Der Run auf Immobilien kann auch Risiken bergen.

Foto: Imago

Es war ein ungewöhnlicher Schritt, den die Bankenaufseher unternommen haben. Zu Wochenbeginn warnten sie öffentlich vor der Entstehung einer Blase auf dem österreichischen Immobilienmarkt. Es gebe deutliche Hinweise für eine "Überhitzung". Das Finanzmarktstabilitätsgremium, von dem die Warnung kam, wies darauf hin, dass eine Immobilienblase, wenn sie einmal platzt, auch den Bankensektor mit in die Tiefe reißen kann. Das Ganze war also mehr als nur ein Wink mit dem Zaunpfahl.

Aber was beunruhigt die Aufseher derart, und sind die Sorgen berechtigt? Aktueller Anlass für die Warnungen ist eine Kombination aus zwei Entwicklungen. Da sind einmal die seit langem stark steigenden Immobilienpreisen in Österreich. Es ist eine Rallye im Gang. In den vergangenen zehn Jahren haben die Häuserpreise jährlich um mehr fünf Prozent zugelegt, wie die Ratingagentur Scope in einer Analyse festhält. Dieser Anstieg lag deutlich über dem europäischen Schnitt.

Corona brachte nur eine weitere Beschleunigung beim Anstieg der Immobilienpreise. Wie lange geht das noch gut?
AFP/Joe Klamar

Und er war doppelt so schnell, wie die verfügbaren Einkommen der Haushalte in Österreich zugenommen haben. Die Preissteigerungen am Häusermarkt haben sich also von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung entkoppelt. Auch im letzten Jahr war das so, trotz oder eigentlich sogar wegen Corona. Laut dem Maklernetzwerk Remax sind die Preise für ein typisches Einfamilienhaus 2020 bundesweit um zehn Prozent gestiegen. Die Nationalbank spricht von einem Preissprung von knapp über zwölf Prozent allein vom ersten Quartal 2020 bis zum ersten Quartal 2021.

Was aber das Finanzmarktstabilitätsgremium, dem Vertreter der Nationalbank, der Finanzmarktaufsicht, des Finanzministeriums und des Fiskalrats angehören, nervös macht, ist, dass sich die Art der Finanzierung am Immobilienmarkt verändert hat. Immer öfter wird das Eigenheim via Bankkredite finanziert. Die Neuvergabe von Immobilienkrediten an private Haushalte hat im April im Vergleich zum Vorjahr um 6,6 Prozent zugelegt. Das sind Höhen, wie es sie zuletzt vor der Finanzkrise 2009 gab (siehe Grafik).

Eine alte Wahrheit der Finanzaufseher lautet, dass ein Anstieg der Häuserpreise allein noch kein Problem darstellt. Sollte sich eine Blase bilden und diese platzen, verlieren zunächst nur die Eigenheimbesitzer etwas. Zum gesamtwirtschaftlichen Problem wird das Ganze erst, wenn Banken mit vielen Krediten involviert sind. Wenn Schuldner diese nicht mehr abbezahlen können, frisst sich die Krise durch das System – und befällt die Banken.

Ignorierte Empfehlungen ...

Was den Aufsehern missfällt, ist, dass die Banken bei der Vergabe von Krediten zu viel Risiko eingehen. Das Finanzmarktstabilitätsgremium empfiehlt schon länger, dass bei einer Hypothek ein Eigenfinanzierungsanteil von mindestens 20 Prozent zur Absicherung eingebracht werden muss. Zudem sollen Laufzeiten höchstens 35 Jahre betragen, die Rückzahlungen sollten nicht mehr als 30 bis 40 Prozent des Nettoeinkommens betragen.

In zwei Punkten werden die Vorgaben ignoriert: Bei 60 Prozent der im vergangenen halben Jahr vergebenen Kredite wird die Eigenmittelquote nicht erfüllt. Bei fast 20 Prozent der Haushalte mit neuen Darlehen ist die Belastung durch Rückzahlungen höher als empfohlen. Das Aufsichtsgremium empfiehlt die Vorgaben bisher nur. Sollte es von den Banken weiter ignoriert werden, will es sie vorschreiben.

