Erzbischof Paul Gallager hat die schriftliche Beschwerde unterzeichnet.

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Die Verbalnote trägt die Unterschrift des britischen Erzbischofs Paul Gallagher, seit 2014 Außenbeauftragter des Heiligen Stuhls und somit de facto der vatikanische Außenminister. Mit dem geplanten italienischen Gesetz gegen Geschlechterdiskriminierung, moniert Gallagher, könnten einige Rechte der katholischen Kirche "unzulässig eingeschränkt" werden, namentlich die Meinungsäußerungsfreiheit. Damit würde es das Konkordat von 1984 verletzen, in dem die bilateralen Beziehungen zwischen dem italienischen Staat und der katholischen Kirche Italiens geregelt werden. "Wir bitten darum, dass unsere Bedenken berücksichtigt werden", zitierte der "Corriere della Sera" aus dem vatikanischen Schreiben.

Die vatikanische Intervention, die vom 17. Juni datiert, aber erst am Dienstag öffentlich wurde, richtet sich gegen das "Gesetz zur Verhinderung und Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt aufgrund von Geschlecht, Gender, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität und Behinderung". Obwohl das Gesetz landläufig als "Anti-Homophobie-Gesetz" bezeichnet wird, geht es also um die Diskriminierung von Geschlechtsidentität ganz allgemein. Die Vorlage zielt darauf ab, diskriminierende Handlungen und Anstiftung zur Gewalt gegen Schwule, Lesben, Transgender-Personen und Behinderte unter Strafe zu stellen.

Regierungschef Mario Draghi betont darauf die Freiheit des Parlaments . Italien sei ein säkularer Staat und deshalb sei das Parlament frei in seiner Diskussion, erklärte der der frühere EZB-Chef.

Kritik schon im letzten Jahr

Die katholische Kirche und der Vatikan fühlen sich von dem Gesetzesentwurf direkt angesprochen – und in der Tat hatte die italienische Bischofskonferenz schon im vergangenen Jahr kritisiert, dass es nicht angehen könne, "diejenigen strafrechtlich zu verfolgen, die der Meinung sind, dass die Familie einen Vater und eine Mutter braucht und nicht die Verdoppelung derselben Figur". Dies wäre nichts anderes als die "Einführung eines Meinungsdelikts", schrieben die Bischöfe damals.

Die Argumentation wirkt vorgeschoben, denn gerade darum geht es in dem Gesetz nicht: "Die Meinungsäußerungsfreiheit wird nicht infrage gestellt. Alle Meinungen und legitimen Handlungen bleiben erlaubt – unter Strafe gestellt werden lediglich Verhaltensweisen, die eine konkrete Gefahr mit sich bringen, dass sie zur Diskriminierung und zu Gewalt führen können", betont der linke Abgeordnete Alessandro Zan, der das Gesetz eingebracht hat.

Der Vatikan mischt regelmäßig mit

Der vatikanische Protest erinnert ein wenig an die Intervention der Uefa gegen die geplante Stadionbeleuchtung in Regenbogenfarben: Es ist das Thema als solches, das den Konservativen innerhalb der Kirche ein Dorn im Auge ist. Im Übrigen sind Einmischungen des Vatikans in die italienische Gesetzgebung so alt wie die Lateran-Verträge von 1929, auf die das von Gallagher zitierte Konkordat zurückgeht: Die Kirche hatte auch schon bei der Einführung des Rechts auf Ehescheidung, bei der Fristenregelung zur Abtreibung, bei dem Gesetz zu künstlicher Befruchtung und unlängst auch bei der Einführung eines Zivilstandsregisters für homosexuelle Paare sowie bei der Legalisierung der ärztlichen Beihilfe zum Selbstmord von Todkranken regelrechte Glaubenskriege losgetreten.

Bisher einmalig ist dagegen, dass sich der Vatikan bei seiner erneuten Einmischung in die inneren Angelegenheiten Italiens auf das Konkordat beruft und diplomatische Schritte einleitet. Ministerpräsident Mario Draghi zeigte sich am Dienstag gesprächsbereit und erklärte im Parlament, dass der Heilige Stuhl "wichtige Fragen" aufgeworfen habe und dass die Regierung selbstverständlich bereit sei, über rechtliche Fragen bezüglich einer eventuellen Verletzung des Konkordats zu diskutieren. Ähnlich äußerte sich auch der Chef des sozialdemokratischen Partito Democratico, Enrico Letta, der aber gleichzeitig betonte, dass man an den eigentlichen Anliegen der Vorlage festhalten wolle.

Rechtsparteien toben

Das Zan-Gesetz war schon vor der vatikanischen Note politisch heiß umstritten gewesen: Sämtliche Rechtsparteien – die Lega von Matteo Salvini, die Forza Italia von Silvio Berlusconi sowie die postfaschistischen Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni – laufen seit Monaten Sturm gegen die ihrer Meinung nach "freiheitstötende" Vorlage, die in Wahrheit inhaltlich hinter den meisten ähnlichen Gesetzen in anderen europäischen Ländern zurückbleibt.

Das Gesetz ist zwar von der Abgeordnetenkammer im vergangenen Herbst gutgeheißen worden, doch seither ist es aufgrund der Obstruktion der Rechtsparteien im Senat blockiert – und dort sind die politischen Mehrheiten derart knapp, dass es keineswegs sicher ist, ob es auch in der kleinen Kammer eine Mehrheit finden wird. Es ist denkbar, dass durch die Intervention des Heiligen Stuhls einige Änderungen des Gesetzes vorgenommen werden, die zur Beschwichtigung der Gegner führen und der Vorlage am Ende zum Durchbruch verhelfen könnten. (Dominik Straub aus Rom, 23.6.2021)