Sigismund Huck, Professor am Zentrum für Hirnforschung, kritisiert in seinem Gastkommentar, wie in Österreich Forschung gefördert wird – oder eben nicht.

Im kürzlich erschienenen Interview im STANDARD unter dem Titel "Die großen Fragen fördern" spannte der neue FWF-Präsident Christof Gattringer einen weiten Bogen über die umfassenden Aktivitäten des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF). Der FWF fördert primär Grundlagenforschung der österreichischen Scientific Community und somit kreative Projekte, die auch in den technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen keine unmittelbare kommerzielle Auswertung erwarten lassen.

Wer bekommt Forschungsgelder und wer nicht? Kleinere Projekte haben es oft schwer.

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Dem gegenüber steht ein – nicht nur in Österreich – zu beobachtender internationaler Trend zu herzeigbaren Großprojekten ("flagship projects") zu bestimmten Themen, mit denen die Politik brillieren möchte. Wenn solche Großprojekte, die viel Fördergeld binden, überhandnehmen, leidet darunter aber die Kreativität eines Großteils der Scientific Community. In den Worten des vorangegangenen FWF-Präsidenten Klement Tockner: "Es wird eine große Herausforderung werden, wenn noch stärker thematische Vorgaben gemacht werden. Die Forschung, und gerade die Grundlagenforschung, muss von ideologischen, politischen und ökonomischen Interessen unabhängig bleiben. Wenn man beginnt, das aufzuweichen, dann hat man verloren."

Veritables Budgetproblem

Bei der Wahrung dieses Gleichgewichts zwischen der Förderung von einzelnen Projekten und thematisch ausgerichteten Großprojekten hat der FWF ein seit Jahren bekanntes, veritables Budgetproblem: Gerade bei den vergleichsweise kleineren Projekten, die ohne thematische Vorgaben von den Forscherinnen und Forschern selbst ausgedacht werden, kann ein erheblicher Teil vom FWF aus Geldmangel nicht gefördert werden – und das, obwohl sie in vorangegangenen, ausschließlich internationalen Begutachtungen als exzellent gewertet wurden.

Im Jahr 2020 waren das – bei insgesamt 708 bewilligten Projekten – 165 Anträge mit einem Antragsvolumen von rund 60 Millionen Euro. Sie wurden zwar als exzellent begutachtet, erhielten aber dennoch keine Förderung. Für nicht mit dem Prozedere vertraute Leser ist anzumerken, dass die Erstellung von Anträgen mitunter wochen- oder monatelange Vorarbeiten benötigt. Diese Vorarbeiten sind bei Ablehnung eines Projektantrags zu kübeln und somit vergeudete personelle und finanzielle Ressourcen. Nicht zu reden vom verständlichen Frust der Antragsteller und auch der Gutachter, die ebenfalls gratis viel Zeit investieren, um die eingereichten Projekte zu evaluieren. Auch deren Arbeit ist buchstäblich umsonst gewesen, auch wenn sie das Projekt für exzellent und also sehr förderungswürdig einstufen.

Beim FWF können derzeit lediglich etwas mehr als 20 Prozent der Projektanträge gefördert werden. Wenn exzellente, aus Geldmangel aber nicht finanzierbare Anträge gefördert würden, käme der FWF auf eine Förderquote von rund 30 Prozent. Zum Vergleich: Die Förderquote 2019 beim Schweizerischen Nationalfonds (SNF), dem Pendant zum FWF, beträgt 49 Prozent.

Die höhere Zahl exzellenter Anträge in Österreich hat dabei mehrere Ursachen: Zum einen nimmt die Bedeutung eingeworbener Fördermittel für wissenschaftliche Karrieren strukturell zu, zum anderen steigt die Qualität der österreichischen Forschung insgesamt, was unter anderem am Ausbau von Institutionen wie dem IST oder der Akademie der Wissenschaften liegt. Die Steigerung des Budgets der kompetitiven Forschungsförderung – also die Unterstützung der besten Projekte – konnte damit nicht mithalten.

Wie wichtig das wäre, zeigt sich auch daran, dass Länder mit einer Priorisierung dieser kompetitiven Forschungsförderung (wie die Schweiz oder die Niederlande) auch beim Einwerben internationaler Forschungsgelder besonders erfolgreich sind. So konnte die Schweiz im Jahr 2019 73 Grants beim European Research Council (ERC) lukrieren, die Niederlande waren mit 83 Grants erfolgreich. (Mit rund 35 ERC-Grants hat Österreich übrigens ebenfalls recht gut abgeschnitten.)

Unter den Besten sein

Je geringer die Bewilligungsquote, desto mehr wird – zumindest im experimentellen naturwissenschaftlichen Bereich – bei Anträgen darauf geachtet, möglichen Bedenken von Gutachtern (Peers) bezüglich der Umsetzbarkeit und des Erfolges vorzubeugen. Es ist kein Geheimnis, dass im Idealfall Resultate von Schlüsselexperimenten, die im Antrag beschrieben werden, bereits vorliegen. Doch eine solche Strategie können sich meist nur finanzstarke Labore leisten.

Anstatt einfach nur zuzusehen – wie leider von allen vorangegangenen Regierungen ebenso praktiziert –, sollte sich die amtierende Bundesregierung auf ihr Regierungsprogramm besinnen, in dem festgehalten ist: "Kompetitive Forschungsförderung in der Grundlagenforschung und angewandten Forschung ausbauen – Exzellenz fördern – Governance verbessern." Wie oft hören wir dieser Tage von der Politik: Wir wollen unter den Besten sein. Ja, gerne, aber bitte gebt der österreichischen Wissenschaft auch die dazu notwendigen Ressourcen. Wenn exzellente Projekte aus Geldmangel nicht gefördert werden, dann bleibt kreatives Potenzial fahrlässig liegen. (Sigismund Huck, 22.6.2021)