Mit Gostudent wurde nach Bitpanda das zweite Einhorn in Österreich gesichtet.

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Der 27-jährige Gregor Müller (links) und der 26-jährige Felix Ohswald haben ihr Unternehmen in fünf Jahren zu einer Milliardenbewertung geführt.

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Wien – Geht es um den schulischen Erfolg der Kinder, sind Eltern schnell bereit, Geld für Nachhilfe in die Hand zu nehmen. "Wir brauchten die Eltern, das war anfangs unser Problem. Sie haben das Angebot nicht verstanden und glaubten, sie bezahlen für Youtube-Videos", sagt Gostudent-Gründer Felix Ohswald im Gespräch mit dem STANDARD.

Dabei ist das Prinzip schnell erklärt: Nachhilfe via Videogespräch – spätestens seit Corona ein allseits bekanntes Lernkonzept. Über eine Plattform bringt Gostudent Schüler mit ausgewählten Nachhilfelehrern zusammen.

Millionenschweres Investment

Es funktioniert: Gostudent hat den Einhornstatus erreicht. In einer aktuellen Finanzierungsrunde sammelte das Start-up 205 Millionen Euro von Investoren wie Softbank aus Japan, Tencent aus China und Dragoneer aus Kalifornien. Für Go Student ist es die dritte Finanzierungsrunde, ein sogenanntes Series C Investment. Das bedeutet eine Bewertung von über 1,4 Milliarden Euro. Ab einer Bewertung von einer Milliarde Dollar gilt man laut Branchendefinition als Einhorn. Die letzte Runde liegt nicht lang zurück, im März gab es eine 70-Millionen-Euro-Finanzspritze.

Lange Zeit hatte es so ausgesehen, als wäre ein österreichisches Unicorn ein Wunschtraum, wie es Einhörner eben sind. Im März brach die Kryptofirma Bitpanda den Bann und wurde als erstes heimisches Unternehmen mit knapp mehr als einer Milliarde Euro bewertet. Zum Vergleich: Das bisherige heimische Start-up-Aushängeschild Runtastic war beim Verkauf an Adidas 220 Millionen Euro wert. Laut Reuters ist Gostudent in Europa das höchstbewertete Unternehmen bei digitalen Bildungsangeboten.

Harter Weg

Der Weg zum "Horn" hat sich schwierig gestaltet. Im Jahr 2016 gründete der heute 26-jährige Ohswald gemeinsam mit Gregor Müller (27) in Wien das Start-up Gostudent. Es begann mit einem kostenlosen Whatsapp-Chatservice zur Hausaufgabenhilfe. Das Konzept fand Anklang, Geld ließ sich jedoch keines damit verdienen. Deswegen stellten sie auf professionelle Online-Nachhilfe um. An diesem Punkt habe es Überzeugungsarbeit gebraucht, man hätte viele Eltern sogar angerufen, um das Modell zu erklären, sagt Ohswald.

Mittlerweile werden monatlich mehr als 400.000 Nachhilfestunden über die Plattform gebucht, man erzielt knapp neun Millionen Euro Umsatz in 15 Ländern und beschäftigt weltweit 500 Mitarbeiter, exklusive Lehrer. Das Geschäft basiert auf einem Abomodell, Nachhilfestunden lassen sich für sechs Monate, ein oder zwei Jahre buchen. Die Stunde kostet zwischen 16,90 Euro und 26,90 Euro – je nach Art und Menge.

Hauptproblem Mathematik

"Das größte Problem für Schüler ist und bleibt überall Mathematik", so Ohswald. Monatlich nehme man momentan rund 500 neue Lehrerinnen und Lehrer auf. Bis Jahresende sollen es insgesamt 10.000 sein. Diese sind auf Freelance-Basis beschäftigt, der Stundensatz beginnt bei 14 Euro. Wer Nachhilfe geben will, braucht stabiles Internet, einen Schulabschluss und muss Stoff bis Maturaniveau beherrschen. Der Onboarding-Prozess dauert wenige Tage, in denen Wissen und pädagogische Fähigkeiten überprüft werden und ein Background-Check gemacht wird.

Man sollte meinen, die Pandemie befeuerte das Geschäftsmodell. Stimmt nur bedingt: "Niemand zweifelt mehr an Videounterricht, doch der Leistungsdruck in der Schule ist während Corona gesunken. Es ist teurer, neue Kunden zu gewinnen, wir müssen mehr ins Marketing investieren."

Expansion

Mit dem frischen Geld soll etwa nach Kanada und Mexiko expandiert werden. Mittelfristig strebt das Unternehmen auch den Gang an die Börse an. "Mal abwarten, wie es in drei bis vier Jahren am Kapitalmarkt aussieht, aber das Ziel besteht definitiv."

Die heimische Start-up-Szene wird immer interessanter für Investoren. Heuer wurden bereits mehr als 500 Millionen Euro investiert. Das ist bereits mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. (Andreas Danzer, 22.6.2021)