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In der Umgebung der Hauptstadt Kabul zeigen afghanische Soldaten bei einem Pressetermin ihr Können.

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Aus jeder Richtung sind Taliban-Angriffe zu erwarten, warnt dieses Schild auf einem Stützpunkt der US-Marineinfanterie.

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Afghanische Soldaten bei einem Gefecht in Mihtarlam, der Hauptstadt der Provinz Laghman, 24. Mai 2021.

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Kabul – Afghanistans Präsident Ashraf Ghani hat am Sonntag den Innen- und den Verteidigungsminister sowie den Armeechef ausgewechselt. Angesichts des Vormarschs der aufständischen Taliban in 28 der 34 Provinzen des Landes soll nun der Veteran Bismillah Khan Mohammadim, der bereits gegen die Rote Armee kämpfte und unter Ghanis Vorgänger Hamid Karzai mehrere Ministerämter bekleidete, die Truppen führen.

Der von ihren westlichen Partnern im Stich gelassenen afghanischen Armee gelingt es kaum, den Aufständischen Widerstand zu leisten. Am Freitag kamen 24 Mitglieder einer Eliteeinheit ums Leben, Dutzende wurden verletzt, als sie versuchten, einen Bezirk in der nordafghanischen Provinz Faryam zurückzuerobern.

Am Dienstag meldeten die Taliban, den Hauptgrenzübergang nach Tadschikistan eingenommen zu haben. Mehrere Soldaten der afghanischen Armee seien nach der Eroberung der Stadt Shir Khan Bandar in das Nachbarland geflohen, sagte ein Offizier der Nachrichtenagentur AFP.

Taliban erbeuten Waffen

In 28 der 34 Provinzen Afghanistans wird derzeit gekämpft, die Provinzhauptstadt Kundus, wo die deutsche Bundeswehr stationiert war, ist umzingelt.

Die Taliban kontrollieren weite Teile des Landes (Stand 8. Juni).

Im vergangenen Monat gaben die Soldaten 26 Stützpunkte auf, die Taliban haben große Mengen Kriegsmaterial erbeutet, darunter allein in den letzten drei Wochen 161 Humvee-Geländewagen, vier Hubschrauber und mehrere Haubitzen. Sie kontrollieren mittlerweile 50 der 370 Bezirke Afghanistans.

Insgesamt 1.303 der erstmals bei der Panama-Invasion 1989 eingesetzten Geländewagen haben die USA der afghanischen Armee überlassen, dazu 55 Schützenpanzer, 16 Blackhawk-Hubschrauber und 19 Super-Tucano-Kampfflugzeuge des brasilianischen Herstellers Embraer.

Überforderte Mechaniker

Mit den Truppen verlassen auch die ausländischen Zivilbeschäftigten, die die Flugzeuge der afghanischen Luftwaffe instand hielten, das Land. Doch die Afghanen sind mit der Wartung der modernen Helikopter überfordert: Ende 2020 meldete das US-Verteidigungsministerium, dass jede fünfte Maschine nur nach größeren Reparaturen einsatzbereit sei.

Die Mechaniker wurden ursprünglich an russischen Mi-Hubschraubern ausgebildet, die Fortbildung wäre afghanischen Angaben zufolge 2024 abgeschlossen gewesen. Nun wird erwogen, die Blackhawks sowie Hercules-Transportmaschinen auf Kosten der USA im Ausland warten zu lassen, was eine erhebliche Kostensteigerung bedeuten würde.

Schwierige Suche nach Verbündeten

Die Suche nach Stützpunkten in Nachbarländern, von denen aus Kampfflugzeuge Unterstützungseinsätze für die afghanische Armee fliegen könnten, blieb bisher erfolglos. Pakistans Premierminister Imran Khan sagte am Freitag dem US-Sender HBO, sein Land werde keinesfalls der Stationierung ausländischer Truppen zustimmen.

Dolmetscher fürchten Rache

Afghanen, die für die ausländischen Truppen tätig waren, fürchten im Fall einer Machtübernahme der Taliban, dass sie als Verräter bestraft werden. Die Aufständischen sicherten Anfang Juni zwar zu, dass niemand, der Reue für seine Taten zeigt und keinen Verrat am Islam und dem Land mehr begeht, etwas zu befürchten habe.

Viele afghanische Mitarbeiter haben Einreisegenehmigungen in den Ländern ihrer bisherigen Arbeitgeber beantragt, allein in den USA sind es 18.000. Doch die Abarbeitung der Visaanträge gehe nur schleppend voran, räumt US-Außenminister Antony Blinken ein. Er forderte die Taliban auf, Angriffe auf die Zivilbevölkerung einzustellen. James Miervaldis, Vorsitzender der US-NGO No One Left Behind, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dass heuer im Durchschnitt zwei afghanische Übersetzer im Monat ermordet wurden, im Mai allerdings fünf.

Die deutsche Regierung geht davon aus, dass etwa 500 Afghanen für eine Übersiedelung nach Deutschland infrage kommen. Betroffene müssen nachweisen, dass wegen eines Einsatzes in den letzten zwei Jahren eine Gefährdung vorliegt und ihre Übersiedlung nach Deutschland selbst bezahlen. Italien, die Niederlande, die USA und Großbritannien evakuieren auch Personal, dessen Einsatz länger zurückliegt. (bed, 22.6.2021)