Finanzminister Blümel will den Bundespräsidenten von der vollständigen Aktenlieferung an den U-Ausschuss überzeugen.

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Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hat bestritten, den U-Ausschuss erneut unvollständig mit Akten beliefert zu haben. Nach Vorwürfen der Opposition hatte sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen diesbezüglich vergangene Woche erneut an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) gewandt, dieser prüft nun bis Ende dieser Woche.

Rund um Entscheidungen des VfGH schwelt seit Monaten ein Konflikt mit dem Finanzministerium. Das Höchstgericht hatte schon im März entschieden, dass Blümel mehr Akten aus dem Ministerium an den Ibiza-Untersuchungsausschuss übermitteln muss. Daraufhin wollte der Finanzminister über Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, mit dem U-Ausschuss "verhandeln". Der VfGH sah darin keine Umsetzung seiner Entscheidung und ersuchte Van der Bellen Anfang Mai um dessen Exekution – ein bislang einmaliger Vorgang in der heimischen Innenpolitik.

Vorwurf der Vorselektion

Unmittelbar danach wurden tausende ausgedruckte E-Mails in Pappkartons an den U-Ausschuss geliefert; nach Beschwerden folgte später auch eine elektronische Lieferung. Nach einigem Aktenstudium denkt die Opposition nun, dass immer noch Daten fehlen. So sollen E-Mails nicht chronologisch, sondern thematisch geliefert worden sein – für die Opposition ist das ein Hinweis darauf, dass vorselektiert wurde. Sie wandte sich an Van der Bellen, dieser an den VfGH.

Blümel lud am Dienstag zu einer Pressekonferenz.
DER STANDARD

Blümel wollte am Dienstag dazu fünf Punkte kommunizieren: Das BMF habe geliefert, Peschorn eine Auflistung erstellt und diese an Van der Bellen und den U-Ausschuss übermittelt. Man werde nun beantragen, die Exekution einzustellen, und Van der Bellen bitten, sich selbst von der Vollständigkeit der Lieferung zu überzeugen. Außerdem sollen externe Gutachter prüfen.

"Irritationen"

Der Finanzminister verwies darauf, dass auch sensible, persönliche Daten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in E-Mail-Postfächern vorhanden seien. Der VfGH habe mit seiner Entscheidung, dass der U-Ausschuss ganze Postfächer erhalten müsse, "juristisches Neuland" betreten, meinte Blümel. Er räumte ein, dass "Fehler passiert" seien, und verwies darauf, dass er sich "für Irritationen entschuldigt" habe.

Eine Entschuldigung verlangt Blümel auch von der Opposition im U-Ausschuss, und zwar bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums. Denn diese hätten Vollständigkeitserklärungen bezüglich der Lieferung abgegeben, der U-Ausschuss werfe ihnen also vor, die Unwahrheit zu sagen. Das sorgte rasch für Empörung bei der Opposition: Der Vorwurf richte sich nur an Blümel, stellte Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper klar.

Auch Herbert Kickl kritisierte die Aktenlieferungen. Nach Ansicht des neuen FPÖ-Chefs hat der U-Ausschuss trotzdem bisher vieles zutage gefördert: "Wir reden nicht mehr von 'sauren Wiesen', die trockengelegt werden müssen, sondern von Jauchengruben, die ausgepumpt werden müssen." Kickl berichtete, er habe mit einem Kollegen der deutschen AfD gesprochen, der im deutschen Wirecard-Ausschuss tätig ist – und aus diesem Gespräch habe sich ergeben, dass es bei diesem Thema "interessante Verbindungen nach Österreich" gebe – und zwar "nicht irgendwohin, sondern ins Bundeskanzleramt". Auch erinnerte Kickl an die "Tatsache, dass (Wirecard-Gründer, Anm.) Markus Braun Großspender der ÖVP" gewesen sei und auch im Thinktank des Kanzleramtes saß.

Blümel will eine "Skandalisierung und Vorverurteilung" und "innenpolitische Spielchen" beobachtet haben. Eine absichtliche Verzögerung schloss Blümel aus. Eine Mitarbeiterin des Ministeriums hatte jedoch vor dem U-Ausschuss angegeben, dass sich das Kabinett des Ministers in die Frage der Aktenlieferungen eingemischt habe.

Am Donnerstag ist Blümel wieder im U-Ausschuss "zu Gast", wie er es nennt – gemeint ist: als geladene Auskunftsperson. Der Finanzminister ist auch persönlich von den Korruptionsermittlungen betroffen, gegen ihn wird im Zusammenhang mit dem Glücksspielkonzern Novomatic wegen Bestechung ermittelt. Die Beteiligten bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung. (fsc, APA, 22.6.2021)