Furcht, Verwirrung, Glaube, Hoffen: Kristina Schranz beobachtete das Südburgenland während des Lockdowns.

Foto: Kristina Schranz

Regisseur Benjamin Knöbl (Mitte) am Set in Pajngrt/Baumgarten im Burgenland.

Foto: Benjamin Knöbl

Kristina Schranz dreht den Lockdown aus allen Perspektiven.

Foto: Kristina Schranz

Die Welt lag still. Es war ein wenig gespenstisch. Die Menschen hatten sich, von heute auf morgen, verkrochen. Jeder Ort, an dem man einander hätte begegnen können – Kirche, Einkaufzentrum, Schule, Wirtshaus – hatte geschlossen. "Es gilt", so verkündete Sebastian Kurz, der Kanzler, mit dramatischen Worten, "bleiben Sie zu Hause!"

Das Bild eines leeren Hallenbades, eine auf Null gestellte digitale Uhr und diese Kurz’schen Worte: so beginnt Kristina Schranz ihren Dokumentarfilm über die Zeit des Lockdowns, der am Samstag im Oberwarter Dieselkino seine Publikumspremiere hat. Unterm kritischen Blick auch der Protagonisten.

Am Beispiel Südburgenland

Denn der Film – "Vakuum" nannte ihn die Regisseurin – dokumentiert die Ausnahmesituation des Lockdowns im Südburgenland. Oder eigentlich: anhand des Südburgenlandes. Mit den Gesichtern, den Stimmen und den Stimmungen, den Ängsten und Hoffnungen und auch Abseitigkeiten der Südburgenländerinnen und der Südburgenländer. In ruhigen, distanzierten, aufmerksam hinhörenden Einstellungen.

Kristina Schranz, Jahrgang 1991, studierte an dem Münchener Hochschule für Film und Fernsehen. 2020 fehlte nur noch eine Abschlussarbeit. "Ich bin schon vorm Lockdown heim nach Oberwart gekommen, wollte einmal in die Recherche gehen." Kurz zuvor hatte sie sich eine ordentliche Kamera gekauft. Sie dachte für ihre Abschlussarbeit eher an Fotoprojekt.

Münchner Abschluss

Dann aber kam die Kanzlerrede, das Gespenstische, kam die Stille über das Land. Und bald war klar: "Das ist es, das muss ich machen." Und allmählich, in der Arbeit schon, wuchs sich die Sache aus. "Es wurde bald klar, dass ich da an etwas Historischem, einem Zeitporträt arbeite." Und bald wurde auch klar, "dass ich weiterdrehen muss, auch die Öffnung und den neuerlichen Lockdown, und was sich da verändert hat". Schranz war nicht die einzige, welche die beklemmende Brisanz in dem Vorhaben sah.

"Es sind Förderer eingestiegen." Das Land Burgenland zapfte seinen 100-Jahr-Jubiläumsfons an. Der Bayrische Rundfunk stieg ein, "im Herbst wird der Film dort dann auch ausgestrahlt". Nach drei kürzeren Dokus ist "Vakuum" der erste Langfilm der jungen Oberwarterin. Uraufführung hatte er unlängst auf der Diagonale in Graz. Am Wochenende läuft er dort, wo er vor allem hingehört: vorm Publikum

Trailer zu "Vakuum"

Stille und Welt

Die Pandemie war der Auslöser auch für einen zweiten burgenländischen Film. Benjamin Knöbl lebt seit Jahren schon in Los Angeles, wo er sich als Drehbuchautor und Regisseur schon erste Hollywood-Sporen verdient hat. Zuletzt hatte er mit seinem Horror-Thriller "The Reason for Living" bei mehreren US-Kurzfilm-Festivals Erfolge gefeiert. Mit Peter Wolf, dem austro-amerikanischen Komponisten, arbeitete er an einer Netflixserie, als der Virus anfing, um die Welt zu rasen. Knöbl kehrte, als dies noch möglich war, zurück ins heimatliche Marz an der Grenze zwischen Nord- und Südburgenland.

Es habe ihn, sagt er, immer auch beschäftigt, einen Film zum, übers oder wenigstens aus dem Burgenland zu drehen. Mag sein, das ist wie ein Spleen. Aber nicht nur Burgenländer sind wohl so. "Ich erzähle jedem stolz, dass ich aus Österreich bin und erkläre den Leuten sogar, wo auf der Landkarte das Burgenland liegt."

Kammerspiel

Beim Radfahren – "Was sonst sollte ich tun im Lockdown?" – kam er einmal am sogenannten öden Kloster in Pajngrt/Baumgarten vorbei, ein seit Jahrhunderten verlassenes, baulich dennoch gut erhaltenes Paulinerkloster. Und da konkretisierte sich der vage Wunsch zur konkreten Idee: ein Kammerspiel über eine Lebensentscheidung.

"Impetus" heißt der Kurzfilm, der einen jungen Novizen begleitet, der kurz davorsteht, sein Gelübde abzulegen. Knöbl zeigt die Hin- und Hergerissenheit des jungen Mannes, der sich zwischen Welt und der Stille lebenslänglicher Weltabgewandtheit zu entscheiden hat. "Ich dachte mir, was passiert, wenn man diese Entscheidung an die Spitze treibt? Daraus ist dann der Paulinus entstanden. Den Namen hat er vom Inspirationsort, dem Paulinerkloster."

Paulinus

Verkörpert wird dieser Paulinus, der Entscheidungsgezwungene, von Markus Freistätter, der 2018 im Film über Erik Schinegger sowohl die Erika, als auch den Erik die Gestalt leiht.

Im Moment, erzählt Benjamin Knöbl, "dreht Markus gerade sehr intensiv". Die ins Auge gefasste Kino-Premiere im Juli ist darum einmal auf August verschoben. "Mir ist es wichtig, dass der Markus dabei ist." (Wolfgang Weisgram, 24.6.2021)