Es gibt gute und weniger gute politische Ideen. Eine gute zu haben ist noch kein Garant dafür, dass sie auch ein politischer Erfolg wird. Das muss Christoph Wiederkehr wohl dieser Tage einsehen. Der Wiener Vizebürgermeister und Neos-Chef hatte die prinzipiell gute Idee, dass die Zuteilung von Lehrern und Lehrstunden im Wiener Pflichtschulwesen transparenter laufen muss als bisher. Und, noch besser: Sogenannte Brennpunktschulen mit einem hohen Anteil an Kindern aus sozial schwächeren Verhältnissen sollten künftig mehr Mittel zugeteilt bekommen.

An Wiener Schulen wird es ab Herbst zu Einsparungen kommen.
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Für die Umsetzung der guten Idee hat sich Wiederkehr freilich den denkbar schlechtesten Zeitpunkt ausgesucht – und die denkbar patschertste Vorgangsweise, um die Schulen mit seinen Reformplänen zu beglücken. Dass Schulleiterinnen und Schulleiter zwei Wochen vor Schulschluss damit konfrontiert werden, dass sie schon im kommenden Schuljahr – im Sinne des großen Ganzen – Stunden und Lehrerinnen verlieren, war höchst unglücklich. Vor allem jene Schulen, die sich seit Jahren um Reformen und fortschrittliche Pädagogik bemühen, schauen durch die Finger: Integrationsklassen müssen geschlossen werden, Stunden für Mehrstufenklassen werden gestrichen, Projekte für individuelle Förderung werden mit null Stunden bewertet, die Klassenschülerhöchstzahlen steigen wieder. Es sieht so aus, als würden gerade jene bestraft, die sich in den vergangenen Jahren besonders für ein fortschrittliches Schulwesen eingesetzt haben. Gleichzeitig begann das große Rätselraten, wo Personal und Stunden eigentlich landen – bei vielen Brennpunktschulen offenbar auch nicht.

Die Frage stellt sich, wie man im Stadtratbüro und in der Wiener Bildungsdirektion nach einem Jahr Pandemie-Ausnahmezustand überhaupt auf die Idee kommt, irgendwo zu kürzen. Ausgerechnet jetzt. Alle Bildungseinrichtungen brauchen mehr Personal und mehr Geld – nicht nur, weil es im kommenden Schuljahr mehr Schülerinnen und Schüler gibt. Die Langzeitfolgen der Corona-bedingten Lockdowns samt Homeschooling und Distance-Learning werden noch lange merkbar sein. Es geht um nichts Geringeres als um einen Ausgleich der Nachteile, die eine ganze Generation an Kindern und Jugendlichen durch die Pandemie erlitten hat. Sie alle brauchen Chancen – und jede mögliche Unterstützung.

Der pinke Wiener Bildungsstadtrat und sein roter Bildungsdirektor sind hier auf dem Holzweg. So wird das Vorhaben, das Wiener Bildungssystem zu einem der modernsten Europas zu machen, nicht gelingen. Alle brauchen mehr Mittel, übrigens in allen Bundesländern. So großzügig Österreich bei den Corona-Hilfen insgesamt war – ausgerechnet bei der Bildung soll nun geknausert werden? Wenn auf Bundesebene so gedacht wird, muss Wiens Bürgermeister Michael Ludwig beweisen, dass ihm Bildung tatsächlich ein Hauptanliegen ist – und tätig werden. Er wird auch unter ÖVP-Landeshauptleuten genügend Verbündete dafür finden. (Petra Stuiber, 22.6.2021)