Der Asteroideneinschlag an der Kreide-Paläogen-Grenze beendete nicht nur die Dinosaurier-Ära.

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Der Untergang der Dinosaurier dürfte schon lange vor der welterschütternden Katastrophe vor 66 Millionen Jahren begonnen haben. Diese These diskutieren Forscher zumindest schon seit einigen Jahren, obschon einige Arbeiten auch zu anderen Ergebnissen kamen. Zuletzt schloss eine Studie aus kreidezeitlichen Fossilien, dass sich die Riesenechsen bereits mindesten zehn Millionen Jahre bevor ein zwischen zehn und 15 Kilometer großer Asteroid die Erde traf, auf dem absteigenden Ast ihrer Entwicklung befunden haben.

Anders verhält es sich dagegen bei vielen der übrigen Tiergruppen – immerhin verschwanden bei dem Massenaussterben an der Kreide-Paläogen-Grenze rund Dreiviertel aller damals existierenden Arten. Manche unter ihnen standen gerade an der Schwelle ihrer Blütezeit.

Folgenreicher Einschlag

Über die unmittelbaren Folgen der Impaktkatastrophe wird in der Fachwelt lebhaft diskutiert. Klar ist, dass der Brocken aus dem All, der am heutigen Nordrand der mexikanischen Halbinsel Yucatán mit der Explosivkraft von mindestens 200 Millionen Hiroshima-Bomben einschlug, den annähernd 200 Kilometer durchmessenden und zehn Kilometer tiefen Chicxulub-Krater in der Erdkruste geschlagen hat. Tausend Kubikkilometer Gestein wurden dabei bis in die Stratosphäre und darüber hinaus geschleudert

Geologen und Paläontologen fanden auch zahllose Hinweise auf gewaltige Tsunamis, weltweite Buschfeuer und eine Verdunkelung des Himmels, die unter anderem auf Kohlepartikel und frei werdenden Schwefel zurückzuführen war. Dieses Szenario eines regelrechten Weltenbrandes mit anschließender empfindlicher Abkühlung auf Durchschnittstemperaturen unter null Grad Celsius konnte auch durch die Auswertung von Bohrkernen direkt aus dem Chicxulub-Krater untermauert werden.

Simulierte Folgen für die Ozeane

Betroffen waren insbesondere auch die marinen Ökosysteme – in welcher Weise, ist in vieler Hinsicht noch unklar. Eine aktuelle Studie konnte nun eine der dramatischsten Folgen des Impakts für die Ozeane nachweisen: Eine ausgeprägte Algenblüte trug demnach maßgeblich zum Massensterben in den damaligen Meeren bei, wie Forscher vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) anhand von Simulationen zeigen konnte. Da die Algen wahrscheinlich Giftstoffe produzierten, könnte ihre Zunahme zum Aussterben von Arten im Ozean beigetragen haben.

"Die genauen Zusammenhänge zwischen dem Einschlag und den Veränderungen in der marinen Biosphäre sind noch nicht final geklärt", sagt Julia Brugger, Erstautorin der in den "Geophysical Research Letters" veröffentlichten Studie. "Mit einem verbesserten Erdsystemmodell, das simulieren kann, wie die Meeresbiosphäre auf Veränderungen des Klimas und der Nährstoffversorgung reagiert, konnten wir nun erstmals zeigen, dass der Asteroideneinschlag eine relativ kurzlebige, aber ausgeprägte Algenblüte verursacht hat – das ist ein wichtiger neuer Aspekt, der uns hilft zu verstehen, was nach dem Chicxulub-Einschlag passiert ist."

Eine gewaltige Algenblüte (hier eine Satellitenaufnahme vom Nordatlantik) trug zum Massensterben in den Ozeanen nach dem Chicxulub-Einschlag bei.
Foto: NASA Earth Observatory

Nährstoffe von unten und von oben

Nach dem gewaltigen Einschlag des Asteroiden änderte sich die Ozeanzirkulation dramatisch. Staub und Sulfataerosole, die durch den Einschlag hoch in die Atmosphäre geschleudert wurden, blockierten einen Großteil des Sonnenlichts. Infolgedessen kühlte sich das Oberflächenwasser ab, wurde dichter und schwerer. Während diese kälteren Wassermassen in die Tiefe sanken, stieg wärmeres, nährstoffreiches Wasser aus tieferen Meeresschichten an die Meeresoberfläche.

"Gleichzeitig wurden essentielle Nährstoffe, insbesondere Eisen, auch aus der Atmosphäre in den Ozean gebracht, nämlich durch den Staub, der durch den Einschlag des eisenreichen Asteroiden in die Luft geblasen wurde – und zu massiven, kurzlebigen Algenblüten führte", erklärt PIK-Wissenschafter Georg Feulner. Die Simulationen ergaben, dass die von den Algen produzierte Biomasse in den drei Jahren nach dem Einschlag zunächst wegen des fehlenden Lichts und der Kälte fast auf Null sinkt.

Siebenfache Produktivität im Ozean

"Sobald das Licht zurückkommt, erreicht die Biomasseproduktion kurz einen Höhepunkt mit einem Maximalwert, der etwa um den Faktor sieben höher ist als vor dem Einschlag", so Feulner. Obwohl die Spitze nur wenige Jahre anhält, bleibt die erhöhte Produktivität die nächsten Jahrzehnte und Jahrhunderte bestehen und kehrt erst nach etwa 500 Jahren auf das Niveau vor dem Einschlag zurück.

"Es ist wahrscheinlich, dass die Algenblüten giftige Substanzen produzierten, die zu massiven Veränderungen im Leben im Ozean führten", meint Brugger. Im Zusammenspiel mit den verschiedenen anderen schwerwiegenden Auswirkungen des Einschlags wie der plötzlichen und starken Abkühlung, der Dunkelheit, den Waldbränden und der moderaten Ozeanversauerung liefert die Studie weitere Hinweise darauf, dass der Asteroideneinschlag zum Massenaussterben vieler mariner Arten beigetragen hat.

Parallelen zum modernen Artenverlust

"Diese Studie der Erdvergangenheit birgt eine Lehre für den Verlust der Biodiversität heute", sagt Feulner. Vor 66 Millionen Jahren verursachte der Chicxulub-Einschlag rasche Umweltstörungen und setzte die Biosphäre der Erde einer Vielzahl von Belastungen aus, die schließlich zu einem großen Massenaussterben führten.

Obwohl die Treiber der gegenwärtigen globalen Erwärmung und der modernen Biodiversitätskrise ganz andere sind, bekommt es die Erde in naher Zukunft in einzelnen Ökosystemen mit um Größenordnungen schlimmeren Aussterberaten zu tun. Doch es gibt auch einen Hoffnungsschimmer: "Die Vergangenheit kann uns lehren, wie eine Kombination von gleichzeitigen Belastungen das Leben auf der Erde schwer schädigen kann. Glücklicherweise haben wir immer noch die Chance, den vom Menschen verursachten Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen." (red, 28.6.2021)