Pulled-Pork-Burger vom Mangalitza Schwein, gegrillt im Burgenland

Foto: Thomas Apolt/Brandstätter Verlag

Wie mit den Motten zum Licht verhält es sich mit den Menschen zum Feuer. Der Entdeckung eines schlauen Homo erectus sei Dank, liegt uns das Grillen seit etwa einer Million Jahren quasi im Blut. Bis vor wenigen Jahren kam vorrangig Fleisch auf den Grill. Die Rezeptgeschichte des Garens mit dem Feuer reicht vom Mammut bis zum Huhn auf der Bierdose.

Seit einigen Jahrzehnten dehnt der moderne Mensch die Palette immer weiter aus. Ein Grillgerät alleine auf der Terrasse ist für viele nicht mehr genug. Pulled Pork wird superzart in einer sogenannten Kistensau, bei der ein Feuer auf dem Deckel der Kiste das Gargut im Inneren grillt.

Viele legen beim Bau ihrer Kistensau selbst Hand an

Den klassischen Cevapcici bekommt der Holzkohlengrill, und mit Bananen aus dem Smoker startet überhaupt eine neue Ära an outdoor entstandenen Desserts. Auch technischen Spielereien sind kaum noch Grenzen gesetzt.

Vom Handy aus soll bitte der Rauchgrad im Smoker gesteuert und der Pizzastein in seiner Drehfunktion im Kugelgrill angefunkt werden. Der Fisch im Ganzen gelingt mit einer Grillzange, die den Fisch von Kopf bis Flosse festhält, natürlich: ohne zu quetschen.

Thujenreiches Alpenland

In Österreich allein tut sich hinter jeder Thujenhecke ein eigenes kleines Grillkönigreich auf. Jeder erreicht auf seine Weise gewünschte Gargrade und Konsistenzen. Grillmeister und Koch Adi Bittermann, der in Göttlesbrunn vor Wien ein Restaurant sowie eine Grillschule betreibt, wollte es genau wissen.

Schnell war zwischen erstem und zweitem Lockdown das Buchprojekt So grillt Österreich organisiert, Freunde von Freunden, allesamt private Grillfans, für eine ganze Enzyklopädie aufgetan und eine Reise durch alle Bundesländer geplant. "Die Österreicher grillen wie die Profis. Indirekte Hitze, kein Verkohlen mehr und einfallsreiche Rezepte von Vorarlberg bis nach Wien", sagt Bittermann.

Bild nicht mehr verfügbar.

Fleisch, Fisch oder Gemüse? Was gelingt am besten auf welchem Grill, und wie wird es am schmackhaftesten zubereitet? Grillen wird fast schon zur Wissenschaft.
Foto: Getty / Hinterhaus Productions

Die Zeiten, in denen Bier in die Glut geschüttet wurde, was außer "Asche-Sommersprossen" auf Kotelett und Zucchini nichts bringt, sind vorbei. Ebenso wie die des "authentischen" Grillaromas von verkohltem Fleisch. "Die Menschen kaufen hochwertig und regional ein. Und versuchen dann das Produkt beim Marinieren und auf dem Grill bestmöglich zu behandeln", sagt Bittermann.

Vergolden, nicht verkohlen, das sei das Credo eines jeden guten Grillmeisters. Doch gebe es in Österreich große regionale Unterschiede, was und wie im Garten oder auf dem Balkon gegrillt wird: "Im Burgenland sagen sie, sie kochen für vier. Satt wird von der aufgetischten Menge aber leicht ein Dutzend. Steiermark und Kärnten gehen schon eher in die mediterrane Richtung, und in Vorarlberg zaubern sie direkt Filigranes auf dem Grill."

Rotweinburger mit Kafferub und Ziegenkäse aus Vorarlberg
Foto: Thomas Apolt/Brandstätter Verlag

In Gerichten lesen sich diese regionalen Eigenheiten als "Pulled Pork vom Mangalitza-Schopf im Grammelpogatscherl-Bun" im Burgenland, "Kaiserforelle mit Bratkartoffeln und Grillgemüse" in Kärnten und "Rotweinburger mit Kaffeerub und Ländle-Ziegenkäse" in Vorarlberg.

