Geschäfte und Shoppingmalls weitgehend geschlossen und trotzdem einkaufen: Die Pandemie schuf auch in dieser Hinsicht ein riesiges Experimentierumfeld. Mit den bekannten Auswirkungen. Viele Konsumenten wanderten ins Internet ab, Onlineshopping erfuhr einen ungeahnten Aufschwung.

In den USA waren die Onlineverkäufe 2020 um 44 Prozent höher als 2019, in Großbritannien schnellten sie heuer im ersten Quartal um 74 Prozent nach oben, die Österreicher und Österreicherinnen gaben von Mai 2020 bis April 2021 mit 10,4 Milliarden Euro um ein Fünftel mehr in Webshops aus als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. All das macht sich auch in der Packerlflut bemerkbar.

Zusteller unterwegs

Landauf, landab sind die Zusteller unterwegs, immer vollbepackt, immer im Stress. Sie sind die Verlierer im boomenden Geschäft. Die Schwächen des Systems sind aber auch anderswo spürbar: Zusteller läuten nicht an, Konsumenten sind gezwungen, ihre Waren bei Nachbarn im Haus, bei einem der Paketpartner, bei Packerlstationen oder bei der Post aufzusammeln. Das funktioniert mehr oder weniger gut. Das rasante Wachstum fordert auch die Logistikdienstleister heraus.

Online einkaufen, das ging auch während der Lockdowns. Die ohnehin geplagten Zusteller brachte das noch einmal gehörig unter Druck. Aber auch die Nerven so mancher Einkaufswilliger wurden arg strapaziert.
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Seit Jahren wächst das Paketaufkommen, im Vorjahr wurde es zur Flut. Hierzulande wurden 287,1 Millionen Pakete – um über 41 Millionen mehr als im Jahr davor – durchs Land gekarrt. Bis 2025 soll die Zahl der weltweit ausgelieferten Pakete auf 200 Milliarden steigen, 2018 waren es weniger als 90 Milliarden.

Ökologische Folgen

All das hat einen Preis, wie der Strategieberater Boston Consulting (BCG) analysiert. Staus, Unfälle, Luftverschmutzung – Kosten, die großteils die Allgemeinheit trägt. Für die USA hat BCG beachtliche Größenordnungen für die letzte Meile ausgerechnet: Pro Kopf fallen zwischen 425 Dollar in Dallas und 717 Dollar in Boston an.

Wie E-Commerce im Vergleich zum traditionellen Einzelhandel in Bezug auf Emissionen abschneidet, ist umstritten. Für die österreichische Hauptstadt kam vor zwei Jahren eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien im Auftrag der Post zum Schluss, dass die Zustellung effizienter sei, als viele glauben würden. Der Anteil an Zustellern am Gesamtverkehr in Wien würde nur 0,8 Prozent betragen, das CO2-Einsparungs-Potenzial sei vergleichsweise sehr gering, hieß es da. Zum Vergleich: Autos machten 86,5 Prozent, Handwerker und Techniker sechs Prozent aus.

Auch die Logistiker sind gehörig gefordert und drehen an vielen Schrauben.
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Dennoch wird seitens der Logistiker an vielen Schrauben gedreht. Die Post hat sich zum Beispiel bis 2030 eine CO2-freie Zustellung vorgenommen. Mit E-Flotte und unter Einsatz von grünem Strom ist man bereits unterwegs. Auch anderswo wird nach Alternativen gesucht. An der Johannes-Kepler-Universität in Linz wurde gemeinsam mit der FH Technikum Wien ein Zustellroboter-Prototyp entwickelt, der zunächst einmal auf dem Campus in Linz Dienst schieben soll, um zu erproben, ob das auch außerhalb dieses geschützten Rahmens funktionieren kann.

Die Berater von Boston Consulting halten ein ganz neues Ökosystem mit teils bekannten Bausteinen für erforderlich. Dazu gehören bequeme Abholoptionen, in Parks oder Erholungsgebieten oder etwa in Einkaufszentren oder Geschäften, die auch Abhol- und Bringservices anbieten.

Drohnen, Roboter, E-Lastenräder, es werden viele neue Dinge für die Zustellung erprobt. Trotzdem werde der Lieferwagen weiterhin eine zentrale Rolle einnehmen, meinen die Berater.

Dazu kämen Städte ins Spiel, die transparente, umweltfreundliche Standards entwickeln sollten, die das gesamte Liefernetzwerk abdecken – von der grünen Flotte bis zu den Abholstationen, die Konsumenten hätten dann eine echte Wahl. Zudem schlagen die Berater vor, dass sich die Kommunen mit Spediteuren und E-Commerce-Unternehmen zusammentun, um eine gemeinsame intelligente Plattform zu implementieren, die alle Liefer- und Abholoptionen integriere.

Billiger und besser

Kostengünstiger, effizienter, umweltfreundlicher und alle Beteiligten als Gewinner, so sieht die Kalkulation der Berater aus – vorausgesetzt, die Beteiligten machen mit. Versender könnten ihre Lieferpläne konsolidieren, E-Commerce-Unternehmen Kunden ein zufriedenstellendes Liefererlebnis bieten, neue Dienstleister Geschäftsideen etablieren, stationäre Händler abholende Kunden zum Kauf animieren. Orchestrieren könnte das eine öffentliche Einrichtung oder eine öffentlich-private Partnerschaft.

Geht die Rechnung auf, würden Fahrzeugkilometer von Lieferanten um zwei Drittel und die Kosten pro geliefertem Paket um 15 Prozent sinken. Die Frage, inwieweit die geplagten Kuriere und Paketboten von einer solchen neuen Zustellwelt profitieren könnten, wurde nicht gestellt. (Regina Bruckner, 23.6.2021)