Österreichische Fußballfans in Bukarest. Wie viele von Ihnen auch in London dabei sind, ist fraglich.

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London – Stell dir vor, es ist Achtelfinale, und keiner geht hin. Oder vielmehr: Keiner darf hin. Eigentlich: Kein Österreicher darf hin. So traumhaft ein Match im legendären Londoner Wembley-Stadion unter anderen Umständen wäre, so ärgerlich ist es nun.

Denn im Vereinigten Königreich steht Österreich auf der "Gelben Liste", womit Einreisende für zehn Tage in Quarantäne müssen. Freitesten kann man sich frühestens am fünften Tag, wobei der Ankunftstag Tag null ist – wer am Samstag legal im Stadion sitzen will, müsste also seit Montag im Land sein.

Corona-Regeln

"Ich hoffe, dass die Uefa vielleicht noch eine Veränderung vornimmt", sagte ÖFB-Teamchef Franco Foda. "Stand heute ist es nicht realistisch", sagte ÖFB-Geschäftsführer Bernhard Neuhold am Dienstag. Der Verband ist laut Neuhold allerdings mit Außen- und Innenministerium, mit Österreichs Botschaft in London und mit der Uefa in Kontakt, um alle Möglichkeiten auszuloten. "Wir werden alles versuchen, wollen aber keine falschen Erwartungen wecken."

Die Einreiserichtlinien liegen freilich in der Hand der britischen Regierung, wobei die Uefa dem Vernehmen nach Druck macht – wohl eher mit Blick auf Halbfinale und Finale. Dem Vernehmen nach steht die nächste Überarbeitung des Ampelsystems am Donnerstag an. Es wird fleißig über Länder spekuliert, die von der Gelben Liste auf die Grüne Liste rutschen könnten – Österreich ist selten darunter.

Würde man es unter geänderten Regeln ins Stadion schaffen, wäre auch die Rückreise kein Spaß. Großbritannien ist eines von vier Ländern, das in Österreich als Virusvariantengebiet klassifiziert ist. Das Landeverbot für Flugzeuge ist mit 20. Juni ausgelaufen, Rückkehrer brauchen für die Einreise nach Österreich einen negativen PCR-Test und müssen darüber hinaus zehn Tage in Quarantäne. Nach fünf Tagen kann man sich freitesten, Ausnahmen für Geschäftsreisende gibt es keine. Bei aller Bürokratie nicht zu vergessen: Man riskiert trotz aller Testerei und Vorsicht, die Delta-Variante einzuschleppen.

"Gemischte Gefühle" bei Bachmann

1.750 Tickets wären für Fans des ÖFB reserviert, die könnten nun relativ leichte Beute für Auslandsösterreicher sein. Die österreichische Botschaft in London schätzt, dass es davon im Vereinigten Königreich etwa 35.000 gibt.

Drei davon werden sicherlich im Stadion sein. Die Frau und Kinder von Einsergoalie Daniel Bachmann können zu ihrem ersten EM-Spiel, sie standen bei den drei bisherigen Partien vor der umgekehrten Einreise-Problematik. "Dafür können meine Eltern nicht kommen. Es sind gemischte Gefühle", sagt Bachmann.

Menschenmassen

In den Wembley-Achtelfinalspielen am Samstag und Dienstag sind 45.000 Zuschauer zugelassen. Am Dienstagnachmittag entschied die britische Regierung, die Kapazitäten für Halbfinale und Finale im Rahmen ihres Event-Forschungsprogramms auf "mehr als 60.000 Plätze" zu erhöhen. In der Aussendung schreibt das britische Sportministerium dann noch von 75-prozentiger Kapazität – das wären sogar 67.500 Fans. Ins Stadion darf nur, wer seine zweite Impfung mindestens zwei Wochen vor dem Match hatte oder einen negativen Test vorweisen kann.

Während Großbritannien die Limits – sicher auch auf Druck der Uefa – anhebt, warnt der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, vor einer Reise nach Großbritannien. "Ich halte es sogar für Geimpfte für verantwortungslos, in dieser Lage nach London zu reisen", sagte er. (Martin Schauhuber, 23.6.2021)