Wer mit Experten über das Risiko einer Krise am Immobilienmarkt spricht, bekommt aber dennoch zu hören, dass für Alarmismus derzeit wenig Grund besteht.

Zunächst müsste zu sinkenden Immobilienpreisen eine gesamtwirtschaftliche Erschütterung dazukommen: Erst wenn viele Häuselbauer ihre Jobs verlieren oder das Zinsniveau sehr stark steigt, geht den Menschen das Geld aus, um Darlehen zurückzuzahlen. Darauf gibt es aktuell keine Hinweise.

Die Ratingagentur Scope sieht mehrere Gründe, warum Österreich strukturell weniger anfällig ist. "Zunächst ist die Verschuldung der Haushalte im europäischen Vergleich gering", sagt Reber Acar von Scope. Noch wichtiger sei, dass sich die Verschuldung vor allem auf "krisenfeste Haushalte mit überdurchschnittlichem und stabilem Einkommen" verteile.

Scope weist auch darauf hin, dass der soziale Wohnbau und der regulierte Mietenmarkt, zumindest für den Altbau in Wien, eine stabilisierende Rolle spielen. Weil unteren Einkommensschichten erschwinglicher Wohnraum zur Verfügung steht, ist diese Gruppe tendenziell weniger überschuldet.

... aber wenige faule Kredite

Ein weiterer Punkt: Die Kreditnehmer sind gegen steigende Zinsen besser abgesichert als in der Vergangenheit. Noch 2015 waren gerade 15 Prozent der Darlehen fest verzinst, heute sind es über 60 Prozent.

Derzeit ist auch die Zahl der Zahlungsausfälle niedrig: Von allen Krediten waren laut European Banking Authority (EBA), einer europäischen Aufsichtsbehörde, nur 2,1 Prozent faul in Österreich. Bei privaten Hypotheken lag der Anteil der Darlehen, die nicht bedient werden können, sogar knapp unter zwei Prozent, bei gewerblichen war er mit 3,6 Prozent etwas höher. Erst ab einem Wert von fünf Prozent gibt es laut den Kriterien der europäischen Aufseher Grund zur Sorge, sagt Stefan Selden von 720° Restructuring & Advisory, einem auf Umschuldungen spezialisierten Unternehmen.

Die Preise am Häusermarkt sind stärker gestiegen als die Einkommen.
Foto: APA

Interessant ist, was die Preise am Immomarkt zuletzt angetrieben hat. "Wohnprojekt vor Baubeginn an Investor verkauft": Solche Meldungen gibt es am Wiener Wohnungsmarkt seit einigen Jahren immer wieder, und sie reißen nicht ab — eher im Gegenteil. Institutionelle Investoren wie Pensionsfonds, Vorsorgekassen und Versicherungen kaufen in Wien, aber zunehmend auch in Graz, Salzburg und Linz ganze Wohnprojekte auf. Oft in der Bauphase, manchmal auch direkt nach der Baugenehmigung. Die Wohneinheiten wandern mit der Fertigstellung ins Portfolio des Investors, die Wohnungen werden vermietet.

Weil der Einkaufspreis des Investors relativ hoch angesetzt war, fallen die Nettomieten entsprechend hoch aus – 14 Euro oder auch mehr.

Die Rendite aus der Vermietung ist aber oft gar nicht das Ziel. Es geht oft nur um die "zweite Rendite", nämlich jene aus der Wertsteigerung des Wohnobjekts. Wird es zehn Jahre nach dem Ankauf mit einem Aufschlag von 30 Prozent (oder mehr) wieder verkauft, passt die Rendite wieder. Vor allem am Wiener Zinshausmarkt könne man das derzeit schon verstärkt beobachten, sagte Georg Edlauer, Fachverbandsobmann der Immobilientreuhänder in der Wirtschaftskammer, kürzlich in einem Pressegespräch. "Viele arbeiten nur noch so."

Für die Investoren ist das Investment in Betongold eine gute Alternative, um dem niedrigen Zinsumfeld zu entgehen. Zugleich wird so Wohnraum für andere Kaufinteressenten wie klassische Häuselbauer entzogen. Das treibt die Preise dort erst recht weiter an. (András Szigetvari, Martin Putschögl. 22.6.2021)