auf einem ähnlichen Niveau, und auch der Kommandostand des Herausforderers beweist immer häufiger den richtigen Riecher. Das Resultat: Nach sieben Saisonrennen hat Verstappen zwölf Punkte Vorsprung auf den fast 13 Jahre älteren Hamilton, in der Konstrukteurs-WM ist Mercedes gar 37 Zähler im Hintertreffen.

Mercedes verpasste es zudem, den Schaden leicht zu minimieren. Der viertplatzierte Bottas hätte sich angesichts seines komfortablen Vorsprungs auf den hinter ihm fahrenden McLaren-Piloten Lando Norris bequem noch frische Reifen holen können, um Verstappen und Red Bull den Bonus-Punkt für die schnellste Rennrunde zu entreißen. Man habe auf eine Strafe für Perez gehofft, sagte Wolff.

Spielberg.
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Spielberg-Doppel

Nun steht für Red Bull ein doppeltes Heimspiel an. Am kommenden Sonntag und am 4. Juli wird jeweils auf dem Red-Bull-Ring in Spielberg gefahren, einer Strecke mit drei langen Geraden. "Es wird hart werden", prophezeite Hamilton.

Die Bezirkshauptmannschaft Murtal hat am Montag den Bescheid für den ersten der zwei Spielberg-Rennen abgesegnet. 15.000 Zuschauer sind maximal erlaubt, die in fünf Sektoren aufgeteilt werden. Seitens des Landes Steiermark hieß es, dass das Projekt Spielberg ein "ausgeklügeltes Konzept" vorgelegt habe. Eine räumliche Trennung der Zuschauer der einzelnen Sektoren – auch bei An- und Abreise – ist geplant. (sid, APA, red, 21.6.2021)