Kaiserforelle mit Bratkartoffeln, gegrillt in Kärnten
Foto: Thomas Apolt/Brandstätter Verlag

Feurige Trends

Was sich durchgezogen habe auf seiner Reise durch Österreich, sei der Trend zu Pizza auf dem Grill, so Bittermann. Die größte Hürde ist mit der Entscheidung, es zu versuchen, genommen. Einfach den Teig auf den Pizzastein legen, im Kugelgrill zudecken und warten. Sogar auf dem Rost performt der italienische Teigfladen auf zufriedenstellende Art und Weise.

Tipp von Grillmeister Bittermann: den Teig zuerst an einer Seite angaren. Erst dann die Paradeissauce aufstreichen und Zutaten wie Parmesanflocken, Rucola oder Rohschinken sowieso erst kurz vor Schluss hinzugeben und nur leicht von der Flamme busseln lassen. Ebenso wie es jeder trainierte Pizzaiolo auch handhaben würde. Neben der Pizza sind augenscheinlich Spieße in all ihren Variationen das alte, neue Ding.

"Vleisch", nicht Fleisch

Was die angesagten Spieße betrifft, strahlt dieser Trend bis in fleischlose Gefilde aus. Silke Bernhardt und ihr Partner Gant Kralicek stecken in den letzten Vorbereitungen für die Eröffnung der ersten veganen "Vleischerei" Wiens. Schon jetzt gehen ihre Produkte wie veganes Steak, Huhn oder eben auch vormarinierte Spieße am Neubaumarkt im siebenten Bezirk weg wie die warmen Semmeln.

Bernhardt bereitet dabei die meisten der Fleischlosereien selbst zu und versieht ihr Huhn mit Knochen aus Zimtstangen. "Ich freue mich, dass es für uns Veganer jetzt auch Alternativen abseits von Halloumi und Paprika auf dem Grill gibt", sagt sie.

Bei den glutenfreien "Vleischstücken" gelte es am Grill nur etwas aufzupassen. Die Konsistenz ist weicher, der zusammenhaltende Weizen fehlt. Aber mit etwas Vorsicht beim Wenden und Servieren steht veganem Schaschlik bis hin zum Huhn im Biersud nichts im Weg.

Holzkohle-, Elektro- oder Gasgrill? Vielleicht ein Smoker oder gar eine Grillkiste? Bei allen Optionen den Durchblick zu behalten ist nicht leicht.
Foto: Alex Cretey Systermans

Welche Technik befeuern

Entscheidend für den Grillerfolg ist zudem die Anwendung des richtigen Geräts. Am Balkon setzt man am besten auf den Elektrogrill, anstatt die Wäsche des Nachbarn oberhalb zu räuchern. Der Gasgriller sei etwas für die faulen Intelligenten, heißt es von Grillexperten: geht schneller, wird bestimmt nicht zu rauchig, und das Grillaroma des flammengeküssten Fleisches ist trotzdem mit dabei.

Spielereien wie der Holzpelletgrill, der vom rasanten Steakgrillen bis zum langsamen Garen alle Stückerln spielt, oder der Wassersmoker, bei dem Holzstücke in der Glut bestimmte Raucharomen abgeben, sowie der computergesteuerte Pellet-Smoker liegen gerade im Trend. Auch die Kistensau sorgt für Ahs und Ohs beim Grillvolk.

Für den Anfang tut es aber ein ganz einfacher Holzkohlengrill (diesen nur nicht mit aggressiven Anzündern befeuern) mit einer Grillzange, einer Schaufel und einer Bürste. Einen Durchmesser von 57 Zentimetern sollte ein Holzkohlen-Kugelgrill schon aufweisen. Darauf lassen sich Gerichte für vier bis sechs Personen grillen.

Denn wer einmal zu grillen begonnen hat, heißt es aus Grillerkreisen einstimmig, tut das meistens nicht nur für zwei Leute. Daher lieber gleich ein bisschen größer denken. Und: jedenfalls anfangen. Denn: "Wer nicht grillt, versäumt etwas", heißt es aus der feurigen Community.

Und auch wenn dem Grillen etwas leicht Spießiges anhaftet – mein Garten, mein Griller, meine Zange und so weiter ... –, so ist das Garen über Feuer vor allem eines: gesellig. Insbesondere diesen Sommer! Grillen, das bedeutet auch eine Klangwolke aus sich unterhaltenden Stimmen in der warmen Sommerluft. Dazu Laternenlicht, der Duft von gegrilltem Fisch, Fleisch, Gemüse sowie Obst und das Anstoßen mit Freunden auf das langersehnte Wiedersehen und Umarmen. (Nina Wessely, RONDO, 27.6.2021)