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Eric Feigl-Ding betreibt Pandemie-Aufklärung via Twitter.

Foto: AP / Matt Rourke

Eric Feigl-Ding war am 25. Jänner 2020 einer der Ersten, der auf die globale Pandemiegefahr aufmerksam machte. "Holy Mother of God", schrieb er damals in einer Nachricht, die Twitter-Geschichte schreiben sollte.

Die Reproduktionszahl (R0) des Virus von 3,8, die er gerade erfahren hatte, nannte er katastrophal schlecht, nämlich "thermonuclear pandemic level bad". Für den Epidemiologen und Gesundheitsökonomen mit Harvard-Ausbildung war dieser Tweet Startpunkt einer unermüdlichen Aufklärungskampagne zur Corona-Krise, die er bis heute fortführt.

"Normalerweise wird Wissenschaft langsam und erst bei sicheren Ergebnissen kommuniziert – das ist auch gut so. Bei Covid kommt dagegen alles auf einmal. Man weiß nicht, was real ist, was nicht, was man glauben soll", resümierte Feigl-Ding bei einem kürzlich gehaltenen Vortrag zum Thema "Social Media Science Communication in Public Health", bei dem er auf seine bisherigen Erfahrungen zurückblickt. Veranstaltet wurde die Online-Session im Rahmen der 25-Jahr-Feierlichkeiten des Management Center Innsbruck (MCI), wo Feigl-Ding auch als Dozent tätig war.

Corona-Influencer

Sein Twitter-Account explodierte von 1700 Followern auf über eine halbe Million, in seinen langen Threads trägt er Statistiken und Forschungsergebnisse zusammen, die auf diesem Wege Politik und Medien erreichen sollen. Bis heute wurden seine Datensammlungen milliardenfach angesehen.

In den USA wurde er auch Teil einer TV-Kampagne für wissensbasierte Corona-Politik und den nunmehrigen Präsidenten Joe Biden. Er wurde zur polarisierenden Figur, der von Corona-Leugnern, Trump-Anhängern und Impfgegnern viel Gegenwind abbekam. Selbst Qualitätsmedien warfen ihm anfangs Alarmismus und Missinformation vor.

"In einer Pandemie muss man schnell handeln", sagt Feigl-Ding. "Wartet man, bis 100-prozentige Sicherheit vorliegt, verliert man gegen sie." Und muss man in einer unsicheren Lage handeln, dann wählt man besser den vorsichtigen Weg, so der Epidemiologe. "Wenn wir das getan hätten, wären wir heute in einer besseren Situation."

Weltweite Pandemietrends

Während er sich im ersten Jahr der Pandemie verstärkt auf die Situation in den USA konzentrierte, wurde er mittlerweile zum Aggregator, der weltweite Pandemietrends und übersehene Entwicklungen aufzeigt und gegenseitiges Lernen ermöglichen will. "Ich habe mir Feinde in vielen Ländern gemacht", sagt Feigl-Ding und verweist auf die verheerenden Todeszahlen in Mexiko und Brasilien. Auch den Ausbruch der Südafrika-Variante in Tirol machte er etwa zum Thema.

Aktuell ist die im Steigen begriffene Delta-Variante mit ihrer im Vergleich zum Wuhan-Virus doppelt so hohen Reproduktionszahl das Hauptthema des Corona-Aufklärers. Er kritisiert etwa, dass die Öffnungen angesichts sinkender Ansteckungszahlen viel zu schnell erfolgen.

Von Feigl-Ding anschaulich formuliert: "Wenn im Zoo von zehn entlaufenen Löwen neun eingefangen wurden, einer aber noch frei herumläuft, dann werden Sie den Besuch vielleicht doch noch verschieben." (Alois Pumhösel, 26.6.2021)