Es ist der 22. Tag ihres Hungerstreiks, doch Martha Krumpeck ist nicht da. Schon am Montagvormittag ist es brütend heiß auf dem Wiener Heldenplatz. Wohl auch deshalb wirkt er wie leergefegt. Unter der Sonne hält man es kaum aus. Nur vereinzelt finden Grüppchen ein wenig Schatten rund um jenen Platz, auf dem die Klimaaktivistin und Molekularbiologin Krumpeck seit Wochen für gewöhnlich gegen Ökozid und Korruption demonstriert und mit Passanten über Klimaschutzmaßnahmen spricht. Hat die Anhängerin der radikalen Protestgruppe Extinction Rebellion ihren Hungerstreik aufgegeben?

Mitnichten. Die 29-jährige Krumpeck kommt nur erst am späteren Vormittag auf den Heldenplatz. Am Montag war es etwa elf Uhr, wie sie in einem späteren Telefonat erzählt. Davor war sie zum Schlafen zu Hause.

Die Aktivistin Martha Krumpeck hungert nicht mehr alleine. Vor einer Woche hat sich Josef Etzelsdorfer von der Lebensmittel-NGO Robin Foods der Aktion angeschlossen.
Foto: Robert Newald

Krumpeck hat nach eigenen Angaben das Essen eingestellt, um unter anderem das Lobautunnelprojekt zu stoppen. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) müsse sich öffentlich zu den wissenschaftlichen Fakten bekennen. "Je mehr Straßen gebaut werden, je mehr werden sie auch genutzt", sagt Krumpeck. Generell sollen ihrer Ansicht nach alle Projekte, die per Evidenz zu mehr Treibhausgasen führen, gestoppt werden. Also etwa auch der Neu- oder Ausbau von Flughäfen und die Suche nach neuen Kohle-, Öl- und Erdgasvorkommen.

Bei einer Pressekonferenz von Extinction Rebellion wird sie sich am Dienstag für eine Besetzung der Lobau stark machen: "Es gibt den Rechtsweg und es gibt den Weg des zivilen Widerstands. Und wo der Rechtsweg versagt, ist es Zeit, zivilen Widerstand anzuwenden", gibt sich Krumpeck kämpferisch und zieht Parallelen zur Besetzung der Hainburger Au 1984 und dem Widerstand der Zivilgesellschaft gegen das AKW Zwentendorf 1978. "Wir werden dieses Projekt nicht zulassen. Das ist der Kampf unserer Generation, das ist unser Hainburg."

Krumpeck kämpft auch für Pressefreiheit sowie gegen Korruption und Postenschacher. Das Antikorruptionsvolksbegehren will sie daher unterstützen.

Bei Quizshow abgeräumt

Derzeit kann die Wissenschafterin ihr Leben voll auf den Klimaaktivismus ausrichten und muss keinem Job nachgehen. Krumpeck, die sich als "hochbegabt" bezeichnet und mit vier Jahren das Lesen gelernt haben will, gewann bei einer Fernsehquizshow 65.000 Euro, "was aber kein Dauerzustand ist", sagt sie, die sich künftig auch ihrer Medizindiplomarbeit widmen möchte. Sie sei ein sparsamer Mensch. Geld gibt sie vor allem für Wohnen und Mobilität aus. Ansonsten geht sie mit "netten Menschen" gerne essen. Das sei während der Lockdowns in der Corona-Krise eine ganze Weile nicht möglich gewesen. Und nun ist die Aktivistin ja bekanntlich im Hungerstreik.

Die Hitze macht es nicht einfacher. Es sei weniger der Hunger, "der mich fertigmacht, sondern die Hitze", erzählt Krumpeck. "Damit habe ich aber immer zu kämpfen, ob mit oder ohne Hungerstreik."

Der Montag sei vor allem erst der erste Sommertag gewesen, beklagt sie. Die Hitzewelle hätte aber schon weit früher angefangen. "Das ist nicht mehr normal, aber in zehn Jahren werden wir uns zurückerinnern, wie kühl es damals 2021 war", glaubt Krumpeck. Ein schattigeres Plätzchen beim rechten Flügel des Äußeren Burgtors mache die Sommerhitze erträglicher.

Fruchtsaft und Vitamine

"Ich halte so lange durch, wie ich kann", zeigt sich die Aktivistin trotz Hitze kämpferisch. Ein paar Kilos hätte sie verloren, wie sie bereits in einem Interview darlegte. Im Moment nimmt Krumpeck Vitamine und trinkt einen halben Liter Fruchtsaft, "damit der Kaliumhaushalt nicht in den Keller rasselt". Dazu kommen zwei Liter Wasser.

Krumpecks Gesundheitszustand werde beobachtet, erzählt sie. Von außen, aber auch sie selbst habe Gewicht und Blutdruck im Blick.

Nach dem Streik wird Krumpeck nicht sofort normal essen können. Die Nahrungszufuhr müsse nach der Unterernährung langsam gesteigert werden, sagt die Aktivistin. Erfolge sie zu rasch, könne das Refeeding-Syndrom lebensbedrohlich sein. Darauf sei sie vorbereitet.(Jan Michael Marchart, 22.6.2021)