Nach einem ERC-Advanced Grant und einer Gastprofessur in Princeton wurde Monika Henzinger 2021 auch noch mit dem Wittgenstein-Preis ausgezeichnet.

FWF / Daniel Nowotny

Zuletzt lief es bei Monika Henzinger in Sachen Preise und Ehrungen ziemlich gut: Am Dienstag erhielt die international renommierte Informatikerin der Uni Wien den mit 1,5 Millionen Euro dotierten Wittgenstein-Preis des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF. Erst vor wenigen Wochen konnte Henzinger ihren zweiten ERC Advanced Grant einwerben, der mit immerhin 2,4 Millionen Euro dotiert ist. Und in zwei Wochen tritt sie dann eine sechsmonatige Gastprofessur an der Stanford University in Kalifornien an.

Im Gespräch mit dem STANDARD übt sich die frischgebackene Trägerin des Wittgenstein-Preises angesichts so viel Geld und Ehr’ in Understatement: "Eine Auszeichnung wie diese gibt meiner Forschung und der Informatik in Österreich weiteren Aufschwung und Sichtbarkeit." Ironischer Nachsatz: "Und man kriegt die Möglichkeit, mit Journalisten zu reden."

Der zweite Vorteil sei, dass sie die 1,5 Millionen relativ flexibel verwenden könne, die natürlich – so wie das Geld des ERC – selbst wieder in die Forschung investiert werden müssen. Die Preisgelder werden dabei zu einem Gutteil in Personal investiert, "um qualifizierte und erfahrene Wissenschafterinnen und Wissenschafter nach Österreich zu holen", so Henzinger: "Die Preise schaffen also im Grunde Arbeitsplätze in Wien."

Informatik in der Unterstufe

Aktuell umfasst das Team Henzingers an der Fakultät für Informatik zehn Nachwuchstalente unter anderem aus Indien, Frankreich, Deutschland und Österreich. Zwei verlassen sie allerdings demnächst: "Ein Kollege geht zu Amazon in die USA, einer zu Amazon in Berlin." Lukrative Jobs gibt es für ihre Absolventen also zur Genüge. Das Problem sieht die vielfach ausgezeichnete Forscherin eher darin, dass in Österreich zu wenige begabte junge Leute Informatik studieren.

"Deshalb wäre ich dafür, dass man Informatik als Pflichtfach schon in der Unterstufe einführt", sagt Henzinger und fügt etwas verschmitzt hinzu, dass dadurch künftige Politikerinnen und Politiker den Unterschied zwischen Informatik und der digitalen Transformation besser verstehen könnten. "Denn damit letztere gelingen kann, braucht es zuerst viele gute Absolventinnen und Absolventen in diesem Fach."

Henzinger selbst promovierte nach dem Studium in Deutschland an der Princeton University in den USA, war danach unter anderem erste Forschungschefin von Google, ehe sie wieder zurück an die Universität wechselte. "Das macht mir einfach mehr Spaß." Nach einer Professur an der EPF Lausanne in der Schweiz zog sie mit ihrem Mann und den drei Kindern nach Österreich. Während Thomas Henzinger die Leitung des höchst erfolgreichen IST Austria in Klosterneuburg übernahm, lehrt und forscht Monika Henzinger seit 2009 an der Uni Wien.

"Differential privacy" zur Wahrung der Anonymität

Ihr Spezialgebiet sind dabei sogenannte "verantwortungsvolle Algorithmen". Früher sei es darum gegangen, Algorithmen zu entwickeln, die schnell sind und wenig Speicherplatz brauchen. "Heute sollen sie helfen, die Privatsphäre der Individuen schützen." Das ist ein relativ neues Forschungsgebiet, das sich "differential privacy" nennt und das es erst seit rund zehn Jahren gibt. Henzinger erklärt es in Corona-Zeiten am Beispiel von Patientendaten: "Die verändern sich die ganze Zeit, aber man möchte dennoch statistische Aussagen machen können, ohne dass man Informationen über die einzelnen Patienten preisgibt. Durch den neuen Ansatz soll das erleichtert werden."

Ein anderes Beispiel war die Stopp-Corona-App, an der Henzinger beteiligt war. Sie hat mit Kollegen und der Universität Wien sogar ein Patent angemeldet, das mittels "differential privacy" die Anonymität in der App wahren sollte. "Wir haben das Patent gratis zur Verfügung gestellt, aber leider wurde die App zu wenig genützt."

Forschen in Pandemiezeiten

Die Pandemie und die Lockdowns beeinträchtigten zunächst auch die Forschungen der 55-jährigen Wissenschafterin – und zwar anders, als man vielleicht bei Informatikern annehmen würde: "Ich arbeite nämlich normalerweise mit meinen Mitarbeitern gemeinsam an der Tafel, an der wir unsere Algorithmen gemeinsam entwickeln", erklärt Henzinger, "und erst danach geht jeder in sein Büro an den Computer."

Das kollektive Schreiben an der Tafel gehört zum Forschungsalltag der Informatikprofessorin.
Foto: FWF / Daniel Novotny

Aber natürlich wussten sich die Forschenden zu helfen: Einerseits natürlich mit Zoom, und zusätzlich wurden digitale Tafeln entwickelt, die man am Bildschirm teilen und gemeinsam nützen kann. "Das Wichtige für uns ist, dass jeder schreiben können muss."

Diese neuen Werkzeuge hätten auch die internationale Zusammenarbeit im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten erleichtert. "Ich kooperiere jetzt auch mit zwei Forschungsgruppen aus den USA, was vor Corona in dieser Form nicht möglich gewesen wäre." Dennoch freue sie sich schon wieder darauf, mit ihren Kolleginnen und Kollegen an der echten Tafel zusammenarbeiten zu können.

Kontakte zu den Branchenriesen

Zunächst einmal wird sie das in Stanford in Kalifornien tun, wo sie sich aber vor allem auch mit den Branchengrößen der Industrie zum Thema "differential privacy" austauschen will, um vor Ort zu besprechen, ob und wie sich dieses Konzept im Firmenkontext umsetzen lässt. Auf der Liste der Firmen, zu denen bereits Kontakt besteht und die sie "abklappern will", stehen unter anderem Uber, Amazon, Google und Facebook. (Klaus Taschwer, 22.6.2021)