Der 62-jährige Chef der SDS war selbst ein Kommunist. Nun ist der politische Freund von Ungarns Premier Viktor Orbán im Dauerangriffsmodus und wittert überall Kommunisten.

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Als Janez Janša 1988 im ehemaligen Jugoslawien von einem Militärgericht verurteilt wurde und Demonstranten seine Freilassung forderten, berichtete Radio Študent als erstes Medium von dem damaligen Dissidentenschicksal. Die Slowenen zeigten Solidarität und protestierten für die Freilassung Janšas.

"Radio Študent wurde als direkte Konsequenz der 1968er-Jahre etabliert, es existiert seit dem Jahr 1969", erinnert sich Ali Žerdin, einer der Chefredakteure der Zeitung Delo, an die ersten Demokratisierungsschritte. "Auch deshalb ist es fast ein Verbrechen so ein Radio zu zerstören", meint er. Žerdin arbeitete damals selbst für den Sender. "Wir haben als Erste verkündet, dass Janša verhaftet wurde. Er war zu der Zeit noch nicht sehr bekannt", meint er. "Ohne Radio Študent wäre er in große Schwierigkeiten geraten. Wir haben ihn unterstützt."

Aggressiver Ton

Doch nun ist der ehemalige Dissident Janša im Krieg gegen die freien Medien, und Radio Študent leidet unter der mangelnden Presseförderung. Die Revolution frisst offenbar wirklich ihre Kinder.

Seit der nationalkonservative Premier im März vorigen Jahres die Regierungsführung übernommen hat, dominiert ein äußerst aggressiver Ton in der Öffentlichkeit. Janša attackiert die Institutionen der Demokratie. Er spricht von einem unvollendeten Wandel seit der Unabhängigkeit 1991 und plädiert für eine "Zweite Republik".

Eine neue Revolution

"Er glaubt offensichtlich, dass nun eine neue Revolution notwendig sei. Er hat aber die Gesinnung eines Diktators. Gott sei Dank ist es sehr schwierig, in Slowenien die Verfassung zu ändern", meint der Dekan der juridischen Fakultät, Rajko Pirnat, zum STANDARD. Am meisten irritiert Pirnat die Missachtung des Rechtsstaats. Als Janša etwa einen Brief von der Justiz zugestellt bekam, meinte er, er habe ihn nicht entgegennehmen können, weil sein Postkasten zu klein sei.

Jüngst wurde die Auswahl zweier Staatsanwälte, die zur Europäischen Staatsanwaltschaft entsendet werden sollten, annulliert. Auf Anfrage des STANDARD meint die Regierung, es habe nicht ausreichend Kandidaten gegeben. Pirnat moniert, dass die Regierung in der Causa gar nichts zu entscheiden habe.

Zudem wurden Direktoren in kulturellen Institutionen und Spitzenpositionen im Sicherheitsapparat abberufen und Parteigünstlinge inthronisiert. Wie sein Idol Trump bezeichnet Janša Mainstream-Medien als "Fake-News" und diskreditiert die EU.

In Brüssel versucht man, den Schaden zu begrenzen, wenn Slowenien ab Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Für Aufregung sorgte bereits kürzlich, dass ein schwarzer Panther als eines der Symbole der Ratspräsidentschaft ausgesucht wurde. "Der Panther wurde von einigen Adelsgeschlechtern als Wappentier benutzt", erklärt der Historiker Rok Stergar. "In Slowenien ist er heute allerdings als ein rechtsradikales Symbol positioniert", so Stergar zum STANDARD.

Kommunisten-Fixierung

Ethnischen Nationalisten wie Janša geht es auch darum, zu behaupten, dass man zu einem uralten autochthonen Volk gehöre. Im Fall von Slowenien hat er dafür in seinem Buch auf die Noriker, ein vorrömisches Volk verwiesen. Doch es geht ihm vor allem um die Interpretation der jüngsten Geschichte. Geplant ist etwa ein Museum der Unabhängigkeit Sloweniens. Ein ruhiger, muliperspektivischer Zugang ist nicht zu erwarten. Vielmehr ist eine Abrechnung mit den Kommunisten zu erwarten, obwohl es diese in Slowenien kaum mehr gibt.

Über seinen Twitter-Account attackiert Janša, der selbst tief ideologisch im Marxismus verwurzelt war, Vertreter anderer Parteien, der freien Medien oder der Kultur als "Kommunisten". Die Fixierung geht so weit, dass er sogar behauptete, die Kommunisten hätten den Genozid in Srebrenica begangen. Er scheint wie ein Lehrling, dem durch zu viel politische Zauberei die Führung über die gedankliche Stringenz entglitten ist, so als hätten ihn in seinem Eifer die Geister eingeholt, die er einst selbst bekämpfte.

Autoritäre Geschichte

Marko Milosavljević, Professor für Journalismus an der Universität Ljubljana, verweist auf ähnliche autoritäre Figuren wie Janša in Ungarn und Serbien. "Diese Politiker sind alle im Kommunismus aufgewachsen. Das kommt jetzt wie ein Boomerang nach Europa zurück, weil sie zu ihren vordemokratischen Traditionen zurückkehren."

Heute agiert Janša wie ein Rechter, der sich auf einer Mission fühlt, der glaubt, er sei ein Opfer von Verschwörern. 30 Jahre nach der Demokratisierung überschattet die autoritäre Geschichte wieder das schöne mitteleuropäische Land. (Adelheid Wölfl aus Ljubljana, 22.6.2021)